Der Palast von Caserta – das italienische Versailles

Rund 40 Kilometer nördlich von Neapel erstreckt sich am Rande der Ebene Kampaniens die Stadt Caserta. Die italienische Provinzmetropole besitzt mit dem ehemaligen königlichen Palast „Belvedere“ den wohl eindrucksvollsten Schlossbau des Landes, der sich in seinen Dimensionen und seinem Anspruch ganz am französischen Vorbild Versailles orientiert.

Neben dem gewaltigen Palastkomplex ziehen wie in Versailles vor allem die ausgedehnten Park- und Gartenanlagen mit ihren zahlreichen Wasserspielen und Brunnen Besucher aus dem In- und Ausland in ihren Bann. Sie sind in Italien ohne Beispiel.

Residenz der Könige von Neapel und Sizilien

Es war Karl VII., König von Neapel und Sizilien, der 1750 den Plan für die Errichtung des Palastes und des Parks in der Landschaft Kampaniens fasste. Karl war Sohn und Thronerbe des spanischen Königs. Die in Spanien regierende Bourbonen-Dynastie herrschte seit 1738 auch über das Königreich Neapel und Sizilien. Der spanische Thronfolger war dabei der erste Regent, der sein Königreich nicht vom fernen Madrid aus regierte, sondern den italienischen Besitz zu seinem Hauptwohnsitz erhob.

Die Hauptstadt Neapel wurde dem König dabei bald zu eng und erschien nur wenig repräsentativ. Daher schaute man sich nach einem besseren Ort um, wo man praktisch auf der „grünen Wiese“ eine Residenz nach eigenen Vorstellungen errichten konnte. Im Umfeld des kleinen Bergstädtchens Casertavecchia nördlich von Neapel wurde der König fündig. Von dem hochverschuldeten Landadelsgeschlecht der Grafen Caetani di Sermoneta erwarb Karl einen umfangreichen Grundbesitz in der kampanischen Ebene nebst dem Bergort, wo er seine Pläne verwirklichen konnte.

Mit der Idee eines Schlosses auf dem Lande orientierte der König sich an zahlreichen anderen Herrschern seiner Zeit. Viele waren dem Beispiel des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. gefolgt und hatten sich prächtige Residenzen am Rande oder vor den Toren ihrer jeweiligen Hauptstadt geschaffen. Ja, man wetteiferte dabei geradezu darum, das französische Original in Versailles nicht nur nachzuahmen, sondern womöglich noch zu übertreffen. Mit den Schlössern auf dem Lande wollte man nicht nur der Begrenztheit und Beschränktheit der alten Herrscherresidenzen entfliehen. Man hoffte auch auf Abstand von der immer unruhigen Bevölkerung in den Hauptstädten und gedachte, mit der baulichen Prachtentfaltung auch die eigene Macht zu demonstrieren.

Dies gilt uneingeschränkt auch für die Intentionen Karls VII. Er plante dabei nicht nur ein Schloss, sondern wollte – dazu passend – eine geplante Stadt um seine Residenz herum errichten, den Kern des heutigen Caserta. Schnurgerade Strassen und regelmässige Platzgestaltungen legen heute noch Zeugnis von der planvollen Anlage ab. Auch damit vollzog er ein Konzept nach, das die französischen Könige in Versailles bereits umgesetzt hatten.


Der Palast von Caserta – Residenz der Könige von Neapel und Sizilien. (Bild: S.Leggio – shutterstock.com)

Ein Monumentalbau – nach Plänen von Vanvitelli

1751 begannen die Bauarbeiten zum Schloss und sollten fast 100 Jahre bis zur völligen Fertigstellung dauern. Die Pläne dafür hatte der italienische Barock-Architekt Luigi Vanvitelli entwickelt. Seine Familie stammte eigentlich aus den Niederlanden – „Vanvitelli“ ist eine Italienisierung von „van Wittel“ –, schon der Vater hatte aber als Maler in Rom gelebt. Vanvitelli begleitete die Bauarbeiten bis zu seinem Tod im Jahr 1773, danach übernahm sein Sohn Carlos diese Aufgabe.

Der Architekt hatte eine gewaltige Palastanlage konzipiert. Auf einer Grundfläche von mehr als 45’000 Quadratmetern entwarf er einen rechteckigen Grundriss mit vier Höfen und sich kreuzenden Innenachsen. Zur Stadtseite hin wurde dem Palast ein ovaler Platz vorgelagert, der von zwei weiteren Flügelbauten umgeben wird. Der ganze Bau und die Fassaden folgen strenger Symmetrie.


Grundriss des Palastes nach dem Originalplan von Luigi Vanvitelli (Bild: Wikimedia, public domain)

Zwar konnten aus Kostengründen nicht alle Pläne des Architekten realisiert werden, doch entspricht das tatsächliche Bauwerk weitgehend seinem ursprünglichen Konzept. Im Unterschied zu Versailles, wo man auf einen älteren Vorläuferbau zurückgriff, stellt der Palast von Caserta eine komplette Neuschöpfung dar, die dadurch deutlich geschlossener und auch kompakter wirkt. Mit einem Raumvolumen von über zwei Millionen Kubikmetern gilt Caserta als grösste königliche Residenz der Welt überhaupt und stellt sogar noch das Vorbild Versailles in den Schatten. Der gesamte Palastkomplex besitzt rund 1200 Räume.


Caserta gilt als die grösste königliche Residenz der Welt. (Bild: Matyas Rehak – shutterstock.com)

Im Unterschied zum französischen Pendant, wo das meiste Mobiliar durch die Revolution verloren ging, ist die wertvolle Innenausstattung in Caserta noch vielfach erhalten. Die Räume vermitteln daher durchaus einen authentischen Eindruck ihrer jeweiligen Einrichtungszeit. In der Innengestaltung merkt man besonders die Entstehungszeit in der Spätphase des Barock im Übergang zum Klassizismus. Der Schmuck der Räume zeigt sich oft erhabener, strenger gegliedert und nicht ganz so verspielt und üppig wie in der Hochzeit von Barock und Rokoko. Ein zentrales Element des Baus ist das monumentale Treppenhaus mit seiner gewaltigen Marmortreppe. Über die Treppen erreicht man die Paradezimmer und die Schlosskapelle. Diese erinnert in ihrer Gestaltung mit einer Säulenempore besonders stark an ihr Pendant in Schloss Versailles.


Thronsaal von Caserta (Bild: japiot, Wikimedia, CC)

Wasser – das zentrale Element des Parks

Auch der Park des Palastes von Caserta folgte ursprünglich barocken Gestaltungsprinzipien. Sie sind heute noch erkennbar in der mehr als drei Kilometer langen zentralen Sichtachse mit ihren zahlreichen Wasserbecken, Brunnen und dem reichen Skulpturenschmuck. Viele Brunnen sind antiken Göttern und Legenden gewidmet, besondere Highlights bilden der Ceres- sowie der Diana- und Aktäon-Brunnen mit ihren künstlichen Wasserfällen. Die Sichtachse endet in einem baumbestandenen Bergpark, dessen Blickfang eine fast natürlich wirkende Wasserkaskade ist.

Im nordöstlichen Teil des Parks wurde später ein englischer Landschaftsgarten mit den üblichen Accessoires wie zum Beispiel römischen Tempelruinen angelegt. Dort wurden zudem viele heute noch zu bewundernde exotische Pflanzen angesiedelt, die diesem Parkteil an manchen Stellen ein fast subtropisches Antlitz verleihen. Insgesamt macht das Parkgelände eine Fläche von über 100 Hektar aus und gehört damit ebenfalls zu den grössten in Italien.


Wasser ist das zentrale Element des Parks. (Bild: Antonio Gravante – shutterstock.com)

Das Wasser und die Wasserfälle dienen dabei nicht nur der Ästhetik. Die zahlreichen Kaskaden und künstlichen Fälle waren auch erforderlich, um Höhenunterschiede im Gelände auszugleichen, was den Gartenarchitekten sehr geschickt gelungen ist. Und das Wasser wurde und wird auch benötigt, um dem Park sein üppiges Grün zu erhalten. Bis heute ist die ausreichende Bewässerung des riesigen Parkgeländes eine der grossen gärtnerischen Herausforderungen in Caserta.

In der trockenen Hitze Süditaliens werden Unmengen an dem kühlen Nass benötigt, um die Pflanzen zu versorgen. Bereits in der Entstehungszeit reichte das vor Ort natürlich vorhandene Wasser dafür nicht aus. Vanvitelli liess daher das sogenannte „Karolinische Aquädukt“ erbauen, welches das Wasser aus fast 40 Kilometern Entfernung zu den Gartenanlagen transportiert. Die Wasserleitung ist zweifelsohne der eindrucksvollste Zweckbau des Palastes.


Die Wasserfälle dienen nicht nur der Ästhetik, sondern auch der Wasserversorgung. (Bild: Matyas Rehak – shutterstock.com)

Ein wenig genutzter Bau

Karl VII. erlebte weder die endgültige Fertigstellung des Palastes, noch hielt er sich überhaupt länger oder häufiger in seinem Prachtbau auf. Schon bald nach Baubeginn wurde er 1759 König von Spanien und residierte fortan in Madrid. Nach internationalen vertraglichen Bestimmungen musste er damit gleichzeitig die Krone von Neapel und Sizilien niederlegen. Sein Sohn setzte als König Ferdinand IV. von Neapel und Sizilien das Werk seines Vaters fort. Unter seiner Regentschaft wurde Caserta weitgehend vollendet. Er sorgte damit dafür, dass dieses italienische Schlosswunder noch heute zu den schönsten und eindrucksvollsten Sehenswürdigkeiten im südlichen Italien gehört und den Vergleich mit Versailles nicht zu scheuen braucht.



 

Oberstes Bild: © MarbenZu – shutterstock.com

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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