Caverne du Pont d’Arc - eine Reise in die Steinzeit

In wenigen Tagen wird nahe des kleinen Städtchens Vallon-Pont-d’Arc im Süden Frankreichs ein weltweit einmaliges Museum eröffnet werden. Das Museum „Caverne du Pont d’Arc“ bildet die Chauvet-Höhle in der Ardèche-Schlucht originalgetreu nach und macht deren vorzeitliche Höhlenmalereien erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. 

Die Chauvet-Höhle wurde erst vor gut zwanzig Jahren entdeckt. Sie war vor etwa 22.000 Jahren durch eine herabstürzende Felswand verschlossen worden. Dieser hermetischen Abriegelung von der Aussenwelt ist es zu verdanken, dass die Kunstwerke aus einer fernen Zeit fast unversehrt erhalten blieben.

Im Tal der Ardèche

Das Tal der Ardèche in der Region Rhône-Alpes gehört zu den schönsten Flusslandschaften Frankreichs. Insbesondere die canyonartigen Gorges de l’Ardèche mit ihren steilen Felswänden sind ein Touristenmagnet. Der Fluss selbst gilt in diesem Abschnitt als Traumziel für Kanuten und Kajakfahrer. Im Bereich des Canyons liegt auch die Chauvet-Höhle. Sie ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, grosse Besucherscharen würden alleine bereits durch die feuchte Atemluft zu Pilzbefall führen und die empfindlichen Malereien gefährden. Daher entstand vor einigen Jahren der Plan, die Höhle originalgetreu in der Nähe nachzubauen, so dass jeder die Kunstwerke erleben kann. 2010 begann man mit der Realisierung des Projektes, das jetzt mit der Eröffnung zum Abschluss kommt.

Vor wenigen Tagen fand die offizielle Einweihung des Höhlennachbaus unter Anwesenheit des französischen Staatspräsidenten François Hollande statt, am 25. April wird es seine Tore erstmals für Besucher öffnen. Grosser Andrang dürfte dabei garantiert sein. Bei der Errichtung des Museums, das auch äusserlich ein bemerkenswerter Bau ist, wurde nicht gespart. Insgesamt 55 Millionen Euro hat das Vorhaben verschlungen. Bei der Höhlenrekonstruktion wurde an alles gedacht. So hat man sich nicht nur bemüht, das Höhleninnere mit den Malereien und den sonstigen gefundenen menschlichen und tierischen Spuren detailgetreu zu rekonstruieren. Selbst der charakteristische Höhlengeruch wurde mit spezieller Technik imitiert, so dass der Besucher tatsächlich beim Rundgang durch die künstliche Höhle einen authentischen Eindruck erhält.


Der Fluss im Tal der Ardèche gilt als Traumziel für Kanuten und Kajakfahrer. (Bild: © BerndGehrmann – CC BY-SA 3.0)

Ein Kultur-Zeugnis der Steinzeit 

Die Malereien der Chauvet-Höhle gelten zusammen mit denen aus der El-Castillo-Höhle in Spanien als die ältesten der Welt. Sie sind nach ersten Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode vor 32.000 bis 35.000 Jahren entstanden, manche datieren sie auch einige tausend Jahre später. Damals gab es in Europa noch die letzten Neandertaler und der Homo Sapiens hatte von Afrika kommend noch nicht lange seinen Weg in unsere Breiten gefunden. Es handelte sich um eine Gesellschaft der Jäger und Sammler, Ackerbau und Viehzucht waren noch völlig unbekannt und sollten erst wesentlich später erfolgen. Künstliche Wohnbauten existierten ebenso wenig wie Sesshaftigkeit an einem festen Ort. Zu den bedeutendsten Kulturleistungen gehörte die Beherrschung des Feuers sowie die Anfertigung und Nutzung von Steinwerkzeugen. Sie gaben der Steinzeit ihren Namen.

Vor diesem Hintergrund zeigen die Malereien in der Chauvet-Höhle ein aussergewöhnliches kulturelles und künstlerisches Niveau. Der luftdichte Abschluss der Höhle durch den Felssturz hat die Kunstwerke in hervorragender Qualität erhalten, er verhinderte ausserdem spätere Einwirkungen von aussen. Insgesamt umfasst die Höhle mehr als 8’100 Quadratmeter und ist damit die grösste, die bisher in der Ardéche-Region gefunden wurde. Sie gliedert sich in vier grosse Säle, der ausgedehnteste hat einen Umfang von rund 2’400 Quadratmetern. Das neue Museum bildet auf etwa 3’500 Quadratmetern die Teile der Höhlenfläche ab, in der sich die Malereien befinden. Insgesamt tausend Höhlengemälde wurden gefunden, darunter ganze Kompositionen von Bildwänden, die sich über bis zu zwölf Meter erstrecken.

Tierbilder von hoher künstlerischer Qualität 

In der Darstellung dominieren Abbildungen von Tieren, über vierhundert Tier-Bilder wurden entdeckt. Daneben wurden zahlreiche Mischwesen, Sexualsymbole und andere Zeichen gefunden. Die Tier-Malereien lösen beim Betrachter zweifelsohne den grössten Eindruck aus. Sie wurden mit ausgesprochener Kunstfertigkeit ausgeführt und zeigen bis ins Detail genau Aussehen und Bewegungsabläufe auf. Die Linienführung wirkt sehr gekonnt und verleiht den Bildern ästhetischen Schwung. Teilweise hat man bewusst die Felsreliefs genutzt, um bestimmte Darstellungen besonders zur Geltung zu bringen. Die Steinzeit-Künstler müssen sich daher keineswegs hinter späteren Meistern verstecken. Als „Malfarbe“ wurde zunächst Holzkohle benutzt, später verwendete man auch Naturocker und Lehm, um ockerfarbene Bilder zu ermöglichen. Die Herstellung der Farben erfolgte vor Ort.


Nashorn mit überlangem Horn (Bild: © wiki.org)

Die Bilder zeigen eine sehr vielfältige Tierwelt: Wollnashörner, Wildkatzen, Bären, Mammuts, Wildpferde, Rentiere, Bisons, Vögel und viele Tiere mehr. Sie sind ein getreues Abbild des eiszeitlichen Vorkommens in Europa. Etliche Arten existieren heute nicht mehr. Die Malereien in der Chauvet-Höhle zeigen dabei auch Darstellungen, die bei anderen Höhlenfunden nicht oder nur selten entdeckt wurden. Ein besonderes Charakteristikum sind häufigere Mehrfachdarstellungen von Tieren, entweder von Tierpaaren oder zur Erfassung von Bewegungsabläufen. Bei den gezeigten Mischwesen ist eine Darstellung besonders bemerkenswert: ein Paar mit einem menschlichen Unterleib und einem weiblichen Löwen- sowie einem männlichen Bison-Oberkörper – ein rätselhaftes Bild.


Eiszeitliche Darstellung von Höhlenlöwen in der Höhle von Chauvet (Bild: © HTO – wiki.org)

Deutungsversuche – ein Kult- und Initationsort?

Die Deutungen der Tierbilder sind naturgemäss auf Vermutungen angewiesen. Ursprünglich ging man davon aus, dass es sich um die Abbildung von Jagdbeute handelt. Solche Abbildungen könnten dazu gedient haben, den Jagderfolg zu unterstützen. Davon ist man inzwischen abgekommen. Denn viele Bilder zeigen Tiere, die keine typischen Beutetiere sind, sondern damals dem Menschen eher gefährlich werden konnten. Sie werden dabei aber keineswegs aggressiv oder bösartig präsentiert – ganz im Gegenteil, oft scheint die Zuneigung das Thema der Bilddarstellungen zu sein. Man glaubt daher, dass die Malereien im Zusammenhang mit Initiationsriten und Kulthandlungen standen und eher religiösen Zwecken dienten. Die wissenschaftliche Forschung um die Deutung ist noch nicht am Ende. Fest steht, dass die Bilder über einen längeren Zeitraum entstanden sind. Über rund 6.000 Jahre wurde hier gezeichnet und gemalt. Bewohnt wurde die Höhle dabei offenbar nicht, denn alle Funde deuten immer nur auf menschliche Kurzzeit-Aufenthalte hin.



Die Chauvet-Höhle steht beispielhaft für die Entwicklung des Menschen von einer naturbehafteten Lebensform zur Kultur. Sie ist ein bemerkenswerter Baustein in der langen Geschichte unserer modernen Zivilisation. Sie zeigt gleichzeitig, dass sich der Mensch der Steinzeit mit seinen Fähigkeiten durchaus mit dem heutigen Menschen messen konnte. 30’000 Jahre mehr Know-how heute sind vielleicht nicht zu hoch zu bewerten. Ein Besuch im neuen Museum „Caverne du Pont d’Arc“ sollte bei einem Aufenthalt in dieser schönen Gegend Frankreichs jedenfalls nicht fehlen.

 

Oberstes Bild: © Thomas T. – CC BY-SA 2.0

author-profile-picture-150x150

Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-16').gslider({groupid:16,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});