Reise von Peking nach Shanghai, Teil 2: Peking – Stadt der Kontraste
VON Natalia Muler Alle Länder Asien
Peking ist eine Stadt der Kontraste. An vielen Ecken sieht man Spuren der jahrtausendelangen Geschichte, während man im Zentrum von modernen Gebäuden aus Glas und Beton umgeben ist. Peking gilt nach einer jüngsten Untersuchung des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ als eine der teuersten Städte weltweit. Und doch ist neben dem vielen Luxus und der Angeberei der Neureichen auch viel Armut zu sehen.
Peking ist die lebendige Illustration der chinesischen Geschichte, und das alles in konzentrierter Form. Die Kaiser haben von hier aus über ganz China regiert, wovon schöne Paläste und postkartenschöne historische Stätten, die in der Stadt verstreut sind, bis heute Zeugnis geben. Doch dazwischen beherrschen – architektonischer Liebling der Kommunisten – graue Blocks das Stadtbild.
Dies ist ein Bericht über die Reise von Peking nach Shanghai in mehreren Teilen:
Teil 1: Die Verbotene Stadt und die Chinesische Mauer
Teil 2: Peking – Stadt der Kontraste
Teil 3: Die kaiserliche Sommerresidenz in Chengde
Teil 4: Terrakotta-Armee von Xiʼan
Teil 5: Der Berg der Dichter Huang Shan – die Entdeckung der chinesischen Romantik
Teil 6: Guilin – Liebling der Maler und Dichter
Teil 7: Shanghai – eine Stadt mit vielen Gesichtern
Teil 8: Hangzhou – das Paradies auf Erden
Der Aufstieg Chinas zum neuen Wirtschaftsgiganten hat die Stadt auch stark verändert. Im letzten Jahrhundert schoss die Bevölkerungszahl von ca. 700´000 um das Jahr 1900 auf ca. 7´500´000 im Jahre 2007 hauptsächlich durch Zuwanderung der billigen Arbeitskräfte aus ländlichen Regionen empor. Um Wohnplätze für all diese Neu-Pekinger zu schaffen, wurden Mitte des letzten Jahrhunderts viele traditionelle Häuser in geschichtsträchtigen Stadtgebieten einfach plattbemacht, um an ihrer Stelle mehrstöckige Betonbauten zu errichten.
Der neue Reichtum Chinas hat natürlich auch seine Pinselstriche auf das Stadtportrait auftragen dürfen. Doch nicht nur luxuriöse Wolkenkratzer und teure Shoppingmeilen zeugen davon: Extrem viele Autos verkehren auf den Strassen der chinesischen Hauptstadt. Multipliziert mit zahlreichen Fabriken samt deren niemals schlafenden Schornsteinen verwandelte diese rege wirtschaftliche Tätigkeit Peking in eine Stadt mit höchsten Luftverschmutzungswerten weltweit.
Eine Besserung kam erst im frühen 21. Jahrhundert, es lebe die Olympiade! Im Zuge der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2008 sah sich die Stadt genötigt zahlreiche Sanierungsprojekte in Gang zu setzen und Massnahmen zu treffen, um die Luftverschmutzung einzudämmen. Die Fabriken, die sich nicht mehr modernisieren liessen, wurden geschlossen. An den freigewordenen Flächen entstanden Grünanlagen. Davon gab es in Peking relativ wenige: Mitte des 20. Jahrhunderts wurde, um die Getreidevorräte zu schützen, die Massenvernichtung von Spatzen angeordnet. Das Getreide war somit in Sicherheit, doch als Folge vermehrten sich die Insekten, wer hätte es gedacht, unkontrollierbar. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die armen Vöglein wieder die Aufenthaltserlaubnis für die Hauptstadt bekommen hätten. Aber nein. Stattdessen wurden sämtliche Parks und Grünanlagen einfach entfernt, was gewaltige Staubstürme im Winter zu Folge hatte.
Der Spaziergang durch die chinesische Hauptstadt wird deswegen zu einem lottoähnlichen Erlebnis: Man kann nie wissen, ob man gerade entzückt oder erschrocken sein wird. Während die teureren Gegenden Pekings mit ihren verglasten Hochhäusern genau so kalt und unpersönlich wie in allen Grossstädten der Welt wirken, sollte man sich den Besuch in den traditionellen „hutongs“ auf keinen Fall entgehen lassen.
Hutongs sind enge Gassen, an deren beiden Seiten traditionelle chinesische Wohnhäuser stehen. Da in einem mehrstöckigen Haus, auf der gleichen Fläche gebaut, viel mehr Wohnraum geschaffen werden kann, wurden die Hutongs seit einigen Jahrzehnten systematisch abgerissen. Die Stadtumgestaltung schreitet in einem solche Tempo voran, dass zu erwarten ist, die traditionellen Hutongs im Stadtzentrum in der absehbaren Zukunft nur in Form einer Museumssiedlung besuchen zu können. Doch es gilt wie immer und überall – Druck erzeugt Gegendruck: da Hutongs immer seltener werden, sind sie wieder in. Sämtliche Häuser mit ihren pittoresken Wohnhöfen werden rekonstruiert oder sogar neue Häuser im alten Stil gebaut.
Weder die eine noch die andere Tendenz hat somit gewonnen: Also, es sind noch nicht alle Hutongs niedergerissen und die erhalten Gebliebenen sehen noch nicht nach Souvenirladen- Kitsch aus. Von daher eines Besuchs absolut wert.
In diesen Hutongs, die ihre Authentizität noch nicht verloren haben, werden Sie die Lebensessenz der chinesischen Hauptstadt entdecken: zahlreiche Miniläden verkaufen alles Mögliche und Unmögliche; Strassenhändler ziehen oder schieben ihre mit Waren beladenen Vehikel; Kinder tollen fröhlich herum; Friseure schneiden Haare gleich auf der Strasse; weisshaarige Opas spielen in der Sonne Schach; in den riesigen Woks kochen Frauen typische Speisen, die zischend ganze Gassen mit ihren unwiderstehlichen Aromen füllen.
Ein Spaziergang hier ist ein echtes Erlebnis. Man kann auf einem der typischen Märkte Gemüse oder Meeresfrüchte einkaufen, an einer Strassenecke eine heisse, brennend scharfe Suppe essen oder einfach das Treiben der Menschen beobachten. Sich in diesen engen Gassen zu verlieren, bedeutet in das echte Leben Pekings einzutauchen, um ein bisschen besser seinen wahren Charakter zu verstehen.
Oberstes Bild: Panorama von Peking (Bild: ahenobarbus, Wikimedia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“ color=“grey“][vc_gmaps link=“https://www.google.ch/maps?q=Peking,+China&hl=de&sll=38.266529,-0.689682&sspn=0.037805,0.084543&oq=pek&hnear=Peking,+China&t=m&z=9″ size=“350″]