China – ein (Alb) Traum zum Radeln

Ich (www.pushbikegirl.com) war gespannt wie ein Flitzebogen, als ich von Kasachstan kommend auf meinem Weg nach Australien über die Grenze nach China rollte. Da lagen 6000 lange Kilometer vor mir, die ich binnen 4 Monaten schaffen musste, denn länger durfte ich in China nicht verweilen.

Am Anfang waren es die Uiguren, eine zentralasiatische Volksgruppe in der Provinz Xinjiang, die mich herzlichst aufnahmen und mir das Leben das ein oder andere Mal mit einer Einladung zum Essen, zum Tee oder mit einer Übernachtung im Haus versüssten. Anschliessend sollten es die Tibeter werden, die mich mit ihrer Herzlichkeit sehr freundlich aufnahmen, doch dazu später mehr.

Die Landschaft auf den ersten 1000 Kilometern hätte nicht spannender sein können. Wunderschöne Berge und Wälder, aber auch karge Berghänge, Felder und Wiesen umgaben mich. Alles sehr abwechslungsreich.


Endlos erscheint der Weg, jeden Tag die gleiche Landschaft, die gleiche Strasse, der gleiche Sturm. (Bild: © Heike Pirngruber)

Doch die Szenerie veränderte sich schon bald schlagartig. Die Wüste Gobi war eine zehrende Aufgabe. Irre heiss, monoton, endlos. Der Wind tobte und die einzige Strasse, die es gab, war eine Autobahn. Doch glücklicherweise war der Verkehr erträglich. Meistens radelte ich nachts, denn bei Tage war es einfach viel zu heiss. Ich schlief mehrfach im Zelt, oftmals vor dem Wind geschützt unter der Autobahn und ass in kleinen Restaurants leckeres chinesisches Essen, denn Chinesen können richtig gut kochen.


Provinz Sichuan (Bild: © Heike Pirngruber)

In der Provinz Gansu bog ich ab gen Süden in Richtung Tibetisches Hochplateau. Pure Monotonie. Endlos erscheint der Weg, jeden Tag die gleiche Landschaft, die gleiche Strasse, der gleiche Sturm. Ich kämpfte. Mit meinen Gedanken, mit meiner Motivation, mit der Langeweile und mit den schnurstracks gerade verlaufenden Strassen, die ich vor mir hatte. Doch ich hatte ein Ziel vor Augen, und das trieb mich voran.

Die Bürokratie der Chinesen war so ziemlich das Zeitraubendste was man so als Radler erleben kann. Sei es die Visaverlängerung, die teils nervig zu bewerkstelligen war, oder sei es die Einschränkungen der Reisefreiheit mit dem ein Ausländer im Reich der Mitte immer wieder konfrontiert wird. Man darf nicht überall übernachten, man darf in bestimmte Regionen nicht reisen, man wird hier und da kontrolliert und eigentlich vermitteln einem Chinesen ziemlich deutlich, dass man im Land nicht willkommen ist.


Serxu Kloster (Bild: © Heike Pirngruber)

Doch China hat einen Zauber an sich, der einfach anziehend ist. Han-Chinesen sind zwar für unsere Begriffe, also in den Augen eines Westlers, sehr unfreundliche, wenig hilfsbereite und scheue Menschen, dazu laut, egoistisch und in gewisser Hinsicht auch ziemlich rüpelhaft, aber das Land hat einen tollen Charme. Es hatte mich vom ersten Moment an gefesselt. Ja, ich war restlos begeistert von China.

Von den ewigen Geraden gen Süden, die sich immer weiter hoch hinauf aufs grösste Hochplateau der Erde zogen, bog ich irgendwann Richtung Osten ab. Doch zuvor überquerte ich noch den höchsten Pass meiner bisherigen Reise, den Kulun Pass auf 4750 m.


Der höchste Pass meiner bisherigen Reise, der Kulun Pass. (Bild: © Heike Pirngruber)

Die Luft wurde somit immer dünner, der Weg immer schlechter und meine Kraft immer weniger. Mich hatte die Höhenkrankheit erwischt und ich hing ordentlich in den Seilen. Der Weg war eine absolute Tortur. Es regnete und stürmte tagelang, zudem war es eiskalt. Die Strasse war der reinste Matsch, denn den Teer hatte ich lange hinter mir. Ich schleppte mich mühselig vorwärts. Kopfweh begleitete mich, Atemnot, Herzrasen und Schlaflosigkeit.

Die Gegend war das absolute Niemandsland, doch zu meiner Freude sehr wildreich. Immer wieder sah ich Hamster, Murmeltiere, Gazellen, Raubvögel, Füchse oder den Tibetischen Esel, der in dieser Ecke der Welt endemisch ist. Die Graslandschaft, die mich umgab, fand ich wenig ansprechend, doch die Tibeter, die in diesem Landstrich in ihren teils schlichten Häusern lebten, schafften es meine Motivation immer wieder aufrecht zu erhalten, denn die Wärme und Herzlichkeit, die sie ausstrahlten, beglückte mich sehr.


Die Strasse war der reinste Matsch. (Bild: © Heike Pirngruber)

Die Kommunikation in China war eine Katastrophe. Ich bin bereits viel gereist, aber noch in keinem Land hatte ich jemals solche Verständigungsprobleme. Normalerweise kann man sich weltweit zumindest über Handzeichen, Gestiken oder das Deuten auf Bilder oder Zeichnungen behelfen. Nicht so in China. Hier verstand mich niemand. Ich habe mich schlichtweg, mit ein paar wenigen Ausnahmen, 4 Monate mit keiner Menschenseele unterhalten können und nicht mal das, ich bin in der ganzen Zeit mehrmals täglich an den banalsten kommunikativen Aufgaben gescheitert.

Irgendwann hatte ich endlich den Matsch, den Regen und die Kälte hinter mir und fuhr durch eine wunderschöne Gegend. Die Provinz Sichuan ist einfach hinreissend. Die Architektur war einzigartig, die Tibeter weiterhin super freundlich und die Berge so beeindruckend, dass es ein leichtes war, jeden Tag mit Begeisterung aus dem Zelt zu krabbeln und mich auf den neuen Tag zu freuen.


Jeden Tag mit Begeisterung aus dem Zelt krabbeln und mich auf den neuen Tag freuen. (Bild: © Heike Pirngruber)

Shangri La, das Einfallstor zur Provinz Yunnan war erreicht. Von nun an hatte ich die Tibetischen Siedlungsgebiete hinter mir und war angekommen in einem Teil Chinas, das mich so empfing, wie ich mir China immer vorgestellt hatte. Die 5000 km, die ich zuvor geradelt war, hatten mir nie wirklich das Gefühl vermittelt im früheren Reich von Mao unterwegs zu sein, denn Tibeter und Uiguren haben völlig anders denkende Kulturen.

Yunnan, das sind verschnörkelte Hausdächer, bemalte Holzhäuser, und rote Lampions, die Nachts malerisch in den Gassen leuchten. Ich lief durch riesige Tempelanlagen, radelte entlang farbenfroher Reisfelder und traf auf alte Leute, die mit ihren Wasserbüffeln oder Schweinen die Strassen entlang spazieren gingen. Teeplantagen, neblige Berghänge, Dschungel und viele viele kurvige Wege bestimmten das Landschaftsbild.


Provinz Yunnan – Dorf Shaxi (Bild: © Heike Pirngruber)

Städte wie Lijiang, Dali und Kunming sind weltbekannt und auch faszinierend, wären da nicht die vielen Han-Chinesen, die einem das Gefühl vermitteln, jeden Tag auf einem Jahrmarkt unterwegs zu sein. Doch ich schaffte es immer wieder auf kleine, ruhige Strassen auszuweichen und den Zauber des Reichs der Mitte in mir aufzusaugen.


Provinz Sichuan (Bild: © Heike Pirngruber)

China besteht nicht nur aus brodelnden Millionenstädten, reichen Leuten und einer weltweit agierenden Wirschaftsmacht. Nein, China ist auch bitterarm, verfallen, verwahrlost, dreckig und einsam, sehr einsam.

Traurig, dass alles vorbei war und stolz, dass ich es geschafft hatte, überquerte ich nach 5900 Kilometern die kleine Grenze nach Laos.


Wunderschöne Berge und Wälder, aber auch karge Berghänge, Felder und Wiesen umgaben mich. (Bild: © Heike Pirngruber)

China ist bezaubernd auf seine Art, sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber mich hat es einfach total fasziniert.

 

Oberstes Bild: © Heike Pirngruber

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Mehr zu Heike Pirngruber

Heike Pirngruber (43) radelt seit Mai 2013 alleine von Deutschland in Richtung Australien. 27 Länder hat sie dabei auf ihrem Weg bereits durchstreift. Sie ist gelernte Fotografin und Kamerafrau und führt über ihre Radweltreise einen faszinierenden Blog auf www.pushbikegirl.com.

www.facebook.com/pushbikegirl

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