Val di Sole und Val di Non – unbekannter Nordwesten des Trentino

Das Trentino steht als Ferienregion etwas im Schatten des bekannteren Südtirol. Dabei braucht die Alpenwelt der Brenta und anderer Trentiner Bergketten keinen Vergleich mit den Gipfeln der Nachbarregion zu scheuen.

Das Val di Sole und das Val die Non sind zwei reizvolle Täler im Nordwesten des Trentino, die als schöne Ferienziele infrage kommen.

Obwohl die beiden Täler in unmittelbarer Nachbarschaft der Schweiz liegen und die direkten Luftlinien-Entfernungen überschaubar sind, ist es gar nicht so einfach, hierher zu gelangen, da grosse Gebirgsmassive immer wieder den Weg versperren. Die direkteste Verbindung von der Schweiz aus führt von Sankt Moritz oder von Lugano aus über den italienischen Tonalepass, ansonsten müssen grosse Umwege in Kauf genommen werden.

Wo sich italienische und deutsche Einflüsse mischen

Jahrhundertelang bildeten das Val di Sole und das Val di Non wie das übrige Trentino einen Teil des österreichischen Landes Tirol. Erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde das Land zusammen mit Südtirol Italien angegliedert. Im Unterschied zum ganz überwiegend deutschsprachigen Südtirol war das Trentino dabei seit jeher italienisch geprägt. Die Region bildete das sogenannte Welschtirol mit Trient als kulturellem, wirtschaftlichem und auch politischem Zentrum. Die beiden Täler sind ebenfalls traditionell dem italienischen Sprachkreis zuzuordnen. Lediglich im nördlichsten Zipfel des Val di Non gibt es noch einige deutschsprachige Gemeinden, die unter der zusammenfassenden Bezeichnung Deutschnonsberg heute zu Südtirol gehören.

Trotz der relativ klaren Sprachgrenzen haben sich in der Region im Lauf der Zeit die beiden unterschiedlichen Kultur- und Sprachräume gegenseitig befruchtet und teilweise auch durchmischt. Das macht sich zum Beispiel in der lokalen Küche bemerkbar, in der sich italienische und österreichische Kochkünste – zum Beispiel Pasta und Knödel – miteinander verbinden, oder im Baustil der Häuser, die mal mehr der einen oder der anderen Bautradition folgen, manchmal auch beiden. Für die meisten Ortsbezeichnungen gibt es italienische und deutsche Begriffe, wobei die deutschen Namen im italienischsprachigen Gebiet fast nur noch historische Bedeutung besitzen und allmählich in Vergessenheit geraten. So ist die deutsche Bezeichnung Sultztal für Val di Sole nur noch wenig gebräuchlich, während Nonstal für Val di None durchaus häufiger verwendet wird. Hier macht sich die unmittelbare Nachbarschaft und teilweise Zugehörigkeit zu Südtirol bemerkbar.


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Val di Non – das Tal der Anauni

Das Val di Non wird von Südtirol durch den Mendelkamm getrennt. Auf der anderen Seite erstreckt sich das sogenannte Überetsch mit den bekannten Weinorten Eppan, Tramin und Kaltern. Von Bozen herkommend überquert die Mendelpassstrasse den Bergkamm. Die Route zweigt kurz hinter Eppan von der Südtiroler Weinstrasse ab und führt dann in zahlreichen Serpentinen über die Passhöhe. Das Val di Non verläuft dabei praktisch parallel zum weit nach Süden vorgeschobenen Etschtal. Es bildet zusammen mit dem Val di Sole, das sich weiter westlich fortsetzt, ein zusammenhängendes Talsystem.

Der Name Nonstal stammt vom keltischen Stamm der Anauni ab, die hier in der Antike lebten. Für die Römer besass das Tal strategische Bedeutung als Verbindung zum Brenner, der den Weg in die Gefilde nördlich der Alpen eröffnete. Ob es sich bei dem heute noch in den Dörfern gesprochenen lokalen Dialekt um eine Abart des Italienischen oder eine besondere Form des aus dem Latein stammenden Ladinischen handelt, darüber streiten Sprachwissenschaftler seit Langem. Jedenfalls sind die Siedlungen des Nonstales uralt.


Das Val di Non (Bild: © Claudio Giovanni Colombo – shutterstock.com)

Das Val di Non präsentiert sich dem Besucher dabei eher als eine weite Mulde denn als ein Gebirgstal. Teilweise ist es als Tal kaum erkennbar. Die Berghöhen halten sich dezent im Hintergrund und lassen viel Raum für eine sanftwellige Landschaft, die gelegentlich mehr mit einer Hochebene gemein hat. Ausgedehnte Apfelplantagen und Weinfelder, die immer wieder von Baumgruppen unterbrochen sind, prägen das idyllische Bild.

Zentrum des Tales ist die Gemeinde Cles, die sich mit ihren Fraktionen malerisch am Stausee Santa Guistina ausbreitet. Obwohl der See ein Werk von Menschenhand ist, wirkt er wie geschaffen für diese Landschaft und setzt dem Tal sozusagen das i-Tüpfelchen auf. Wahrzeichen des Ortes wie des ganzen Nonstales ist Schloss Cles, ein trutziger Bau auf einem markanten Felsvorsprung, dessen Mauern und Türme sich im Wasser des Sees spiegeln. Als früherer Sitz der Herren von Cles ist das Schloss nicht nur historisch, sondern auch geografisch der Mittelpunkt des Nonstales. Grösster Sohn des Ortes ist Bernhard von Cles, einer der bedeutendsten Fürstbischöfe von Trient und ein Mitinitiator des Tridentinischen Konzils.


Das Wahrzeichen des ganzen Nonstales ist Schloss Cles. (Bild: © gualtiero boffi – shutterstock.com)

Das Val di Non ist überhaupt ein Land der Burgen. Als eine der schönsten mittelalterlichen Burganlagen des Trentino gilt Burg Thun. Das Kastell der Grafen von Thun beim Örtchen Ton befindet sich sehr malerisch auf einer Anhöhe, von der das Gelände gut zu überschauen ist. Burg Valer mit ihrem hohen achteckigen Turm und Burg Bragher sind weitere schöne Beispiele. Ein anderes bedeutendes Baudenkmal des Tales stellt die Wallfahrtskirche Sankt Romedius dar, die sich spektakulär auf einem Felsen erhebt. Genau genommen handelt es sich um fünf Kirchen und Kapellen, die zu unterschiedlichen Zeiten errichtet und zu einem eigenwilligen Baukomplex zusammengefügt wurden. Sankt Romedius war ein bekannter Eremit der Spätantike, dessen Leben eng mit dem Trentino verbunden ist und der bis heute als Schutzheiliger des Tales und der Region verehrt wird.

Ein Tal von Bergketten umrahmt

Fährt man von Cles aus in westlicher Richtung, erreicht man nach kurzer Zeit das Val di Sole. Hier ändert sich der Charakter der Landschaft deutlich. Ist das Nonstal durch Weite und Offenheit geprägt, entspricht das Val di Sole eher den Vorstellungen von einem engen Gebirgstal. Zu beiden Seiten wird es von hohen Bergmassiven eingerahmt. Während im Val di Non Apfelfelder und Weinreben das Bild bestimmen, sind es hier mehr Wiesen, Weiden und Wälder. Viehhaltung und Forstwirtschaft dienten den Bewohnern lange als Haupterwerbsquelle, ehe der Tourismus Einzug hielt. Früher galt die Gegend als arm, viele Männer mussten sich als Saisonarbeiter und fliegende Händler ausserhalb des Tales ihren Lebensunterhalt verdienen. Nicht unbedeutend war auch der Schmuggel als Erwerbszweig.


Fährt man von Cles aus in westlicher Richtung, erreicht man nach kurzer Zeit das Val di Sole. (Bild: © Antonio S – shutterstock.com)

Das Val di Sole verdankt seine Entstehung eiszeitlichen Gletschern, die vor etlichen Tausend Jahren die ganze Gegend bedeckten und die Landschaft formten. Inzwischen haben sie sich weit in die Bergwelt zurückgezogen. Mit dem Rabbi-Tal und dem Peio-Tal verfügt das Val di Sole noch über zwei malerische Seitentäler, in denen Gebirgsbäche aus der nahen Ortlergruppe dem tiefergelegenen Flüsschen Noce zuströmen. Anders als der Name Sole vermuten lässt, hat der Name des Tales nichts mit der Sonne zu tun. Über die tatsächliche Bedeutung wird spekuliert. Eine Erklärung ist die Ableitung vom keltischen Wassergott Sulis, was auf die im Tal vorkommenden Mineralquellen zurückgeführt wird.

Hauptort des Val di Sole ist Malé. Wer sich mehr mit der Historie und der Kultur der Region befassen will, kann dies im Heimatmuseum des Dorfes tun, das vor allem der ländlichen Lebensform und der rustikalen Wohnwelt der Bewohner gewidmet ist. Ähnlich wie im Nonstal weist der lokale Dialekt starke Eigenheiten auf, weshalb das Solander manchmal ebenfalls dem Ladinischen zugerechnet wird. Alte Burgen sucht man bis auf wenige Ausnahmen im Val di Sole vergeblich, die bedeutenderen Befestigungsanlagen sind neueren Datums. Es handelt sich um die Reste der österreichischen Verteidigung am Tonalepass aus dem Ersten Weltkrieg. Damals tobte im Hochgebirge ein jahrelanger erbitterter Stellungskrieg zwischen Österreichern und Italienern, der erst 1918 sein Ende fand.

Rund um das Val di Sole

Die Attraktion des Tales sind zweifelsohne die Gebirgslandschaften. Gleich drei mächtige Gebirgsmassive mit Natur- und Nationalparks bilden die Kulisse des Val di Sole – das Ortler-Massiv mit dem Nationalpark Stilfser Joch im Norden und die Brenta sowie die Presannello- und Adamello-Gruppe im Süden.

Das Stilfser Joch ist mit einer Höhe von 2757 Metern der zweithöchste Pass der Alpen. Er verbindet das Trentino mit der Lombardei. Eine Fahrt auf der traditionsreichen Route mit ihren zahllosen Schleifen ist ein Erlebnis für sich. Der italienische Nationalpark Stilfser Joch ist der grösste und älteste in unserem Nachbarland. Bereits 1935 eingerichtet, umfasst er eine Fläche von über 1300 Quadratkilometern und erstreckt sich auf Gebieten des Trentino, der Lombardei und Südtirols. Mit dem Ortler (3905 Meter) und dem Cevedale (3769 Meter) befinden sich dabei zwei der drei höchsten Gipfel des Ortler-Massivs in greifbarer Nähe des Val di Sole. Das Rabbi-Tal und das Peio-Tal sind daher auch sehr gute Ausgangspunkte für Touren in den Nationalpark, in den sie bereits ein Stück weit hineinragen. Im Dorf Rabbi informiert ein Besucherzentrum über Wissenswertes zum Nationalpark Stilfser Joch. Die Parkregion war dabei immer durch menschliche Besiedlung geprägt und ist insofern nicht nur eine Natur-, sondern auch eine Kulturlandschaft. Einzelne Dörfer, frei stehende Bauernhäuser und viele Hütten gehören auch heute noch zum Bild.


Eine Fahrt auf der traditionsreichen Route mit ihren zahllosen Schleifen ist ein Erlebnis für sich. (Bild: © Lukasz Janyst – shutterstock.com)

Im Reich des Braunbären

Im südöstlichen Bereich des Val di Sole breitet sich der 621 Quadratkilometer grosse Naturpark Adamello-Brenta aus. Er umfasst den Trentiner Anteil an der Brenta, einer Gebirgsregion von ganz eigenem Reiz. Die Berge der Brenta bestehen vorwiegend aus Dolomit, einem relativ harten Kalkstein. Anders als in den Dolomiten jenseits der Etsch mit ihren typischen Zacken und den eher filigran wirkenden Formationen zeigen sich die Berge der Brenta wuchtig und massiv. Viele der Gipfel erreichen hier über 3000 Meter, ohne jedoch Spitzenwerte aufzuweisen. Madonna di Campiglio ist das Wintersportzentrum in der Region schlechthin und ein Ferienort mit Tradition. Die Habsburger verbrachten hier regelmässig die Karnevalstage. Vom Val di Sole besteht eine direkte Strassenverbindung nach Madonna di Campiglio.

Ausserordentlich reizvoll ist auch der Molveno-See, der sich am Ostrand des Naturparks befindet und vom Nonstal aus gut angefahren werden kann. Der Bergsee mit dem gleichnamigen Ferienort wirkt mit seinem klaren grün-blauen Wasser wie ein Spiegel der umgebenden Gebirgslandschaft. Der Naturpark Adamello-Brenta gilt als eines der letzten Reservate für Alpen-Braunbären. Einige Dutzend Exemplare sollen hier inzwischen wieder leben. Daneben konnten auch Luchse und Wölfe wieder angesiedelt werden. Der Bär ist das Wappentier des Parks.



Westlich an den Naturpark Adamello-Brenta schliesst sich der Parco regionale dell’Adamello an. Er ist mit 510 Quadratkilometern noch etwas kleiner. Seinen Namen hat er vom mächtigen Adamello-Gipfel, einem 3554 Meter hohen massiven Felsen. Er ist der zweithöchste Gipfel der Adamello-Presanella-Gruppe, der dritten prägenden Bergregion der Gegend. Das Gebirgsmassiv bildet die ausgedehnteste Gletscherregion Italiens. Die Gletscherfläche umfasst heute insgesamt noch rund 18 Quadratkilometer und damit nur noch einen Bruchteil ihres einstigen Ausmasses. Innerhalb des Parks wurden mehrere Schutzzonen eingerichtet, für die zum Teil strenge Vorschriften gelten.


Der mächtige Adamello-Gipfel. (Bild: © Alberto Masnovo – shutterstock.com)

Auf nach Trient und zum Gardasee

Während der Nationalpark Stilfser Joch und der Naturpark Adamello Brenta touristisch gut erschlossen sind, geht es im Parco regionale dell’Adamello deutlich ruhiger zu. Alle drei Gebiete sind ideal zum Wandern und Klettern sowie für jede Art sportlicher Aktivitäten im Zusammenhang mit Bergen. Mindestens ebenso reizvoll ist die Region als Ziel für Winterferien.

Wer nicht nur auf Naturerlebnisse aus ist, kann einen Aufenthalt in einem der beiden Täler für einen Besuch im nahen Trient nutzen. Die alte Bischofsstadt im Etschtal hat sich bis heute in ihrer Altstadt rund um den gotischen Dom italienisch-österreichischen Charme erhalten und ist ein lohnendes Ziel für Stadtbesichtigungen, Shopping sowie kulinarische Genüsse. Südliche Atmosphäre atmet bereits der Gardasee, der nur gut 40 Kilometer entfernt liegt. Riva del Garda bildet den südlichsten Zipfel des Trentino. Hier wachsen bereits Zypressen und Zitrusbäume, der Gegensatz zur Vegetation im Val di Sole und Val di None könnte kaum grösser sein.

 

Artikelbild: © Antonio S – shutterstock.com

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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