Mein Leipzig lob' ich mir! Es ist ein Klein-Paris, und bildet seine Leute! (Teil I)

Mit diesen Worten aus dem ersten Teil seiner bekannten Tragödie „Faust“ setzte Johann Wolfgang Goethe seiner Studentenzeit in Leipzig ein verbales Denkmal, das in nahezu jeder Stadtführung Erwähnung findet. Echte Leipzigerinnen und Leipziger rümpfen darüber natürlich die Nasen. Zum einen, weil sie den zweideutigen Grundtenor des berühmten Zitates kennen und wissen, dass der spätere Dichterfürst die Aussage ganz anders gemeint hat; zum anderen empört sie der hinkende Vergleich mit einer Weltmetropole gehörig. Schliesslich ist ihre Stadt interessant genug, um für sich selbst zu sprechen! Wie recht die solcherart entrüsteten Bürger und Bürgerinnen damit haben, beweist der kleine City-Streifzug, den ich im Namen von reiseziele.ch für Sie zusammengestellt habe.

Die Tour, auf die ich Sie mitnehmen möchte, startet zu Füssen eines Bauwerks, das bei den Einwohnern der Stadt durchaus gemischte Gefühle hervorruft – das Völkerschlachtdenkmal. Als Teil der weithin sichtbaren Silhouette Leipzigs wirkt es einerseits anheimelnd; im Gedenken an die zahlreichen Opfer der verheerenden militärischen Auseinandersetzung jedoch gleichermassen abschreckend. Wie eine Mahnung wider das Vergessen erstreckt sich unmittelbar daneben die grösste Erd- und Urnengräberanlage Europas – der Südfriedhof.

Dies ist ein Bericht in zwei Teilen:

Teil 1: Mein Leipzig lob‘ ich mir! Es ist ein Klein-Paris, und bildet seine Leute!

Teil 2: Mein Leipzig lob‘ ich mir! Es ist ein Klein-Paris, und bildet seine Leute!


Völkerschlachtdenkmal in Leipzig (Bild: Webster, Wikimedia, CC)


Von dort führt die Reise in ein anderes, nicht minder bedeutendes Kapitel der Leipziger Geschichte – ihre Zeit als Dreh- und Angelpunkt wirtschaftlicher Beziehungen: Auf dem Alten Messegelände zeugen zahlreiche ehemalige Ausstellungshallen und -pavillons von der Bedeutung, die die Stadt für den internationalen Handel einst innehatte. Heute konzentriert sich dieses Geschehen auf ein Areal ausserhalb der engeren Ortsgrenzen.

Eine solche überschreiten Sie auch beim Betreten des Stadtteils Connewitz – dem wohl buntesten und lebhaftesten Teil Leipzigs. Hier verkehrt neben einer vielfältigen Szene auch die Buslinie 89 – benannt nach dem geschichtsträchtigen Jahr der „Friedlichen Revolution“. Die Fahrt führt Sie vorbei an zahlreichen markanten Punkten der politisch weitreichenden Demonstrationen von 1989.

Zunächst ins so genannte Musikviertel, wo sich neben mondänen Wohn- und Geschäftshäusern auch der „Campus der Schönen Künste“ befindet. Die wiederhergestellte Pracht der einst baufälligen Bibliotheca Albertina wird Sie nicht erst durch den direkten Vergleich mit einer dort verewigten Aufnahme aus dem Jahr 1990 beeindrucken.

Das benachbarte Reichsgerichtsgebäude beherbergt das Bundesverwaltungsgericht. Von dort erblicken Sie das Neue Rathaus. Es wurde auf den Grundmauern einer ehemaligen Burganlage errichtet, die einen von insgesamt vier Eckpunkten der mittelalterlichen Stadtbefestigung bildete. Deren ehemalige Ausmasse zeichnet heute der Strassenverlauf des so genannten „Rings“ nach. Neben dem weltweit höchsten Turm seiner Art besticht das Neue Rathaus durch eine Reihe kleiner, aber feiner Details. So soll(te) die Gestaltung der Portal-Klinken wohl auf die Arbeitsgeschwindigkeit der Ratsherren aufmerksam machen. Das Innere des Hauses umfasst rund 600 Räume; darunter zwei imposante Wandelhallen und natürlich den obligatorischen Ratskeller, in dem Sie auch heute noch zünftig speisen können.


Neues Rathaus in Leipzig (Bild: Appaloosa, Wikimedia, CC)


Wer es lieber süss mag, macht Pause in einem der Cafés rund um die Thomaskirche und geniesst die berühmten „Leipziger Lerchen“. Dieses Mürbeteiggebäck mit Marzipanfüllung geht auf eine Erfindung hiesiger Zuckerbäcker zurück, die einen schmackhaften Ersatz für den verbotenen Verzehr von Singvögeln suchten – und fanden.

Leipziger Lerchen (Bild: Morn the Gorn, Wikimedia, CC)


Das vor Ihnen aufragende Neue Bachdenkmal zeigt den berühmten Thomaskantor Johann Sebastian Bach mit nach aussen gestülpter und erkennbar leerer Rocktasche: Der Organist litt Zeit seines Lebens nicht gerade an Reichtum, denn er hatte viele Kinder zu versorgen – alle ehelich, wohlgemerkt – und das in einer Zeit ohne Kinder- und Elterngeld.

Reichtum im Überfluss dagegen scheinen die goldüberzogenen Kupferreliefs am gegenüberliegenden Gebäude zu symbolisieren: Das prächtige Jugendstilhaus, in dem heute eine Bank ansässig ist, beherbergte ursprünglich ein weithin bekanntes jüdisches Kaufhaus.

Kaufhäuser finden Sie auch in der Passage der Marktgalerie – unmittelbar neben der Goethe-Schokoladenmanufaktur, durch deren Schaufenster Sie die Herstellung aberwitziger Pralinen-Kreationen beobachten können. Wenn Konfekt mit gesalzenen (!) Erdnüssen oder gezuckerten Rosenblütenblättern Sie nicht ganz überzeugt, sollten Sie sich an eine der drei Sorten hausgemachten Schokoladen-Eises halten.

Nur wenige Schritte entfernt – am Marktplatz – thront das Alte Rathaus, dessen Turm nach „Goldenem Schnitt“ NICHT in der Mitte positioniert ist. Auf einer umlaufenden Inschrift können Sie etwas über die Baugeschichte erfahren; im Inneren finden Sie unter anderem das Stadtgeschichtliche Museum. Bemerkenswert ist das zweigeteilte Fenster an einer der beiden Giebelseiten: Es wurde bei Restaurierungsarbeiten in den 1920-er Jahren freigelegt und stammt noch aus der Erbauungszeit im 14. Jahrhundert.


Altes Rathaus in Leipzig (Bild: Appaloosa, Wikimedia, CC)


Direkt gegenüber befindet sich das Wunschobjekt des gleichermassen verachteten wie verlachten Baulöwen Jürgen Schneider: die Mädlerpassage. Hier liegt der Zugang zu den unterirdischen Gewölben von „Auerbachs Keller“ – einer Gastwirtschaft, in der Sie sich neben regionaler Küche auch weitere Anekdoten aus Goethes Leben sowie die pompös inszenierte Rockoper „Faust“ auftischen lassen können.

Auerbachs Keller in der Mädlerpassage (Bild: Appaloosa, Wikimedia, CC)


Bevor Sie das Geflecht aus Passagen und Durchgangshöfen über einen der vielen möglichen Ausgänge an der Rückseite wieder verlassen und sich dem zweiten Teil unserer City-Tour widmen, beachten Sie bitte den blank gescheuerten Fuss des übermannshohen Standbildes am Eingang des eben erwähnten Kellerlokals: Es heisst, wer ihn berührt, hat entweder Glück oder kehrt irgendwann nach Leipzig zurück – was ja annähernd das Gleiche bedeutet…

 

Oberstes Bild: Burgplatz in Leipzig (Bild: MOdmate, WIkimedia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“][vc_gmaps type=“m“ zoom=“14″ link=“https://maps.google.ch/maps?q=Leipzig,+Deutschland&hl=de&sll=46.362093,9.036255&sspn=4.253107,10.821533&oq=leip&hnear=Leipzig,+Sachsen,+Deutschland&t=m&z=11″ size=“350″]

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Mehr zu Christiane Dietering

Christiane Dietering hat eine handwerkliche, zwei kaufmännische und eine Autoren-Ausbildung absolviert. Sie arbeitet als freie Texterin, Rezensentin und Journalistin in den Themenbereichen Kunst und Kultur. Ihre Hauptauftraggeber sind Veranstalter von Musikaufführungen, Lesebühnen und Erotik-Events.

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