Verkehr in Moskau: Rasen und im Stau stehen

Eine Geschäftsreise nach Moskau: Toll und vielversprechend! Erwartungsvoll kommen wir aus dem Flughafengebäude heraus und treten unserem ersten tiefen Erlebnis entgegen – der Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel.  

Aus dem Taxi vor uns springt ein energiegeladener und für 5 Uhr morgens etwas zu lebensfreudiger Taxifahrer raus. Sein Fahrzeug  vibriert von ohrenbetäubender Musik im Wageninneren.  Ruck zuck schmeisst er unser Gepäck in den Kofferraum. Jetzt müssen wir einsteigen, aber eine Spur verunsichert von so viel Dynamik  zögern wir fast. Und als ich dem Chef sage, dass der Fahrgast in Russland traditionsgemäss vorne neben dem Fahrer sitzt, lese ich in seinen Augen fast ängstliche Verwunderung.  Ok, erkläre ich ihm, man kann auch hinten sitzen, und besonders Frauen entscheiden sich für den Rücksitz. Die Männer setzen sich doch üblicherweise nach vorne: Erstens scheint es ihnen, dass sie so mehr Kontrolle über die Situation haben, und zweitens lassen sie den Taxifahrer sich nicht als Dienstpersonal fühlen.  Mit einem Ich-bin-ein-Mann-Gesichtsausdruck entscheidet er sich für den Beifahrersitz.

Wir tauchen in die Dezibel der russischen Popmusik ein. Über Geschmack lässt sich nicht streiten, denke ich, aber über die Lautstärke schon. Fast gekränkt stellt der Fahrer das Radio leiser und die Fahrt beginnt.

Mamma mia! Die Geschwindigkeit! Ist die Flughafenatmosphäre so ansteckend, dass der Fahrer auch einen Kondensstreifen hinter seinem Auto sehen will? Es ist einfach noch sehr früh, verstehe ich, die Strassen sind leer, und der von den unbeschreiblichen Moskauer Staus müde Fahrer tritt begeistert aufs Gaspedal und geniesst die Fahrt in vollen Zügen. Angesichts seiner kindlichen Freude scheint es unmöglich, ihm das nicht zu gönnen. Deswegen entscheide ich mich für ein Stossgebet und schaue aus dem Fenster heraus.   

Die Autobahn von Domodedovo nach Moskau führt durch eine bewaldete Gegend. Am Waldrand sehen wir jede Menge geparkte Autos. „Jäger, Fischer, Jogger?“ – fragen wir den Taxifahrer. Oh, nein, so seine Erklärung, wer die Reisenden vom Flughafen abholen muss, aber die astronomisch hohen Flughafenparkplatzgebühren nicht zahlen will, wartet hier in der Nähe. Nach der Landung des Flugzeugs rufen die Passagiere die Abholenden kurz an und diese müssen dann an den Flughafenausgang nur kurz heranfahren, um die Ankommenden schnell mitzunehmen.

Die Fahrt geht rasch weiter. In der Nähe der Stadt wird der Verkehr dichter. Im glücklichen Rausch der Geschwindigkeit denkt unser Chauffeur nicht mal daran, das Tempo zu verringern. Auf einer fünfspurigen Autobahn wechselt er fast quer die Spuren und auf der Stirn meines Chefs zeigen sich kleine Schweisstropfen. Als wir doch heil im Hotel ankommen, klingt unser Dankeschön zwar erleichtert aber nicht sehr überzeugend.


Strassenverkehr in Moskau (© Nevermind2 / Wikimedia / CC)


In Moskau wohnt mein Cousin, das heisst, am Abend ist das Familientreffen angesagt. „Ich hole dich vom Hotel ab“,- sagt er mir am Telefon,- „wir wohnen ganz in der Nähe, ich fahre gleich los – in eineinhalb Stunden bin ich bei dir“. Wirklich sehr schnell, denke ich, und lege mich ganz müde nach  dem Flug und allen Geschäftsterminen noch für eine Stunde hin. Wie sich später herausstellt, sind die anderthalb Stunden für die Strecke und die Uhrzeit mehr als plausibel. Würde man jetzt vom Hotel Richtung Roter Platz fahren wollen, bräuchte man für fünf Kilometer mindestens zwei Stunden. Ich beobachte das Rasen und Drängeln der hektischen Rushhour. Haupteindruck: der Preis deines Autos bestimmt, inwieweit du dich an die Verkehrsregeln halten musst. „Nöö“,- sagt der Cousin ganz entspannt,- „es lässt sich ganz OK fahren, musst bloss a bissl mehr aufpassen“. In diesem Augenblick springt ein dicker weisser BMW aus einer schlecht beleuchteten Kurve heraus. „Siehst du, die hat´s eilig“,- er bremst mit olympischer Ruhe und gerade noch rechtzeitig, um den Unfall zu vermeiden. Angekommen, richte ich mich mit etwas nassen Händen schon mal seiner Haustür zu. Doch muss ich noch warten. Das Parken ist für ihn nicht nur Parken. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit holt er sein Werkzeug aus dem Wagen heraus, nimmt damit die Kennzeichenschilder ab und versteckt diese im Kofferraum. Als er die stumme Frage in meinen Augen merkt, fängt er an zu lachen. In letzter Zeit, erklärt er, ist in Moskau ein sehr lukratives Geschäft entstanden: man raubt die ausländischen Kennzeichen. Will der nichts ahnende Autobesitzer am Morgen zur Arbeit fahren, findet er an seinem Auto keine Kennzeichen und ein nettes Brieflein, in dem die höflichen Räuber ihm ein äusserst grosszügiges Angebot machen: Sie würden nämlich gerne dem traurigen Autobesitzer den bürokratischen Schlendrian ersparen, und die Kennzeichen gegen die bescheidene Summe von etwa 200 Dollar umtauschen.


Ein Autounfall auf Moskauer Strassen (© Oleg Yunakov / Wikimedia / CC)


Am nächsten Tag steht eine weitere Taxifahrt vor uns. Mein Chef pfeift ohne zu zögern auf das Männergehabe, setzt sich gleich nach hinten und schnallt sich fest an. „Gucken Sie an“, – empört sich der redselige Taxler, – „das Fahren wird schwieriger und schwieriger. Vor kurzem hat man zum Beispiel die Überwachungskameras installiert, damit die Autos nicht in der zweiten Reihe parken. Und schauen Sie sich die Busfahrbahn an! Die fettesten Autos stehen hier eins nach dem anderen. Die Fahrer bevorzugen eine Strafe zu zahlen, als nach einem Parkplatz zu suchen und haben die Busspur in einen Bezahlparkplatz verwandelt!“

An Bord des Flugzeugs fühle ich mich so sicher und wohl wie nie zuvor. Ja, denke ich mir dabei, – ein Mietauto für den Urlaub in Moskau – eindeutig keine gute Idee…

Oberstes Bild: Die Rushhour in Moskau (© Azov / Wikimedia / CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“][vc_gmaps type=“m“ zoom=“14″ link=“https://maps.google.com/maps?q=moskau+russland&hl=es&ie=UTF8&sll=37.0625,-95.677068&sspn=54.533615,79.013672&hnear=Mosc%C3%BA,+gorod+Moskva,+Rusia&t=m&z=10″ size=“350″]

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Ich schreibe, seit ich schreiben kann, und reise, seit ich den Reisepass besitze. Momentan lebe ich im sonnigen Spanien und arbeite in der Modebranche, was auch oft mit Reisen verbunden ist, worüber ich dann gerne auf den Portalen von belmedia.ch berichte. Der christliche Glaube ist das Fundament meines Lebens; harmonisches Familienleben, Kindererziehung, gute Freundschaften und Naturverbundenheit sind meine grössten Prioritäten; Reisen und fremde Kulturen erleben meine Leidenschaft; Backen und Naturkosmetik meine Hobbys und immer 5 Minuten zu spät kommen meine Schwäche.

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