Budapest – der Glanz Europas in konzentrierter Form

Budapest: Parlament und Kettenbrücke bei Sonnenuntergang.

Als „Königin der Donau“ gilt Budapest. Die Schönheit der ungarischen Hauptstadt steht ausser Zweifel. Doch worin besteht sie eigentlich genau, die Schönheit dieser Stadt?

Ich möchte mich dieser Frage einmal aus einem vielleicht ungewöhnlichen Blickwinkel nähern. Die These, die ich mit ausgewählten Sehenswürdigkeiten der Stadt untermauere, lautet: Budapest ist so schön, weil es so genuin europäisch ist.

Das stellt uns natürlich zunächst vor die Frage, was eigentlich „genuin europäisch“ ist. Hierzu sind mir fünf Merkmale eingefallen, die zwar nicht jedes für sich alleine, aber doch alle zusammen ein plausibles Bild davon abgeben, was den historisch-kulturellen Geist Europas ausmacht. Es handelt sich um (1) das Christentum, (2) Monarchie, Demokratie, und Nationalstaat (3) ästhetische Bauten, (4) jüdisches Leben, (5) Weihnachtsmärkte. Diesen Kriterien spüren wir nun in Budapest nach.

1. Das Christentum – auch in seiner Verquickung mit dem Staat

Wer Europa verstehen will, muss das Christentum verstehen. Das steht ausser Zweifel. In Europa haben die zwei grössten christlichen Konfessionen, die römisch-katholische und die vielen protestantischen Kirchen, ihre Heimat. Ungarn ist ein traditionell römisch-katholisches Land. Ein beredtes Zeugnis davon legt die St.-Stephans-Basilika (ungar. Szent István-bazilika) ab. Die 1905 fertiggestellte und 8500 Menschen Platz bietende Basilika beeindruckt u.a. durch eine 96 Meter hohe Kuppel, die den dreidimensionalen Eindruck einer „Röhre in den Himmel“ vermittelt, an deren Ende Gott, Jesus und Engel zu sehen sind.


Die St.-Stephans-Basilika von innen.
Die St.-Stephans-Basilika von innen. (Foto: Alin Cucu)

Am Namen der Basilika ist noch eine andere Seite des europäischen Christentums, die in Ungarn sehr stark ausgeprägt war, abzulesen: Die christlichen Kirchen waren die längste Zeit ihrer Existenz eng mit den weltlichen Mächten verquickt. „St. Stephan“ bezieht sich nämlich auf den ersten christlichen König Ungarns, Stephan (reg. 1000-1038). Noch deutlicher wird die Verbindung zwischen Mitra und Krone an der Matthiaskirche im Stadtteil Buda (auf der anderen Seite der Donau). Die Ersterrichtung einer Kirche an jener Stelle fand 1015 durch besagten König Stephan statt. Der spätere König Matthias Corvinus (1458-1490) war Namenspatron eines späteren Baus an gleicher Stelle, und auch in jüngerer Zeit war die Kirche eng mit Königen verbunden. 1867 fand dort die Krönung des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. und 1916 die des letzten KuK-Kaisers Karl V. statt.


Blick von der Fischerbastei auf das ungarische Parlament.
Blick von der Fischerbastei auf das ungarische Parlament. (Foto: Alin Cucu)

2. Demokratie und Nationalstaat

Die Zweckehe zwischen Kirche und Staat kann man berechtigterweise kritisieren, und in Europa fand historisch auch eine Entwicklung weg sowohl vom Absolutheitsanspruch der Römischen Kurie als auch der Könige und Kaiser, und hin zur „Herrschaft des Volkes“. Budapest belegt auch diese europäische Errungenschaft eindrücklich, und zwar mit dem ungarischen Parlamentsgebäude. Mit einer Grösse von (L x B x H) von 268 x 123 x 96 Metern ist es eines der grössten Parlamentsgebäude der Welt, aber auch eines der schönsten – vielleicht sogar das schönste (finde ich jedenfalls).


Zigarrenhalter im Budapester Parlament.
Zigarrenhalter für die Abgeordneten: sogar daran dachte man im Budapester Parlament. (Foto: Alin Cucu)

Genial ist die in der Architektur versteckt Botschaft, die den Betrachter möglicherweise sogar unterbewusst anspricht. Das Gebäude besteht aus von aussen zwei exakt symmetrischen Flügeln, die für Unter- und Oberhaus vorgesehen waren, mit der herausstechenden Kuppel in der Mitte. Das steht symbolisch einerseits für die Gleichwertigkeit der Stände- wie der bürgerlichen Abgeordneten, die sich bei Meinungsverschiedenheiten zum Wohle des Volkes eben „in der Mitte“ treffen müssen.


Das ungarische Parlament in Budapest in ganzer Breite.
Das ungarische Parlament in Budapest in ganzer Breite. (Bild: Mikhail Markovskiy / shutterstock)

Ist die Demokratie ein integraler kultureller Bestandteil Europas, so ist es, historisch gesehen, auch der Nationalstaat. Ungarn scheint, jedenfalls wenn man sich Budapest ansieht, einen robusten Nationalstolz zu haben (was heutzutage wieder, in für viele zweifelhafter Weise, in der Regierung von Viktor Orbáns Fidesz-Partei, deutlich zeigt). Zum einen sind da die vielen Bezüge zu ungarischen Königen (sogar ein Mineralwasser heisst Szent Király – „Heiliger König“). Dann ist da aber auch die Fischerbastei oberhalb des Budaufers mit ihren sieben pittoresken Türmen. Diese symbolisieren die sieben magyarischen Stämme, die sich 895 im Karpathenbecken niederliessen und im Prinzip die ungarische Nation gründeten.


König Stephan - als Regent (rechts) und Heiliger (links). (Fotos: Alin Cucu)
König Stephan – als Regent (rechts) und Heiliger (links). (Fotos: Alin Cucu)

3. Ästhetische Gebäude

Es klang schon beim Parlamentsgebäude und der Fischerbastei an: Viele Gebäude in Budapest sind schlichtweg schön. Das liegt zum einen an ihrer Symmetrie (siehe Parlamentsgebäude), zum anderen aber auch an ihrer Liebe zum Detail, beides klassische europäische Tugenden. Berühmt für ihre Schönheit ist auch die Széchenyi-Kettenbrücke (ungar. Széchenyi lánchid) über die Donau. Sie wurde auf Anregung des ungarischen Graf István Széchenyi von 1839 bis 1849 erbaut. Anlass war, dass der Graf aufgrund gefrierenden Wetters die Beerdigung seines Vaters auf der anderen Donauseite verpasste, und sich daraufhin schwor, eine Brücke errichten zu lassen. Und die hat es in sich, vor allem wenn man sie mit den anderen acht eher funktionellen Donaubrücken Budapests vergleicht.


Die Széchenyi-Kettenbrücke
Die Széchenyi-Kettenbrücke. (Bild: Avi Bitton / shutterstock)

4. Zeugnisse jüdischen Lebens

Ebenfalls nicht wegzudenken aus der europäischen Geschichte sind die Juden. Kaum vorstellbar ist heute, dass Budapest einst die Heimat mehrerer hunderttausend Juden war. Immerhin ist die jüdische Präsenz in Budapest noch recht stark. Da ist die Synagoge an der Dohány utca, ihres Zeichens grösste Synagoge Europas, nebst einigen anderen optisch herausstechenden Synagogen; da sind aber auch jüdische Restaurants und Läden.


DIe grosse Synagoge an der Dohányi utca von innen.
DIe grosse Synagoge an der Dohányi utca von innen. (Foto: Alin Cucu)

Natürlich ist die Geschichte der europäischen Juden auch mit einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte überhaupt verbunden, der Shoa (Holocaust). Auch hierzu finden sich in Budapest zahlreiche Gedenkstätten rund um die Grosse Synagoge. Wärmste Empfehlung: Buchen Sie eine Kleingruppenführung durch die Grosse Synagoge und das jüdische Viertel.

5. Weihnachtsmarkt

Nach all den erhabenen historisch-kulturellen Markern wirkt dieser Punkt fast banal. Nun, zugegeben, ein bisschen entspringt er schon meinem Faible für Weihnachtsmärkte; allerdings, auf den zweiten Blick haben Weihnachtsmärkte doch mehr mit der europäischen Identität zu tun als man meint. Immerhin verschmelzen hierbei Einflüsse des Christentums sowie anderer, z.T. heidnischer Traditionen zu einem Mix, der Gemütlichkeit, Zusammenhalt und einen nicht nur kalendarischen Fixpunkt bietet. Budapest jedenfalls hat einen der stimmungsvollsten Weihnachtsmärkte, die ich kenne; ein bisschen kitschig zwar, aber liebenswert.


Der Budapester Weihnachtsmarkt mit St.Stephans-Basilika.
Der Budapester Weihnachtsmarkt mit St.Stephans-Basilika. (Foto: Alin Cucu)

Und: Er dominiert die gesamte Vorweihnachts- und Weihnachtszeit, mit einer Zeitspanne von Mitte November bis Ende Dezember. Es lohnt sich also durchaus, Budapest im Dezember zu besuchen. Dann ist es nicht so brütend heiss wie manchmal im Sommer, und die Nationalspezialität Kürtos Kalács (eine Art süsses Stockbrot) schmeckt dann, warm und mit Zimt, noch besser. Und sind nicht auch lokale Spezialitäten etwas genuin Europäisches? Eben.

 

Titelbild: TTstudio / shutterstock.com

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