Einziges Ziegelei-Museum in der Schweiz

In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wäre beinahe ein schützenswertes Objekt, welches heute ein beliebtes Ausflugsziel für Familien, Gruppen und Vereine ist, abgebrochen worden: die Ziegelhütte in der Gemeinde Cham im Kanton Zug. Als einziges Ziegelei-Museum der Schweiz gibt es Einblicke in das uralte Ziegeleihandwerk. Führungen und Ausstellungen erwarten die Besucher ebenso, wie Workshops und Spielplatz.

Hier dreht sich alles um Lehm. Zieglerkurse laden Jung und Alt ein, selbst aktiv zu werden und mit eigenen Händen eine Lehmskulptur oder einen Ziegel geschaffen werden. Wie könnte man besser einen Einblick in die Geschichte des ältesten Baustoffes und der damit verbundenen handwerklichen Tätigkeiten erhalten?

Das Areal war heruntergekommen, der Zahn der Zeit hatte an dem Gebäude schon kräftig genagt und das Gelände zwischen der Ziegelhütte und dem Wohnhaus wurde als Aushubdeponie genutzt. 1975 würdigte Dr. Josef Grünenfelder vom kantonalen Amt für Denkmalpflege die Ziegelhütte mit den Worten: „Es gehört zu den Eigenheiten solch technischer Anlagen, dass an ihnen nichts Geschnitztes oder Gemaltes ist. Sie sind funktionelle, aus dem Bedürfnis geborene Bauten, mit einfachsten Mitteln hergestellt und trotzdem gut proportioniert, ähnlich wie die Bauernhäuser und ihre Nebengebäude.“ (Quelle: www.ziegelei-museum.ch)

Die ehemalige Lehmgrube, heute ein Biotop, muss unbedingt geschützt werden, fand der Naturschutzbund, die heutige Pro Natura Zug. Und das Amt für Denkmalpflege wollte keineswegs zusehen, wie ein aussergewöhnliches technisches Denkmal, wie es die Ziegelhütte darstellt, abgerissen wird. Mit grossem Engagement setzten sich Denkmalpfleger und Naturschützer gemeinsam Ende der 70er Jahre für den Erhalt der alten Ziegelei ein und bewahrten sie vor dem Abbruch. Seit 1978 stehen die Ziegelhütte und das Biotop unter Schutz.


Ausstellungsraum im Ziegelei-Museum. (Bild: Alfons Gut, Alfred-Müller AG)

Die Entwicklung der Ziegelei Lörch bis heute

Die Ziegelherstellung am östlichen Rand der Reussebene hat eine weit zurückreichende Tradition: Bereits 1645 wurde hier Lehm gewonnen, um daraus Ziegel zu brennen. Martin Lörch erwarb das Areal im Jahre 1873. Er erstellte im gleichen Jahr die Ziegelhütte und 1879 folgte das Wohnhaus. 1896 konnte die Hütte mit dem Abfallholz erweitert werden, welches von Häusern stammte, die die Zuger Seekatastrophe zerstört hatte. 1899 kam ein Stall mit einer Scheune hinzu.

In dem Wohnhaus lebten bis in die 70er-Jahre Nachkommen Lörchs. Erst 1960 wurde ein Bad eingebaut und gab es somit erstmals WC und fliessend Wasser. Den ehemaligen Stall, der als solcher nicht mehr genutzt wurde, baute man in Waschküche und Garage um. Durch einen weiteren Umbau entstanden neue Wohnräume im Obergeschoss. 1982 brannte die ehemalige Scheune ab. Am gleichen Ort und mit demselben Bauvolumen entstand 2012 das heutige Ziegelei-Museum. Somit besteht das Ensemble aus Museumsneubau, altem Wohnhaus und der ehemaligen Ziegelei. In dem Biotop siedelten sich im Laufe der Zeit seltene Tiere und Pflanzen an.


„Rollwägeli-Fahren“ im Ziegelei-Museum (Bild: Alfons Gut, Alfred-MüllerAG)

Wie die Arbeit mit Lehm in der Ziegelhütte vonstatten ging

Lehm wird seit Menschengedenken als Baustoff verwendet. Es ist beeindruckend, was schon vor Tausenden von Jahren aus Lehmziegeln errichtet wurde. Bis heute ist er in manchen Regionen der Welt das am meisten verwendete Baumaterial. Grosse, bedeutende Bauwerke, wie die Grosse Moschee von Djenne in Mali wurden aus Lehmziegeln und Lehm errichtet. Backsteine, ein in Mitteleuropa vor allem bis in die 1950er Jahre häufig verwendetes Baumaterial, bestehen aus geformtem und verfestigtem Lehm. In alten Riegelhäusern findet man lehmverputzte Innenwände oder Geschossdecken. Lehmanstriche sind ausserdem ideal für Keller und Scheunen.

Aber zurück in den Kanton Zug: Aus der Sumpfgrube kam der aufbereitete Lehm in die Werkstatt des Zieglers. Er formte das Material mit einem simplen Modell und stellte Bodenplatten, Kaminsteine, Backsteine oder Dachziegel her. Zum Trocknen kamen diese in ein Trockengestell. Waren die Rohlinge getrocknet, mussten sie gebrannt werden. Dafür gab es einen speziellen Brennofen. Seit dem späten Mittelalter waren Kammeröfen üblich. Diese wurden erst später durch die industrielle Revolution ersetzt und heute wird die Ziegelherstellung sogar computergesteuert.

Die im Kammerofen gebrannten Ziegel der Ziegelhütte Lörch wurden aufgrund ihrer hervorragenden Qualität vor allem von Ofenbauern sehr geschätzt. So ein Brand dauerte tagelang, wobei er permanent überwacht werden musste. Diese Arbeit konnte nur ein erfahrener Ziegler ausführen, musste doch die Temperatur von 800 bis 1000 Grad eine Weile gehalten werden. Thermometer gab es dafür keine, die Temperatur wurde aufgrund von Glutfarbe geschätzt. Das Volumen der Ziegel zeigte dem Ziegler an, wie sein Garzustand ist. Erst nach einer Woche konnten die nun abgekühlten Steine aus dem Ofen geholt werden.


Mauerbau für Gross und Klein im Ziegelei-Museum (Bild: Regina Goll)

Was die einzige Handziegelei im deutschsprachigen Raum heute bedeutet

Als einzige erhalten gebliebene Handziegelei im gesamten deutschsprachigen Raum bekommt das Ziegelei-Museum auch ausserhalb unserer Landesgrenzen Aufmerksamkeit. Im Sommer 2014 trafen sich internationale Fachleute. Naturwissenschaftler, Ingenieure, Archäologen, Kunsthistoriker und Fachkräfte aus der Ziegelindustrie tauschten sich aus. Der Schwerpunkt waren dabei Ziegel des Früh- und Hochmittelalters. Beeindruckt besuchten die Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, Holland, der Slowakei und der Schweiz das im Sommer 2013 eingeweihte Museum bei Cham.

Im Museum wächst die Ziegel-Sammlung immer weiter: Backsteine, Bodenplatten und Ziegel aus Ausgrabungen und von historischen Gebäuden werden dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug übergeben. Ausgewiesene Spezialisten inventarisieren sie und dürfen sich über ein paar aussergewöhnliche Schätze freuen: Dazu zählt auch der älteste Dachziegel, der dank einer Inschrift sein Alter bekannt gibt. Es handelt sich um einen Dachziegel des Turmdaches der Burg Zug. In ihn wurde die Jahreszahl 1489 eingeritzt.



Ein Besuch im Ziegelei-Museum zeigt alle Facetten des uralten Handwerkes und des Baumaterials Lehm. Es ist ein Museum, in welchem nicht nur geschaut werden darf, sondern wo ein Jahresprogramm wechselnde Kurse anbietet. In der heutigen Zeit, wo der Wohntrend wieder hin zu natürlichen Baustoffen geht, bekommt Lehm von Neuem eine Bedeutung, die er in den letzten Jahrzehnten nicht hatte. Der alte Baustoff wird neu entdeckt. Nur die Verarbeitung ist natürlich nicht mehr die gleiche.

 

Oberstes Bild: Das Ziegeler-Beizli mit Terrasse (© Alfons Gut, Alfred-Müller AG)

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