Ötztal: Extremkajakweltmeister 2016 stehen fest

Die Sieger stehen fest. Auf der legendären Wellerbrückenstrecke im österreichischen Ötztal holten sich nach einem intensiven Rennwochenende ihren ersten adidas Sickline Extremkajak-Weltmeistertitel: Aniol Serrasolses (25) aus Bescano in Spanien und Sandra Hyslop (26) aus Loughborough in Grossbritannien.

Sam Sutton (NZL) und Nouria Newman (FRA) holten Silber. Die Bronzemedaille ging an Dane Jackson (USA) und Martina Wegmann (NED).

Das malerische Ötztal im Herzen der österreichischen Alpen hiess an diesem Wochenende die besten Kajaker der Welt zur 9. Auflage der adidas Sickline Extreme Kayak World Championship willkommen. Das längste Seitental Tirols, das Ötztal, oder genauer gesagt, der Ort Oetz ist die Heimat der legendären Wellerbrücken-Stromschnellen, auf denen 175 Athleten aus 29 Nationen, 149 Männer und 26 Frauen, um den Sickline Titel kämpften.

Die adidas Sickline Extremkajakweltmeisterschaft ist einzigartig, denn sie bringt Athleten aus den verschiedensten Kajakdisziplinen (Freestyle, Expedition, Extremkajak, Slalom, etc.) zusammen, um auf einer Weltklasse-Wildwasserstrecke gegeneinander anzutreten. Der Kajak-Freestyle Weltmeister von 2009, Nick Troutman (CAN) beschreibt die adidas Sickline als „eine unglaubliche Veranstaltung – du bist in dieser wunderbaren kleinen Bergstadt zwischen diesen beiden riesigen Bergen eingekeilt und hast diesen prestigeträchtigen europäischen Fluss.

Die Teilnehmer kommen aus allen Ecken der Welt angereist, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Es ist wirklich ein tolles Rennen und noch dazu ein sehr professionelles. Die ganze Veranstaltung ist hervorragend organisiert. Die Besten Kajaker der Welt liefern sich ein spannendes Kopf-an-Kopf Rennen, geben ihr Bestes und wollen sehen, wer der Schnellste ist.“

Im Laufe von 2 actionreichen Tagen wurde das Teilnehmerfeld in Qualifikations- und KO-Runden von insgesamt 175 Athleten auf 16 Herren und 5 Damen reduziert. Das Finale selbst wird nach Zeit ausgewertet. Die Teilnehmer kämpfen auf einem 280 Meter langem Kurs mit dem Wildwasser Schwierigkeitsgrad 5 (sehr schwer) und 6 (nur unter idealen Bedingungen fahrbar) gegen die Uhr. Einzigartig dabei ist, dass der vorläufig Führende in einen heissen Whirlpool steigt und von dort aus mitverfolgen kann, ob jemand seine Zeit schlägt. Wenn nicht, dann bleibt derjenige im „Hot Seat“ Whirlpool sitzen und geniesst weiterhin die Wärme.

Besonders niedriger Wasserstand

Das Wasserstand der Ötztaler Ache war dieses Jahr niedriger als normal, was bedeutet, dass Präzision entscheidet; jede Abweichung von der perfekten Linie wird mit Felskontakt und Zeitverlust bestraft. Die Kajaker wussten, dass einfaches hartes Paddeln und unsauberes Fahren keine Option war – der Kurs würde dieses Jahr den besten Paddler belohnen, nicht den stärksten. Die Bedingungen waren ebenfalls widrig, mit niedrigen Lufttemperaturen während des gesamten Events und einer Wassertemperatur von 5°C.

Kombiniert man das mit dem wahrscheinlich besten Teilnehmerfeld aller Zeiten, sowohl bei den Herren, als auch bei den Damen versprach das adidas Sickline Finale 2016 einer der härtesten Wettbewerbe in der Kajakgeschichte zu werden, noch bevor ein Boot überhaupt das Wasser berührt hatte.

Die Vielfalt der Teilnehmer ist ebenfalls beeindruckend; die Alterspanne liegt zwischen 18 und 43 und die Berufe (nur wenige Kajaker können von ihrem Sport leben) reichen vom Schaf-Scherer und Lehrer bis hin zum Ingenieur!

Überraschung bei den Frauen

Das Finale der Frauen war das erste am heutigen Tag, mit zwei britischen Athletinnen – Sandra Hyslop und Jennifer Chrimes – die gegen Martina Wegman (NED), Pavlina Zasterova (CZE) und die adidas Sickline Queen von 2013/14 Nouria Newman (FRA) antraten. Nouria setzte im Halbfinale mit einer mörderisch schnellen Zeit von 1.06.12 eine beeindruckende Marke, daher sahen die meisten Zuschauer sie als Favoritin im Finale.

Martina Wegman war jedoch die erste, die an den Start ging und legte eine Zeit von 1.10.13 vor. Ihr Lauf war nicht perfekt, weshalb für die anderen vier definitiv eine Chance bestand. Aber die harten Bedingungen und der Druck der Veranstaltung liessen alles offen. Jennifer Chrimes war als nächste an der Reihe, kam jedoch nach einem Fehler beim Champions Killer Minus One nicht unter eine Zeit von 1.12.95. Jennifer hatte nicht einmal erwartet, überhaupt in das Finale zu kommen, weil sie mit ihren Qualifikationsläufen vom Freitag nicht zufrieden war, deshalb freute sie sich, überhaupt in der Endrunde zu stehen.

Als nächstes startete Pavlina Zasterova, die ebenfalls ein paar kleine Fehler machte und sich mit einer Zeit von 1.12.52 ins Ziel rettete, was bedeutete, dass Martina schon jetzt eine Medaille sicher hatte, auch wenn noch zwei Damen oben standen. Zunächst war Sandra Hyslop an der Reihe, die wusste, dass sie ihre Leistung im Semifinale mit 1.09.06 definitiv verbessern musste, um hier im Ötztal zu gewinnen. Sie tat dies ordnungsgemäss und übernahm die Führung mit einer beeindruckenden Zeit von 1.08.82. Nun wartete nur noch Nouria Newman.

Sie schoss von der Startrampe und machte einen sehr schnellen Eindruck, doch ein paar kleine Fehler bremsten sie aus. Als sie den Champions Killer passiert hatte und mit aller Kraft in Richtung Ziel powerte, war klar, dass es eng werden würde. Sie warf alles in die letzten Paddelschläge und durchbrach die Lichtschranke, nur um zu sehen, dass sie den Titel um weniger als eine halbe Sekunde, genauer gesagt 0.46 Sekunden, verpasst hatte.

Nach ein paar Sekunden, in denen sie zurückgelehnt im Boot sass und die Hände über dem Kopf zusammenschlug, paddelte sie an Land und steuerte direkt auf den Whirlpool zu, um Sandra zu ihrem Sieg zu gratulieren. Das Finale der Frauen endete mit einem schönen Bild, als alle 5 Finalistinnen zusammen im Whirlpool sassen um das Ambiente zu geniessen und auf den Moment anzustossen.

Martina Wegman verriet später, „An der Startlinie haben wir gescherzt, dass wir alle im warmen Pool bleiben werden und ihn nicht verlassen. Wenn irgendwer schneller ist als die andere, bleiben wir trotzdem sitzen und holen alle Mädels mit hinein; wir sind eine sehr enge Gemeinschaft von Frauen und es ist so cool zu sehen, wenn die anderen Mädels gute Linien fahren und schnelle Zeiten haben. Ich freue mich für sie und ich freue mich auf dem Podium zu stehen.“

Nachdem Nouria Newman das Rennen reflektiert hatte, fasste sie das Wesentliche der adidas Sickline WM noch einmal schön zusammen, „Ich will immer noch gewinnen, aber ich weiss auch, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt und wenn das, was du tust nicht geniesst, dann hast du schon verloren. Aber wenn du geniesst, was du Tag für Tag tust und versuchst dein Bestes zu geben, dann kannst du nur gewinnen. Wenn ich von netten Menschen, wie hier bei der Sickline umgeben bin… geht es natürlich um das schwere Rennen und darum ein Profi zu sein in dem was man tut, aber es geht auch darum die tollen Berge hier auszunutzen und eine gute Zeit mit deinen Freunden zu verbringen.“

Unmittelbar nach dem Finale, konnte Sandra Hyslop kaum glauben, was sie gerade geleistet hatte und sie war bemerkenswert gefasst und analytisch für jemanden, der soeben zur adidas Sickline Extremkajakweltmeisterin gekrönt worden war. „Ich war letztes Jahr hier und erlebte im Finale einen Albtraum. Dieses Jahr ist der Titel wie eine Erlösung für mich und bedeutet mir alles. Ich bin froh ein so gutes Rennen gefahren zu haben und mir selbst zu zeigen, dass ich unter Druck eine solch gute Linie fahren kann, was im letztes Jahr definitiv falsch lief.“ Im Laufe des Abends während der legendären World Champions Party in Jay’s Cantina, dürfte sie sich ihrer Leistung bewusstwerden.



Hochkarätiges Finale der Männer

Noch bevor das Finale der Männer begann, gab es einige Überraschungen in den Vorläufen. Mit dem zweifachen Extremkajakweltmeister, Joe Morley (GBR), dem Sickline Bronzemedaillengewinner 2014, Jamie Sutton (NZL), dem Green Race Sieger 2014, Isaac Levinson (USA), und dem Freestyle Weltmeister von 2009, Nick Troutman (CAN), schafften es vier der Top-Favoriten nicht, ins Finale einzuziehen.

Die meisten grossen Namen der Kajakszene überstanden jedoch die Vorrunden. Der dreimalige Extremkajakweltmeister Sam Sutton (NZL), der Titelverteidiger Gerd Serrasolses (ESP) und sein Bruder Aniol, der Olympiasieger 2008, Alexander Grimm (GER), der Sickline Silbermedaillengewinner von 2010, Michele Ramazza (ITA), der Freestyle Vize-Weltmeister von 2015, Mathieu Dumoulin (FRA), und der Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele 2012, Hannes Aigner (GER), konnten in die Runde der Besten 16 einziehen.

Michele Ramazza übernahm früh die Führung mit einer Zeit von 1.02.84, über eine Sekunde schneller als in der vorherigen Runde, aber immer noch einige Sekunden langsamer als manche erfassten Zeiten an diesem Wochenende. Und Michele konnte seine Führung behaupten, nachdem Stefan Hengst und Mathieu Dumoulin ihre Läufe beendet hatten, wurde dann aber von Aniol Serrasolses (ESP) aus dem Hot Seat verdrängt, der die Strecke mit einer Zeit von 1.01.70 herunterflog – seine bisher schnellste Zeit.

Aniol nahm im Hot Tub Platz und alles, was er tun konnte, war, zuzuschauen, wie ein Weltklasse-Kajaker nach dem anderen darum kämpfte, seine Zeit zu schlagen. Michal Buchtal (CZE) und Matias Leonardo Lopez (ARG) – der erste Südamerikaner überhaupt in einem adidas Sickline Finale – kamen und gingen, genauso wie Phil Mitchell (GBR) und Eric Deguil (FRA), was bedeutete, dass Aniol, als der dreimalige Freestyle World Champion Dane Jackson (USA) die Startrampe betrat, immer noch im Hot Seat sass.

Dane, der die Wellerbrücken-Stromschnellen schon 50 Mal an einem Tag gefahren ist, aber noch nie den Titel gewinnen konnte, ist ein leidenschaftlicher Fan der adidas Sickline WM. Tatsächlich konnte er sich dieses Jahr nur für das Finale qualifizieren, weil er einen der zwei „Lucky Loser“-Plätze aus dem Halbfinale bekam, in dem er seinen Head-to-Head-Kampf gegen Hannes Aigner verlor. Erstmal im Finale angekommen, nutzte er die Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen. Er flog nur so durch die oberen Stromschnellen und schaffte einen fast fehlerlosen Lauf, verpasste die Führung jedoch um 0.45 Sekunden. Doch eine Medaille hatte er sicher.

Als er aus dem Wasser kam, sagte er: „Ich liebe es, zur Sickline zu kommen und ich wollte hier schon immer auf dem Podium stehen – es ist ein grossartiges Rennen und ich bin einfach so überglücklich, es endlich geschafft zu haben und ich kann das nächste Jahr kaum erwarten. Es ist verrückt, dass ich eigentlich nach der zweiten Runde ausgeschieden war, als Hannes Aigner mich im Head-to-Head geschlagen hat. Dann kam ich als einer der Lucky Loser in das Finale. Das war ziemlich unglaublich, weil es das zweite Jahr in Folge ist, dass das passiert. Dass ich ins Finale gekommen bind und einen dritten Platz herausholen konnte, macht mich sehr glücklich“.

Alexander Grimm, Zeno Ivaldi (ITA), Antoine Launay (POR) und Hannes Aigner hatten alle ihre Chance, ihn zu verdrängen, aber konnten es nicht. Somit gab es nur noch zwei Athleten, die Aniol den Titel streitig machen konnten: sein Brunder, der amtieren Extremkajakweltmeister Gerd Serrasolses und der dreifache adidas Sickline Champion Sam Sutton.



So knapp war es noch nie

Gerd Serrasolses legte eine Zeit von 1.02.36 vor – gut, aber nicht gut genug. Sollte es Sam Sutton, der so oft auf dieser Strecke dominierte, womöglich einen vierten Titel gewinnen? Sein Lauf war fast fehlerlos und als er um die perfekte Linie kämpfte, schrie das Publikum seine Unterstützung förmlich hinaus, aber es reichte nicht – Sam verpasste den Titel um 0.01 Sekunden.

Eine Millimeterentscheidung. Es war das knappste adidas Sickline Finale in der Geschichte des Rennens und das dramatischste; nur eine Hundertstel Sekunde weniger und der Sieger hätte einen anderen Namen. Aniol wurde im Hot Tub von seinen Kameraden überrannt und konnte kaum glauben, was ihm da gelungen war.

„Ich hatte keine Erwartungen, als ich hierherkam, ich wollte nur durch die Qualifikation kommen. Das schaffte ich und dann wollte ich nur ins Finale kommen. Hier stehe ich nun und habe es gewonnen, es ist so unglaublich. Mir ragt immer noch einen Knochen aus meiner Schulter von einer Verletzung diesen Winter, ich weiss nicht, was ich hier tue, eigentlich sollte ich operiert werden. Es lief einfach richtig gut für mich. Ich geniesse den Moment und es ist einfach grossartig, hier zu sein.

Das Ergebnis im Finale war so unfassbar knapp. Ich weiss nicht, was ich sagen soll, keine Ahnung, ob es Schicksal ist oder ich nur ein Glückskind bin. Ich hatte schon immer sehr viel Glück in meinem Leben und dies war ein weiterer glücklicher Moment, da Sam das ganze Wochenende über so gut war und er eigentlich hätte gewinnen sollen. Aber ich hatte heute mehr Glück und dafür kann ich nur dankbar sein“.

Sam Sutton steckte seine Niederlage wie ein Sportsmann weg: „Ich freue mich so für Aniol, er ist einer der coolsten und vielleicht einer der verrücktesten Kajaker da draussen. Ich bedaure, dass Gerd vom Podium gekickt wurde, er hatte ein hartes Jahr, aber es ist super cool, dass beide Serrasolses-Brüder diesen Titel geholt haben. Das haben mein Bruder Jamie und ich noch nicht geschafft“.

Somit sind Aniol Serrasolses und Sandra Hyslop die adidas Sickline Extreme Kayak World Champions 2016, Sam Sutton (NZL) und Nouria Newman (FRA) können sich über Silber freuen, Dane Jackson (USA) und Martina Wegmann (NED) über Bronze.

Die frisch gekürte Extremkajakweltmeisterin Sandra Hyslop fast die adidas Sickline WM 2016 wie folgt zusammen: „Man paddelt mit all seinen Freunden in tollem Wildwasser an einem wunderschönen Ort“.

 

Artikel von: Ötztal Tourismus
Artikelbilder: Jens Klatt, Damiano Benedetto, Bert Willer

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