Henna – Mehr als nur ein Souvenir

Ich versuche ganz flach zu atmen und möglichst bewegungslos zu sitzen. Meinen Arm halte ich ganz still, während die Linien ein Muster auf meiner Haut bilden. Die rotbraune Paste fühlt sich kühl an, eine Wohltat in der drückenden Hitze Delhis.

Um mich herum ist das gewohnt indische Chaos, während ich hier ganz still in meiner kleinen Welt bin. Ich sitze auf einem kleinen Plastikhocker direkt an einer Kreuzung am grossen Basar in Paharganj, Autos drängeln sich hupend an uns vorbei, Menschenmassen strömen unentwegt durch die Gassen und ich lasse mir ein Hennatattoo malen.

Die Luft ist stickig und staubig. Doch selten habe ich mich so wohl und geboren gefühlt in diesem riesigen und chaotischen Land. Für mich ist ein Hennatattoo viel mehr als ein Urlaubssouvenir.


Henna sind in vielen Kulturen Hochzeitsschmuck für die Braut (Bild: © AnnaTamila / shutterstock.com)

Ich gebe es zu: Ich bin vielleicht ein kleines bisschen hennasüchtig. Bei jeder Gelegenheit lasse ich mir die Haut verzieren, schaue auf den Märkten zunächst, ob Malerinnen zu sehen sind. Ich komme aus keinem Urlaub ohne hennabemalte Hände heim, wohlwissend, dass meine unbeholfenen Handelversuche den Preis nicht wirklich von der Stufe der Touristenabzocke holen konnte.

Ich lief schon barfuss über die Khaosan-Road, um meinen frisch bemalten Fuss zu schützen, ich liess mir eilig gekritzelte Blümchen von verärgerten Marokkanerinnen auf dem Djemaa el-Fna verpassen, weil ich den wirklich unverschämten Preis nicht zahlen wollte und selbst in Berlin sass ich geduldig auf mein Tattoo wartend am Maybachufer.

Ein temporäres Souvenir

Ich mag den filigranen Stil der Muster, fühlte mich immer ein bisschen hippiemässig damit. Zudem ist es einfach ein schöner Schmuck für einen tollen Sommer oder das Andenken an eine schöne Reise. Doch in Indien war die Hennamalerei mehr als das.
Mein erstes Mehndi in Indien liess ich mir in Hampi malen. Hampi gehört zum Weltkulturerbe.

Es ist sehr touristisch, aber als wir da waren, war es wie ausgestorben. Zu heiss, keine Semesterferien und zwei Wochen davor waren mal wieder die Bagger da, die im Namen der Regierung kleine Lädchen der Anwohner abrissen, was regelmässig passiert. Geschäftstüchtige Anwohner, die sich mit den Touristen ein bisschen Geld verdienen wollen, passen nicht zu den Auflagen einer UNESCO-Weltkulturstädte.

Ich lief also durch die kleinen Gässchen, fragte ein bisschen herum und erfuhr schliesslich in einem Restaurant, dass die Schwester des Kochs gut im Malen sei. Ich wartete also kurz und nach wenigen Minuten kam sie mit Paste und einem schüchternen Lächeln auf mich zu. Sie war vielleicht 16 und offensichtlich gerade in der Küche beschäftigt gewesen. Sie trug noch ihre Schürze und ich nahm den Geruch von Knoblauch wahr.

Sie nahm meine Hand, überlegte kurz, bevor sie mit dem Malen anfing. Ihre Hand zitterte, als sie das Tütchen mit der Pflanzenpaste langsam über meine Handfläche gleiten liess. Sie war nervös, hatte wahrscheinlich vorher noch keiner fremden Person ein Mehndi gemacht. Ich lächelte ihr aufmunternd zu und sie erwiderte es schüchtern.

Ein Moment der Nähe

Es war ganz still, wir redeten kein Wort, aus der Küche war das Klappern von Töpfen zu hören. Ich spürte den Atem auf meiner Hand, das Kitzeln ihrer Haare, wenn sie meinen Arm streiften. Ich merkte, dass sie nun ruhiger war, ganz konzentriert auf ihre Arbeit. Schweissperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, doch sie liess sich nicht davon ablenken. Ich weiss, das klingt alles nicht wahnsinnig aufregend, nicht erwähnenswert, aber in Indien war es für mich ein ganz besonderer Moment.


Das Bemalen dauert seine Zeit. Da ist Geduld gefragt. (Bild: © AMilkin / shutterstock.com)

Zuvor begegnete ich den Menschen stets in grossen Massen, im Gedränge auf den Strassen, im Zug oder vielleicht nur kurz beim Bestellen oder an der Rezeption. Es waren kurze Momente in der Masse. Wir redeten meist mit Männern oder besser gesagt, die Männer redeten miteinander, ich wurde oft höflich ignoriert. Mit Frauen kam ich meist nur beim Einkaufen ins Gespräch. „How much is it“, „Thank you“, „Have a nice day“, mehr nicht. Ich fühlte mich fehl am Ort, den Menschen fremd und spürte es in ihren Blicken, dass sie mich immer nur als „Weisse“ wahrnahmen. Als Exot und wandelnde Geldbörse.

Wie wir zwei hier nun so einträchtig sassen, still zwar aber für den Moment verbunden, fühlte ich mich in Indien zum ersten Mal jemandem nahe. Ich fühlte keine Distanz, war nicht unsicher, wie ich mich verhalten sollte, sondern einfach nur ruhig und gelassen. Wir waren zwei Mädchen, nicht mehr und nicht weniger. Nach einer halben Stunde war sie fertig mit dem Muster, sie lächelte schüchtern aber aufrichtig und wir verabschiedeten uns. Ich bedankte mich mit einer Verbeugung und gefalteten Händen vorm Gesicht.

Stille inmitten des Strassenverkehrs

In Delhi dann, auf dem Hocker mitten an der verkehrsreichen Kreuzung, sass ich wieder einem Menschen gegenüber. Ein junger Mann von vielleicht 18 Jahren versprach mir ein ganz besonderes Mehndi zu malen, detailreich und im typischen „Delhi-Stil“. Denn, ich muss gestehen, ich war mittlerweile anspruchsvoll, was die Qualität betrifft. Ein einfaches Blümchenmuster reichte mir nicht. Die detaillierten und schwierigen Muster wollte ich.

Mit flinken Fingern fing er selbstbewusst an die Linie zu ziehen. Er war geübt und erzählte mir nebenbei, dass er das Hennamalen von seiner Mutter gelernt habe. Er plauderte ein bisschen über sein Leben, stelle mir Fragen, wir lachten und er zauberte nach und nach ein echtes Meisterwerk auf meinem Arm. Er war so unbedarft und gesellig und ich freute mich darüber, wie einfach es mir fiel mich wohlfühlen. Trotz Verkehr.

Natürlich sollte ich erwähnen, dass mit Henna auch nicht zu spassen ist. Es gibt viele Menschen, die auf die Farbe allergisch reagieren. Die Folge sind böse Ausschläge. Es ist also immer ratsam, beim ersten Mal die Farbe auf einer kleinen Hautfläche zu testen.

Für mich sind Hennasauf jeden Fall mehr, als ein einfacher Schmuck. Sie sind Erinnerungen an besondere Reisen, besondere Momente und besondere Menschen. Und eine wahre Kunst dazu.

 

Artikelbild: © Capricorn Studio / shutterstock.com

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Mehr zu Julia Schattauer

Julia Schattauer ist freie Autorin und leidenschaftliche Bloggerin. Geschichten vom Reisen sind ihr Steckenpferd. Neben nützlichen Fakten geht es ihr in erster Linie ums Storytelling. Darum, den Leser in die Welt mitzunehmen und sein Fernweh zu wecken. Als studierte Kunsthistorikerin, Tourismus-, und Literaturwissenschaftlerin schreibt sie ausserdem über Themen aus Kunst und Kultur.

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