Von Oslo nach Bergen – mit der Bergenbahn

Sie gilt als eine der schönsten Bahnstrecken Europas: die Route der Bergenbahn. Diese verbindet die norwegische Hauptstadt Oslo mit der alten Hafen- und Handelsstadt Bergen. Die Fahrt mit der traditionsreichen Bahn führt durch die faszinierende Hochlandschaft Südnorwegens.

Die Bergenbahn ist Reisezug wie normale Verkehrs- und Transportverbindung gleichermassen. Sie befördert nicht nur Touristen, die die Schönheiten des skandinavischen Landes entdecken wollen. Auch Geschäftsleute, Privatreisende und Berufspendler nutzen sie als reguläre Verbindung zwischen den beiden grössten Städten des Landes.

Eine technische Meisterleistung

Der Bau der Bahnstrecke war zu ihrer Zeit ein aussergewöhnliches Grossprojekt. Jahrzehntelange Planungen und Diskussionen gingen der Realisierung voraus. 1894 beschloss das norwegische Parlament endgültig, das Projekt zu verwirklichen. Es wurde in mehreren Teilabschnitten umgesetzt. Am 27. November 1909 eröffnete der damalige norwegische König Haakon die gesamte Strecke für den Personenverkehr. Er feierte den Bahnbau dabei als ingenieurtechnische Meisterleistung seiner Generation.

Mit der Bahn wurden die abgelegenen Gehöfte und wenigen Ortschaften im Landesinneren Südnorwegens an die urbanen Zentren an der Küste angeschlossen. Gleichzeitig konnten die Transportwege zwischen Oslo und Bergen entscheidend verkürzt werden, die Beförderung auf der Schiene schuf eine Alternative zur Verschiffung. Insofern bedeutete die Errichtung der Strecke auch eine herausragende Infrastrukturmassnahme.


Unbedingt lohnend ist ein Abstecher von der Hauptbahnstrecke mit der Flåmsbahn nach Flåm. (Bild: © Nikolai Sorokin – fotolia.com)

Es war weniger die Entfernung von über 500 Kilometern, die den Bau zu einer Herausforderung machte. Es waren vielmehr die zahlreichen natürlichen Hindernisse und Barrieren, die es zu überwinden galt. Die beiden Endpunkte der Strecke – Oslo und Bergen – liegen auf Meeresniveau. Dazwischen steigt die Bahn auf eine Höhe von mehr 1200 Metern an. Für die Streckenführung mussten zahlreiche Tunnel und Einschnitte durch das massive Gestein angelegt werden. Es besteht vorwiegend aus Gneis, einem granitartigen Material, das eine besondere Härte aufweist.

Dabei wurde nicht nur reichlich Dynamit für Sprengungen eingesetzt; vieles konnte nur mit menschlicher Arbeitskraft erledigt werden, da die in unserer Zeit üblichen Spezialmaschinen noch nicht erfunden waren. Heute verfügt die Strecke über insgesamt 182 Tunnel mit zusammen mehr als 70 Kilometern Länge. Der höchste und gleichzeitig längste ist der Finsetunnel in der Provinz Hordaland. In dem über zehn Kilometer langen Tunnel erreicht die Bergenbahn ihr grösstes Höhenniveau.

Auf der Hardangervidda

Die Bergenbahn führt durch viele reizvolle Landschaften. Der beeindruckendste Abschnitt ist zweifelsohne die Fahrt durch die Hardangervidda. Die Hochebene nimmt mit einer Fläche von rund 8000 Quadratkilometern einen grossen Teil Südnorwegens ein. Sie gilt als die grösste Hochebene Europas. Da die Hardangervidda bereits jenseits der Baumgrenze liegt, sucht man hier Bäume und Wälder vergebens. Es ist eine wildromantische, oft karge Landschaft mit weiten Flächen, flachen Seen und einigen wenigen, eher sanft als schroff aufragenden Bergen. Dort, wo es neben dem Fels auch etwas Erde gibt, bedecken Gräser, Flechten und Moose das Land.


Der beeindruckendste Abschnitt ist zweifelsohne die Fahrt durch die Hardangervidda. (Bild: © John Maldoror – fotolia.com)

Ihr Aussehen hat die Hardangervidda ehemals riesigen Gletschern zu verdanken, die das Gebiet während mehrerer Eiszeiten abgeschliffen und eingeebnet haben. Reste davon sind noch vorhanden. Der Hardangerjøkul ist einer der grössten Gletscher Norwegens. Die Bergenbahn passiert das Gletschergebiet nahe des Bahnhofs Finse.

Einer der markantesten Gipfel der ganzen Region ist der Hårteigen, ein fast 1700 Meter hoher Tafelberg, der praktisch senkrecht aus der Ebene aufsteigt. Von seinem Höhenplateau hat man fantastische Ausblicke auf die ganze Hochebene. Viele Pflanzen und Tiere, die hier vorkommen, sind sonst eher in polaren Gebieten zu finden. Berglemminge, Schneehasen und -eulen sowie Polarfüchse gehören zur Tierwelt der Hardangervidda. Ausserdem verfügt die Gegend über die grösste wildlebende Rentier-Population Norwegens.


Einer der markantesten Gipfel der ganzen Region ist der Hårteigen. (Bild: © GiZGRAPHICS – fotolia.com)

Zum Aurlandsfjord mit der Flåmsbahn

Unbedingt lohnend ist ein Abstecher von der Hauptbahnstrecke mit der Flåmsbahn. Diese Seitenbahn zweigt beim Bahnhof Myrdal ab und fährt zum Ort Flåm. Flåm ist ein kleines Dorf, das im Flåmstal liegt. Dieses geht in den Aurlandsfjord über, einen Ausläufer des grösseren Sognefjords. Hier präsentiert sich dem Reisenden eine atemberaubende Landschaft. Steile Felsen stürzen fast senkrecht in die Fjordgewässer ab. Grüne Wiesen und Bäume, graue Felsen und das Blau von Wasser und Himmel verbinden sich zu einem einzigartigen Landschaftsgemälde. Es ist eine der spektakulärsten Fjordaussichten, die Norwegen zu bieten hat.

Spektakulär ist auch die Flåmsbahn selbst. Auf einer Strecke von nur gut 20 Kilometern muss sie fast 900 Meter Höhenunterschied bewältigen. Sie gehört damit zu den steilsten Bahnstrecken der Welt. Eine besondere Attraktion der Bahnfahrt ist ein Zwischenstopp am Wasserfall Kjosfossen, einem sagenumwobenen Sturzbach, der hier in einen See mündet.


Auch die Endstation Bergen lohnt einen längeren Aufenthalt. (Bild: © Nikolai Sorokin – fotolia.com)

Vom Start in Oslos Hauptbahnhof, der Sentralstasjon, bis zum Zielbahnhof in Bergen dauert die Fahrt etwa sieben Stunden. Eine Tour mit der Flåmsbahn braucht für eine Strecke gut eine Stunde. Wer etwas von den Naturschönheiten mitbekommen will, muss daher mehr als einen Tag für die Bahnfahrt einkalkulieren. Das ist aber auch kein Problem, denn an vielen Bahnhöfen entlang der Strecke gibt es Hotels und weitere Übernachtungsmöglichkeiten. Sie können als Ausgangspunkte für Touren in das jeweilige Umland dienen. Angebote dafür gibt es reichlich. Die Bergenbahn wird intensiv genutzt, Jahr für Jahr zählt sie mehr als eine halbe Million Fahrgäste.

Hanse-Erinnerungen in Bergen

Auch die Endstation Bergen lohnt einen längeren Aufenthalt. Norwegens zweitgrösste Stadt lebt vom Hafen und der Ölförderung. Sie gilt als das Tor zu den schönsten Fjorden des Landes. Ausserdem starten von hier die legendären Hurtigruten, die Postlinienschiffe, die die Küstenorte bis zum Nordkap anlaufen. Im historischen Zentrum bildet die Tyske Bryggen das Wahrzeichen der Stadt. Es handelt sich um ein altes Kaufmannsviertel, eine der bedeutendsten mittelalterlichen Siedlungen Norwegens. Über Jahrhunderte war Bergen Standort der Deutschen Hanse. In Tyske Bryggen lebten die deutschen Kaufleute und wickelten ihre Geschäfte ab. Trotz mehrerer Brände ist die Hanse-Niederlassung noch hervorragend erhalten.



Bergen bietet Besuchern darüber hinaus zahlreiche weitere Sehenswürdigkeiten, Museen und ein reiches Kulturleben. Eine Fahrt mit der Bergenbahn ist eine hervorragende Möglichkeit, Norwegen in ganz unterschiedlichen Facetten kennenzulernen.

 

Oberstes Bild: © tsuguliev – fotolia.com

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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