Der Aletsch Gletscher – eine schmelzende Pracht

Der Klimawandel macht sich auch in der Gletscherwelt der Schweizer Alpen nachhaltig bemerkbar.

Seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts haben die Gletscher etwa ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse verloren. Der Aletschgletscher, der grösste von allen, ist allein in den letzten 40 Jahren um mehr als 1.3 Kilometer abgeschmolzen.

Und das Tempo der Gletscherschmelze steigt: Gletscherforscher rechnen mit einem fast vollständigen Abschmelzen noch in diesem Jahrhundert. Doch was bleibt, wenn die Eisriesen verschwunden sind? Pauschal lässt sich das nicht beantworten, jeder Gletscher folgt eigenen Regeln.

Im Aletschgebiet wird eine arktische Seenlandschaft entstehen – mit Eistunneln, Gletschertoren und einem der grössten Alpenseen, meint der Schweizer Glaziologe David Volken. Ausserdem werden sich oberhalb der 2000-Meter-Marke Arven- und Lärchenwälder ansiedeln.

Vergängliche Schönheit

Wer von der Aletsch Arena aus den Zustieg zum gewaltigen Gletscher geschafft hat, wird das blau schimmernde Eis und die metertiefen Schluchten, Spalten und Risse mit ihren bizarren Formen und dem gurgelnden Schmelzwasser so schnell nicht wieder vergessen. Schwer vorzustellen, dass der mächtigste Gletscher des Alpenraums, obendrein Mittelpunkt des UNESCO-Welterbes Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch, einmal nicht mehr da sein könnte.

Zwangsläufig bewusst wird einem die Vergänglichkeit auf einer Gletscherwanderung mit einem erfahrenen Bergführer: Trotz seiner gigantischen Ausmasse – 23 km Länge und bis zu 900 m Dicke – machen dem Grossen Aletschgletscher warme Sommer und die steigende Schneefallgrenze zu schaffen. Das ewige Eis schmilzt. Vor der Kulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau wird das abfliessende Gletscherwasser die Landschaft in den nächsten Jahrzehnten grundlegend verändern.


Eishöhlen Aletschgletscher (Bild: © Aletsch Arena/Edelbert Kummer)

Entwicklung nach eigenen Gesetzen

Jeder Gletscher entwickelt sich nach eigenen Gesetzen, und so vermag niemand genau zu sagen, wie das Gebiet des Aletschgletschers einmal aussehen wird, wenn das Eis geschmolzen ist. Einig sind sich die Forscher darin, dass spätestens zum Ende des aktuellen Jahrhunderts auch im Aletschgebiet weitere Seen entstehen werden: Der grösste von 500 bis 600 Seen in den Schweizer Alpen, so heisst es, wird sich im Gebiet des Konkordiaplatzes ausbreiten.

„Das ist ein dynamischer Prozess“, sagt David Volken, Gletscher- und Hochwasserexperte beim Schweizerischen Bundesamt für Umwelt. „Es werden arktische Seenlandschaften entstehen, mit Eistunneln und Gletschertoren – schön und vergänglich.“ Dazu muss sich das Schmelzwasser des Gletschers in einer Talsenke sammeln, die Gletscherzunge mündet in den See, bildet ein Eisriff und kalbt, das heisst riesige Eisbrocken fallen mit lautem Getöse ins Wasser.

Doch Schönheit und Gefahr liegen dicht beieinander: Fallen Eis- und Geröllmassen in einen Bergflanken-See, steigt das Risiko von Überschwemmungen im Tal. „Deshalb sollte man diese Seen auch keinesfalls sich selbst überlassen“, warnt Experte David Volken. Diese mitunter zerstörerische Kraft kann man regulieren und sogar nutzen – etwa mit neuen Kraftwerken, Dämmen und klugen Bewässerungssystemen.


Gletscherzunge Aletschgletscher (Bild: © Aletsch Arena/Albrecht Laudo)

Was kommt nach dem Eis?

Wärmer wird’s und damit erst mal auch brauner. Das schmelzende Eis hinterlässt unwirtlich erschei-nende Moränenfelder aus Geröll und abgeschliffenen Steinen, die sich jedoch innerhalb weniger Jahrzehnte von frischem Grün und Farben erobern lassen. In den ersten Jahren spriessen die Moose und weitere sogenannte Pionierpflanzen wie der gelb blühende Bewimperte Steinbrech oder das blaue Alpen-Leinkraut, die dem scheinbar feindlichen Untergrund ihre Lebensgrundlage abringen.

Nach etwa 30 Jahren gesellen sich Sträucher und Bäume wie die glatte Lärche und die für die Aletschregion typische knorrige Arve, beides Kiefernarten, in über 2000 m Höhe hinzu. Nach 100 Jahren, ein Klacks auf dem Zeitstrahl der Erde, ist das ehemals Braune von einem jungen Lärchen-Birkenwald bedeckt und lockt gestresste Städter auf der Suche nach Entschleunigung ins „neue Grün“ der Aletsch Arena.


Villa Cassel (Bild: © Aletsch Arena)

Pro Natura Zentrum Aletsch: 40 Jahre Geschichte

Im Pro Natura Zentrum Aletsch kann man sich aktuell ein umfassendes Bild von der Entwicklung machen: Das erste Naturschutzzentrum der Schweiz zeigt anlässlich seines 40. Jubiläums in diesem Sommer eine Ausstellung unter anderem zum rasanten Eisverlust des grössten Alpengletschers innerhalb der vergangenen 40 Jahre. Auch herrliche geführte Wanderungen und Exkursionen lassen sich von hier auf den Grossen Aletschgletscher unternehmen. Doch das „ewige“ Eis wird nicht mehr allzu lange zu besichtigen sein.

 

Artikel von: Aletsch Arena AG
Artikelbild: Gletschertour Gruppe Matterhorn (© Aletsch Arena/Christian Perret)

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