Gotland - Ein Inseltraum auf Schwedisch
VON Winfried Meyer Alle Länder Europa
Landschaftlich hat Gotland keine ausgesprochenen Höhepunkte zu bieten. Allerdings ist die aus einem Kalksteinplateau bestehende Insel keinesfalls langweilig. Sie ist vielmehr von einer spröden Schönheit, die über eine artenreiche Naturlandschaft verfügt. Hervorzuheben sind eine vielfältige Vogelwelt und die zahlreichen Orchideenarten, die hier vorkommen und auf den kargen Böden ausgezeichnete Lebensbedingungen vorfinden.
Strände und herrliche Bademöglichkeiten befinden sich vor allem an der Westküste der Insel, die im Übrigen ein ausgesprochen mildes Klima besitzt. Bei rund 2´000 Sonnenstunden im Jahr ist das nicht weiter verwunderlich, nirgendwo sonst in Schweden scheint so viel die Sonne wie hier. Gotland ist eine fantastische Ferieninsel, die wir mit Sicherheit nicht zum letzten Mal besucht haben. Und wer vielleicht noch zögert und denkt, in Schweden sei es kalt und dunkel, der sollte sich unbedingt vom Gegenteil überzeugen.
Prächtiges Erbe der Hanse
Visby, die Hauptstadt der Insel Gotland, war einst Mitglied in der mächtigen Hanse. Bei einem Rundgang durch die Stadt stellt man schnell fest, dass die Stadt im Mittelalter sehr wohlhabend war. Schon die Stadtmauer, die rund um die Altstadt noch komplett erhalten ist, macht einen mächtigen Eindruck. Und der täuscht auch nicht, denn sie ist mehrere Meter hoch und ziemlich breit. Zudem wird sie noch durch etwa 50 gewaltige Türme gekrönt und machte auf uns den Eindruck einer uneinnehmbaren Festung. Innerhalb der Stadtbefestigung herrscht ein Wirrwarr aus mittelalterlichen Gässchen mit niedlich anmutenden Fachwerkhäusern und imposanten Kaufmannshäusern, die von Treppengiebeln geziert werden. Das mittelalterliche Kleinod, das völlig zu Recht zum Weltkulturerbe erklärt wurde, hat aber noch mehr Überraschungen zu bieten. Fast bizarr wirken die mehr als zehn Kirchenruinen, die sich in der Altstadt befinden. Skeletten gleich überragen sie die Gebäude der Stadt und stammen allesamt aus dem Mittelalter. Es stehen nur noch die Fassaden mit ihren riesigen Fenstern, die längst kein Glas mehr besitzen. Abgerundet wird das stimmige Bild des alten Visby durch zahlreiche Wirtshäuser und Herbergen, die auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurückblicken können.
Tolles Spectaculum bei der Mittelalterwoche in Visby
Freunde mittelalterlichen Lebens sollten sich nicht scheuen, einmal den Weg zum grössten Mittelalterspektakel Europas auf sich zu nehmen. Es findet alljährlich im August in der 32. Kalenderwoche statt und wir genossen es in vollen Zügen, bei diesem Event dabei zu sein. Dabei spielte uns der Zufall in die Karten, denn wir erfuhren erst davon, als unser letzter Schwedenurlaub längst geplant war. Allerdings organisierten wir unseren Aufenthalt in Gotland nachträglich noch entsprechend. In jedem Fall werden wir den Aufenthalt in Visby nicht vergessen, als Marketender, Gaukler, Bettler und einfaches Fussvolk die verwinkelten Gassen der Altstadt bevölkerten und die Geschichte um ein paar hundert Jahre zurückdrehen. Selbst Bogenschützen und Ritter finden den Weg nach Visby. Man fühlt sich wirklich in eine vergangene Zeit versetzt, denn zahlreiche Marketender bieten unterschiedlichste Waren feil, Gaukler treiben mit „Fremden“ ihren Schabernack und Handwerker lassen sich über die Schulter schauen. Besucher können dabei sogar selbst ihre Fingerfertigkeit ausprobieren. Natürlich dürfen bei einem solchen Spectaculum auch Ritterturniere nicht fehlen, die mehrmals täglich vor den Toren der Stadt ausgetragen werden. Wir hatten tatsächlich den Eindruck, dass inmitten der historischen Kulisse das Mittelalter wieder lebendig wurde und auch unsere kleine Tochter genoss die Atmosphäre sichtlich.
Raukar – die Wahrzeichen Gotlands
Vor allem im Norden der Insel Gotland und auf der Nachbarinsel Fårö, die nur durch einen schmalen Kanal voneinander getrennt sind, befinden sich die eindruckvollsten Raukar. Es sind bizarr aussehende Kalksteinformationen, die bis zu zehn Meter hoch sein können und die unterschiedlichsten Formen haben. Vor allem im Naturschutzgebiet Langhammars auf Fårö stehen die Raukar in grosser Anzahl und bieten während des Sonnenuntergangs einen wahrhaft mystischen Anblick. Man wähnt sich fast auf die Osterinsel versetzt, deren Steinköpfe ja weltberühmt sind. Ein Ausflug, den man nicht versäumen sollte. Und wenn man schon mal hier ist, darf der Besuch des gotländischen Fischerdorfes Helgumannen nicht fehlen. Es ist eine typische Fischerstelle, die nur saisonal genutzt und noch heute teilweise betrieben wird.
Die schon mit reichlich Patina versehenen Holzhäuser und die historisch anmutenden Ruderboote sind fantastische Fotomotive. Neben herrlichen Sandstränden beeindrucken an der Westküste von Gotland auch die felsigen Steilküsten. Und sie sehen nicht nur wunderschön aus, sondern sie bergen auch noch ein kleines Geheimnis, was vielleicht für Fossiliensammler gar keines ist. Die Abbruchstücke sind übersät mit Versteinerungen, die aus dem Silur stammen. Uns selbst war das gar nicht bewusst. Wir spazierten am Strand entlang und waren auf der Suche nach Klappersteinen und sonstigem Strandgut und wurden erst darauf aufmerksam gemacht. Wir liessen uns dann nicht lange bitten und sammelten einige Bruchstücke ein, die mit Fragmenten von Seelilien, Trilobiten und Fragmenten verschiedenster Schalen regelrecht übersät sind. Das sind schöne Mitbringsel, die noch heute neben einem riesigen Feuerstein aus Rügen meinen Schreibtisch zieren.
Oberstes Bild: Landschaft auf Gotland (Bild: neekoh.fi, Wikimdia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“][vc_gmaps type=“m“ zoom=“14″ link=“https://maps.google.ch/maps?q=Gotland,+Schweden&hl=de&sll=46.362093,9.036255&sspn=6.012101,9.876709&oq=gotland&hnear=Gotland&t=m&z=9″ size=“350″]