Die Maremma – eine besondere Toskana-Landschaft

Die Küstenlandschaft der Toskana unterscheidet sich deutlich von den übrigen Teilen der Region in der Mitte Italiens. Dominieren sonst typische Mittelgebirge, die manchmal sogar fast schon Hochgebirgscharakter aufweisen, ist das Küstengebiet eher flach, allenfalls hügelig. Hier liegen die Badeorte der Toskana.

Lange war die Maremma ein unwirtliches Sumpfgebiet, das als Malaria-Herd verschrien war. Mit der systematischen und umfassenden Entwässerung und Kultivierung ab dem 18. und 19. Jahrhundert hat sich dieser Schrecken verloren. Heute ist die Maremma eine Toskana-Landschaft von ganz eigenem Reiz. Hier kann man Ferien in der Toskana einmal anders verbringen.

Vom Sumpfgebiet zum Kulturland

Es gibt keine genaue geografische Abgrenzung, welche Gebiete eigentlich zur Maremma gehören. Mal ist der Begriff weiter, mal enger gefasst, und je nach Verständnis unterscheidet man mehrere „Maremmen“. Die Kernregion bildet aber die Toskana-Landschaft an der Küste zwischen dem Golf von Follonica mit der Insel Elba im Norden und der Lagune von Orbitello im Süden. Auf dieses Kerngebiet wollen wir uns hier konzentrieren.

Die Sümpfe der Maremma verdanken ihre Entstehung dem regelmässig aus den Bergen ins Meer abfliessenden Wasser. Im Winter konnten die Flüsse das reichliche Nass nicht mehr aufnehmen, es kam in dem flachen Gelände häufig zu anhaltenden Überschwemmungen und der Bildung von Seen, die das ganze Jahr über bestehen blieben. Weite Teile des Landes versumpften.


Maremma – eine Toskana-Landschaft von ganz eigenem Reiz. (Bild: StevanZZ – shutterstock.com)

Schon vor den Römern bemühten sich die Etrusker teilweise erfolgreich um eine Trockenlegung. Die Römer setzten dieses Werk fort, doch mit dem Zerfall des Imperiums in der Spätantike gewannen die Sümpfe wieder die Oberhand über die Toskana-Landschaft. Danach wurde das Land lange als wertlos angesehen und weitgehend sich selbst überlassen. Die mächtigen toskanischen Stadtrepubliken Siena und Pisa unterhielten im Mittelalter lediglich Seestützpunkte an der Küste, an den Sumpfgebieten bestand wenig Interesse.

Unter den Grossherzögen der Toskana begann die Drainierung; endgültig wurde das Werk der Trockenlegung aber erst in der Mussolini-Zeit in den 1930er-Jahren vollendet. Dadurch entstanden grosse landwirtschaftlich nutzbare Flächen. In der Maremma wird heute unter anderem ausgedehnter Weinanbau betrieben. Die von hier stammenden Weine können sich mittlerweile durchaus mit anderen bekannten toskanischen Weinen messen.


In der Maremma wird heute ausgedehnter Weinanbau betrieben. (Bild: Aerostato – shutterstock.com)

Grosseto – alte Festungsstadt in der Maremma

Das etwa zwölf Kilometer landeinwärts gelegene Grosseto ist das urbane Zentrum und so etwas wie die „Hauptstadt“ der Maremma. Als der Ort im Mittelalter Bischofssitz wurde, erlebte er einen deutlichen Aufschwung. Eine Bedeutung wie Siena, Pisa oder Florenz sollte Grosseto aber nie erlangen. Es kam immer wieder zu Konflikten zwischen dem örtlichen Adelsgeschlecht der Aldobrandeschi und den Bürgern, die sich eine Stadtrepublik nach dem Vorbild anderer toskanischer Zentren wünschten. Lachender Dritter in diesem Streit war Siena, das im 14. Jahrhundert die Kontrolle über Grosseto erlangen konnte. Später folgte Florenz. Dessen Medici-Herrscher umgaben die Stadt mit dicken Befestigungsmauern, zeigten sonst aber wenig Interesse an der Maremma. Die mächtigen Mauern der Festung mit ihren Bastionen bilden auch heute noch das Korsett der Altstadt. Ihre wuchtige Wirkung wird durch die vorgelagerten Grünanlagen etwas gemildert.

Das historische Zentrum kann nicht wie Siena oder Florenz mit grossartigen Palästen oder Kirchenbauten aufwarten. Der Dom San Lorenzo an der Piazza Dante wirkt in seinen Dimensionen gegenüber den Pendants in anderen Toskana-Metropolen geradezu bescheiden. Immerhin ist er ein schönes Beispiel der italienischen Gotik mit einer anmutigen Frontfassade aus abwechselnd rotem und beigefarbenem Kalkstein.

Der „Palazzo Aldobrandeschi“ in unmittelbarer Nachbarschaft gibt sich den Anschein eines burgartigen Adelspalastes aus dem Mittelalter, ist aber ein Werk der Neogotik aus dem 19. Jahrhundert. Die Piazza Dante ist das Herzstück der Altstadt und vermittelt mit ihrer Geschlossenheit und den schlichten Bürgerhäusern am Rand schon südliche Atmosphäre. Interessant ist ein Besuch im Museo Archeologico e d’Arte della Maremma. Es zeigt unter anderem Fundstücke aus der Zeit der Etrusker, den ersten Kultivierern dieser Toskana-Landschaft.


Der „Palazzo Aldobrandeschi“ in Grosseto (Bild: Gabriele Delhey, WIkimedia, GNU)

Eine Toskana-Landschaft mit vielen Facetten

Heute wird die Ebene rund um Grosseto intensiv landwirtschaftlich genutzt. Den Agrotourismus hat man dabei als zusätzlichen Wirtschaftszweig entdeckt. Sehr viele Bauernhöfe bieten Feriengästen Unterkünfte in praktisch jeder Kategorie an.

Östlich von Grosseto bilden die Ausläufer des Monte-Amiata-Massivs die Begrenzung der Ebene. Die hügelige Region ist ein beliebtes Wandergebiet, auf den Wegen durch die Pinienwälder und die typische Macchie der Toskana-Landschaft an der Küste kommen mediterrane Gefühle auf. Vielleicht begegnen Sie hier auch dem Maremmaner Rind, einer besonders urtümlichen, nur hier heimischen Rinderrasse mit ausgeprägten Hörnern, der vor allem die fast steppenartigen Grasweiden in Küstennähe als Nahrungsquelle dienen. Eine andere mögliche Form der Begegnung mit dem Maremmaner Rind ist das Bistecca auf dem Teller, eine zwar nicht typische, aber heute häufige Spezialität der Maremma.


Maremmaner Rind (Bild: Zyance, Wikimedia, GNU)

Ursprüngliche Toskana-Landschaft finden Sie noch im Parco Regionale della Maremma. In dem fast 100 Quadratkilometer umfassenden Gebiet südwestlich von Grosseto präsentiert sich die Region mit all ihren Facetten. Die Hügelkette der Monti dell’Uccellina bietet die charakteristische Macchia-Vegetation und alte Steineichenwälder, im Mündungsgebiet des Flusses Ombrone gibt es noch die früher so allgegenwärtigen Sumpfgebiete und Binnenseen. Bei Marina de Albarese lockt ein kilometerlanger Naturstrand mit Weiden und ausgedehnten Pinienwäldern im Umfeld. Der Naturpark bildet ein noch intaktes originäres Ökosystem und ist durch ein Netz von Wanderwegen sehr gut erschlossen.


Im Mündungsgebiet des Flusses Ombrone gibt es noch die früher so allgegenwärtigen Sumpfgebiete. (Bild: Malgorzata Kistryn – shutterstock.com)

Die an eine Burg erinnernde Abteiruine San Rabano, die alten Wachtürme zum Schutz vor Sarazenen-Überfällen und einige prähistorische Höhlen, in denen vorzeitliche Funde gemacht wurden, weisen auf eine lange Anwesenheit des Menschen in der Region und eine wechselvolle Geschichte hin. Von der exponiert liegenden Ruine von San Rabano haben Sie traumhafte Blicke auf das Tyrrhenische Meer.



Panoramablicke am Monte Argentario

Unterhalb des Parco Regionale gelangen Sie bei Monte Argentario an das südliche Ende der zur Toskana-Landschaft gehörenden Maremma – ein sehr reizvoller Punkt. Monte Argentario ist eine aus Felsengebirge bestehende Halbinsel, die über drei schmale Landbrücken mit dem Festland verbunden ist. Zwischen Felsen wachsen Pinien und typische mediterrane Gewächse, die Monte Argentario seine grüne Haube verleihen. Zwischen den Landverbindungen erstreckt sich eine weitflächige Lagune.

Ursprünglich war Monte Argentario eine Insel. Die Gezeiten und Meeresströmungen liessen hier jedoch Nehrungen entstehen, die allmählich zu Landverbindungen wurden. Auf der mittleren Landzunge mit dem Ort Orbitello wurde die Landbrücke von Menschenhand geschaffen. Diese einzigartige Lage macht Monte Argentario zu einem beliebten Ziel für Panorama-Hungrige. Es gibt mehrere Aussichtsstrassen, die zu schönen Blickpunkten der Halbinsel führen.

Die beiden alten Hafen- und Festungsstädte Porto Santo Stefano und Porto Ercole auf Monte Argentario wurden einmal spanisch regiert und besitzen – ebenso wie Orbitello – noch sehr schöne historische Zentren. Mächtige Festungsmauern, schmale Gassen mit bunten Häusern, ehrwürdige Palazzi und Kirchen hat jeder der drei Orte zu bieten. Der hier anzutreffende Fremdenverkehr ist eher gehobener Natur und konnte die negativen Begleiterscheinungen des Massentourismus bislang weitgehend vermeiden.


Monte Argentario mit der Isola Rossa (Bild: Markus Bernet – shutterstock.com)

Badeorte mit Winterschlaf

Die lang gezogene Küste der Maremma entlang des Tyrrhenischen Meeres bietet über viele Kilometer Sandstrände und war nach der Trockenlegung des Hinterlandes geradezu für die touristische Erschliessung prädestiniert. Wie an einer Perlenschnur reihen sich die Badeorte heute an der Meeresseite der Maremma auf. Viele davon sind Ableger alter Gemeinden im Hinterland, entstanden erst in den letzten Jahrzehnten – zum Beispiel Marina di Grosseto, das nur wenige Autominuten entfernt von der Hauptstadt der Maremma liegt.

Ursprünglich gab es an dieser Stelle nur einen der typischen Wachtürme und das kleine Fischerdorf San Rocco. Heute ist Marina di Grosseto ein pulsierendes Seebad mit Jachthafen, Hotels, Apartmenthäusern und Campingplätzen sowie einer ausgebauten touristischen Infrastruktur, die für Badegäste keine Wünsche übrig lässt. Der Badeort ist ein beliebtes Ziel nicht nur für die Bewohner Grossetos, sondern auch für Kurzzeitreisende aus Rom, Florenz oder Siena oder für ausländische Feriengäste, die sich in der Toskana-Landschaft erholen wollen. Der Trubel hält aber nur in der Badesaison zwischen Frühjahr und Spätsommer an. Danach versinkt der Ort in eine Art Winterschlaf und wirkt fast wie eine Geisterstadt, um pünktlich zur nächsten Saison wieder zu erwachen.

Vielen Bädern an der Küste der Maremma ergeht es nicht anders. Heute wird diese Form des „Marina“-Tourismus von nicht wenigen kritisch beurteilt, der sich entwickelnde Agrotourismus im Hinterland wird als Alternative und nachhaltigeres Angebot gesehen.



Malerisch: Castiglione della Pescaia und Massa Marittima

Viel Ursprünglichkeit hat sich dagegen noch das Fischerstädtchen Castiglione della Pescaia bewahrt, obwohl auch sein Umfeld touristisch erschlossen ist. Der Ortsteil Roccamare ist ein exklusives Ferien-Resort mit zahlreichen Villen inmitten von Pinienwald. Im Mittelalter war die Stadt ein Hafenstützpunkt Pisas. Die mächtige Festung der Pisaner beherrscht heute noch den Hügel oberhalb der Mündung des Flusses Bruna in das Tyrrhenische Meer. Ihre Mauern umschliessen die gesamte Oberstadt von Castiglione della Pescaia, in der sich auch die Johannes dem Täufer geweihte Kirche und der Palazzo Communale befinden. In diesem Bereich gibt es malerische Gassen und von Bögen überspannte Treppenaufgänge zur Festung – ein pittoreskes Bild. Von oben bietet sich ein wundervoller Blick auf den Ort, die Toskana-Landschaft und das Meer.

Vor den Toren des Städtchens liegt mit dem Naturschutzgebiet Diaccia Botrona noch eine der wenigen erhaltenen Sumpfflächen der Maremma, heute ein begehrter Lebensraum für zahlreiche Vogelarten. Viele Zugvögel überwintern hier.


Historisches Zentrum von Castiglione della Pescaia (Bild: elesi – shutterstock.com)

Ein schönes Ziel, etwa 40 Kilometer nördlich von Castiglione della Pescaia, ist die alte Bergarbeiterstadt Massa Marittima, die – anders, als der Name vermuten lässt – nicht an der Küste, sondern im Hinterland liegt. Im Mittelalter machten Vorkommen an Silber, Kupfer und Eisen den Ort reich. Massa Marittima war zeitweise eine selbstbewusste Stadtrepublik und gehörte zu den grössten städtischen Zentren der Toskana-Landschaft. Dann setzte die grassierende Malaria dem Aufschwung ein Ende und die Stadt verfiel.

Erst vor wenigen Jahren konnte Massa Marittima wieder die Einwohnerzahl des Jahres 1300 überschreiten. Dieser „Dornröschenschlaf“ hat der Stadt vermutlich ihr historisches Erscheinungsbild bewahrt. Die Kathedrale San Cerbone, etliche Palazzi und die Festung geben noch einen guten Eindruck von der mittelalterlichen Stadtanlage und wirken angesichts der heute noch bescheidenen Einwohnerzahl fast ein wenig überdimensioniert. Von Massa Marittima erreichen Sie auf geradem Weg den Badeort Follonica.


Die Kathedrale von Massa Marittima (Bild: LianeM – shutterstock.com)

Der Golf von Follonica und Elba

Der Golf von Follonica jenseits von Castiglione della Pescaia bildet den nördlichen Abschluss der toskanischen Maremma. Follonica ist ein touristischer Hotspot am Tyrrhenischen Meer, was dem Stadtbild nicht unbedingt gutgetan hat. Einfallslose moderne Architektur und viele Hochhausbauten kennzeichnen die Stadt-Silhouette. Immerhin hat Follonica mit der Kirche Chiesa di San Leopoldo ein bemerkenswertes Baudenkmal des Klassizismus zu bieten. Die Besonderheit der Kirche ist der elegante Vorbau aus reich verziertem Gusseisen und stellt ein frühes Beispiel der Verbindung von Mauerwerk und Eisen als Bauelementen dar.

Am Strand von Follonica zeichnen sich am Horizont bereits die Umrisse der Insel Elba ab. Um dorthin zu gelangen, müssen sie in das nahe Piombino fahren, das schon nicht mehr zur Toskana-Landschaft gehört. Ein Zwischenstopp lohnt sich, denn im Unterschied zu Follonica verfügt Piombino noch über viel historische Bausubstanz. Dom, Burg und Zitadelle der Stadt sowie mehrere Kirchen sind schöne Zeugnisse mittelalterlicher Baukunst.


Viele Hochhausbauten kennzeichnen die Stadt-Silhouette von Follonica. (Bild: Chiesa di San Leopoldo, Wikimedia, GNU)

Die Überfahrt nach Elba zum Hafen der Inselhauptstadt Portoferraio dauert kaum mehr als eine halbe Stunde. Vielen ist gar nicht bewusst, dass auch Elba zur Toskana-Landschaft gehört. Die Insel ist die grösste des sogenannten Toskanischen Archipels, einer Gruppe von insgesamt sieben Inseln sowie mehreren Mini-Eilanden und Felsen, die fast alle der Küste der Maremma vorgelagert sind. Die gebirgige Welt von Elba mit ihren zahlreichen Buchten ist ein beliebtes Ziel von Ausflüglern und Wanderern, die fantastische Blicke auf das Meer geniessen wollen und die malerische Farbkomposition aus weissgrauem Fels, intensivem Pflanzengrün sowie tiefem Meer- und Himmelsblau schätzen.

Historisch ist Elba vor allem als kurzzeitiger Exilort des französischen Kaisers Napoleon bekannt geworden. Der unfreiwillige Gast verbrachte nur wenige Monate in seinem Fürstentum Elba, ehe er erneut nach Frankreich aufbrach, um wenig später sein Waterloo zu erleben. Die Villa Mulini in Portoferraio, seine damalige Residenz, erinnert noch an den Aufenthalt des Kaisers.


Elba ist mit ihren zahlreichen Buchten ist ein beliebtes Ziel von Ausflüglern und Wanderern. (Bild: Luciano Mortula – shutterstock.com)

Die Maremma genoss lange keinen guten Ruf. Ein altes italienisches Volkslied erzählt von der „bitteren Maremma“, die dem Sänger die Liebste genommen hat, und Dante liess in seiner göttlichen Komödie die im Fegefeuer leidende Pia de Tolomei über die zerbrechende Kraft dieser Toskana-Landschaft klagen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die Maremma hat ihre durch Sümpfe und Malaria bewirkte Bedrohlichkeit verloren. Heute ist sie ein einladendes Ziel für alle, die die Toskana von einer ganz anderen Seite entdecken wollen.



 

Oberstes Bild: Porto Ercole auf Monte Argentario (© StevanZZ – shutterstock.com)

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem großen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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