Zwischen Urnerboden und Klausenpass - Geschichte und Traditionen

Wer von Linthal im Glarnerland über den Klausenpass an den Vierwaldstättersee reist, erlebt neben grossartiger Natur ursprüngliche Orte und Traditionen.

Da ist zum Beispiel der Urnerboden, die grösste Schweizer Alp, wo schon mal Kühe mitten auf der Passstrasse Autos und Motorräder zum Anhalten zwingen. Auch Tells Heimat, das Schächental, kann auf diesem Tagesausflug besucht werden. Interessant ist das Dörflihaus-Museum in Spiringen.

Einheimische sorgen mit viel Herzblut dafür, dass die Ursprünglichkeit ihrer Heimat erhalten bleibt, und auch die Kantonale Denkmalpflege schützt verschiedene Objekte in dieser Region. So gehören Wanderschuhe zur Arbeitskleidung der Denkmalpfleger, denn sie sind mitunter an Orten tätig, die nur zu Fuss oder mit der Seilbahn erreichbar sind: wie beispielsweise die Alp Wannelen, einem zum Urnerboden gehörenden Oberstafel.

Das kleine Alpdörfli versetzt den Besucher in der Zeit zurück: Die neun Alpütten, sechs Ställe, sechs Käsereien, eine Seilhütte, sechs Käsespeicher und auch das Alpenbeizli stehen unter Denkmalschutz. Der fast 70-jährige Senn Franz Müller kommt sein Leben lang schon hier herauf, als Baby von den Eltern im Rucksack getragen. Die Seilbahn gab es damals noch nicht.

Wie es zur damaligen Zeit üblich war, packten er und seine Geschwister früh mit an. In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat er die Käserei der Eltern übernommen, modernisiert und ausgebaut, aber den Charakter der urchigen Hütten aus dem Jahr 1880 nicht verändert. Im Sommer bekommt er Hilfe von einer Familie, deren Teenager extra vier Wochen vom Schulunterricht freigestellt werden. Das sind gute Voraussetzungen dafür, dass auch die heranwachsende Generation die alten Traditionen und Werte zu schätzen lernt.


Urnerboden, die grösste Schweizer Alp (Bild: © shorty25 – fotolia.com)

Der Urnerboden – die grösste Schweizer Alp, zu Uri gehörend, aber auf Glarner Boden

Der Urnerboden gehört zur Gemeinde Spiringen, also zum Kanton Uri. Er befindet sich, als grösste Schweizer Alp, jedoch im Kanton Glarus. Als ich vor vielen Jahren erstmals eine Wanderung auf dem Claridenhöhenweg plante und diese auf dem Urnerboden beginnen wollte, wurde ich stutzig: Warum steht nichts darüber im Glarner Wanderbuch? In einem Urner Wanderführer fand ich dann die Erklärung. Zwar soll es sich dabei um eine Sage handeln, aber da Märchen und Sagen auch zum Volksgut gehören, möchte ich sie Ihnen kurz zusammengefasst weitergeben:

Vor langer Zeit stritten Urner und Glarner um ihre Landesgrenzen und griffen einander täglich an. So beschlossen beide Bezirke, dass jeder einen Läufer bestimmen muss, der zur Tages- und Nachtgleiche mit dem ersten Hahnenschrei frühmorgens in seinem Gebiet loslaufen soll. Dort, wo die Burschen sich treffen, sollte die Grenze festgelegt werden. Sowohl die Urner wie auch die Glarner versuchten es mit einer List: Während die Urner ihrem Hahn am Vorabend nichts zum Fressen gaben, damit er zeitig vom Hunger geweckt würde, fütterten die Glarner ihren grosszügig in der Hoffnung, dass er aus Dankbarkeit früh aufwachen möge. Die Rechnung der Urner ging auf, während der Glarner Hahn friedlich in den Tag hinein schlief. 

Vielleicht war es so, vielleicht auch nicht; belegt ist: 1315 legte man die Grenze zwischen Uri und Glarus genau fest und beendete damit die ständigen Streitereien und Probleme.

Die Geschichte des Urnerbodens am Klausenpass

Wie ging es nach 1315 auf der Alp Urnerboden weiter? Wahrscheinlich wurde sie im Sommer als Alp genutzt, bis 1877 war es jedenfalls gesetzlich verboten, sich hier während des Winters aufzuhalten. Eine Entscheidung des Bundesrates hob schliesslich dieses Verbot auf. Um die Jahrhundertwende entstand das kleine Dorf: 1888 hatte es nur 73 Einwohner, die Anzahl verdoppelte sich bis 1900. Deshalb wurde es notwendig, 1899 eine Schule zu bauen. 1902 folgte eine Kaplanei und 1915 die neubarocke Kirche.


1915 wurde die neubarocke Kirche in Urnerboden gebaut. (Bild: © shorty25 – fotolia.com)

Die Geschichte von Spiringen und seinen Kapellen und Kirchen

Wo heute im Schächental Spiringen liegt, war einst dichter Wald. Dieser wurde von der Sippe der Spiro gerodet, nachdem die Alemannen sich im Urner Gebiet niedergelassen hatten. Der fruchtbare Boden bot die ideale Basis für künftige Alpwirtschaft. Es heisst, die Spiro hätten dem Ort Spiringen seinen Namen gegeben. Die Gegend soll jedoch schon früher von den Römern erschlossen worden sein.

Die Schächentaler Bewohner stifteten 1290 die St.-Michael-Kapelle, die damals in Spiringen erbaut wurde. Dies ist durch einen Stiftungsbrief belegt, der am 29. März 1290 niedergeschrieben wurde. Er zählt zu den bedeutendsten  Urkunden der jungen Eidgenossenschaft. Die Kapelle war eine Filiale der Landespfarrei Bürglen. Eine eigenständige Pfarrei wurde Spiringen erst 1591.

Das Ortsbild wird von bis heute erhalten gebliebenen, sehenswerten Häusern aus dem 15. und 16. Jahrhundert geprägt. Einige von ihnen stehen unter Denkmalschutz. Dazu zählen das Pfarrhaus und das Wohnhaus im Oberdorf.
Im September 1799 marschierten die 20’000 Mann von General Suworow an der Gemeinde Spiringen vorbei ins Muotathal. Im Jahr 1877 kam es zu einer Naturkatastrophe: Ein Bergsturz zerstörte mehrere Häuser und begrub sieben Einwohner.


Wo heute im Schächental Spiringen liegt, war einst dichter Wald. (Bild: © Waldteufel – fotolia.com)

1950 begann der Bau der heutigen Kirche, der schon ein Jahr später fertiggestellt wurde. Leider musste dafür die ursprüngliche Kirche weichen, die zu den ältesten im gesamten Kanton zählte. In der Umgebung lassen sich aber einige wertvolle, geschützte kleinere Sakralbauten finden. Einer davon ist die Kapelle Sieben Schmerzen Mariä bei Urigen: eine unter Schutz stehende Wallfahrtskapelle von regionaler und kantonaler Bedeutung. Sie gilt zudem als künstlerisch wertvoll.

Ich hatte erstmals von der Kapelle Sieben Schmerzen Mariä aus einem kleinen Pilgerbüchlein erfahren, und da ich ohnehin sehr gerne im Kanton Uri unterwegs bin, machte ich mich letztes Jahr auf den Weg dorthin. Die Kapelle liegt etwas oberhalb von Spiringen und ist in einer Dreiviertelstunde zu Fuss erreichbar. 1571 wurde im Weiler Getschwiler eine erste kleine Kapelle errichtet. Das Gotteshaus machte sich schnell als Wallfahrtsort einen Namen, und schon 1595 wurde mit dem Bau einer grösseren Kapelle begonnen. Sie konnte 1599 fertiggestellt werden.

In der Kapelle sind zwei bemerkenswerte Gemälde zu sehen. Eines zeigt Maria mit dem Leichnam Jesu, neben ihr von Trauer gezeichnet Maria Magdalena und Johannes. Das andere Bild ist ein Werk Denys Calvaerts, eines bekannten flämischen Künstlers. Die unter Denkmalschutz stehende Wallfahrtskapelle wurde in den letzten Jahrhunderten mehrmals renoviert, 1995/96 unterzog man sie einer Gesamtrestauration.

Wer sich für die Geschichte der Region zwischen Spiringen und Urnerboden interessiert, sollte das Dörflihaus-Museum besuchen. Es ist das bedeutendste Talmuseum am Klausenpass und enthält eine wertvolle Sammlung an Gegenständen und Dokumenten des Schächentals. Zu sehen sind unter anderem Trachten, Kunsthandwerk, Gegenstände aus der Alpwirtschaft sowie von Verkehr und Tourismus aus der Zeit zwischen 1196 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Verschiedene Exponate zeugen vom Durchmarsch Suworows und seiner Truppen.



Besonders stolz ist man auf die aus dem Jahr 1290 stammende Stiftungsurkunde sowie ein Jahrzeitbuch, das die wichtigsten Familiennamen aus Spiringen von 1290 bis 1515 aufführt. Dabei handelt es sich um Objekte, die, neben dem Bundesbrief, zu den wichtigsten schriftlichen Zeugnissen über die Entstehung der Eidgenossenschaft gehören. Ein weiteres wertvolles Schriftstück ist die Urkunde aus dem Jahr 1196, in welcher die Grenze zwischen Glarus und Uri auf dem Urnerboden festgehalten wird.

Über Öffnungszeiten des Dörflihaus-Museums am Klausenpass informieren Sie sich bitte per Telefon:

Dörflihaus-Museum
6464 Spiringen
Tel.: +41 (0)41 879 11 34

Führungen
Tel.: +41 (0)79 410 21 60 (Herr Josef Herger-Kaufmann)



 

Oberstes Bild: © Eder – shutterstock.com

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