La Boca - die bunte Seite von Buenos Aires
von Andrea Rathjen Alle Länder Südamerika
Wenngleich La Boca heutzutage Touristen aus aller Welt anzieht und sich zu einem Aushängeschild von Buenos Aires entwickelt hat, verströmt das „touristische“ Viertel von Buenos Aires immer noch einen ganz eigenen Charme, und auch der italienische Einfluss, ein Erbe genuesischer Einwanderer, ist in La Boca bis heute zu spüren. Rund um die Museumsstrasse Caminito erwarten italienische Restaurants ihre Gäste mit Spezialitäten aus der Heimat ihrer Vorfahren, während wenige Meter entfernt die Schiffe auf dem Riachuelo-Fluss wie zu Zeiten der Einwanderer von der Nähe zum Meer zeugen.
La Boca ist jedoch auch ein problembehafteter Stadtteil, der für seine hohe Kriminalitätsrate bekannt ist. Die weniger touristischen Teile des traditionellen Arbeiterviertels zeigen das andere, weniger herausgeputzte Gesicht von Buenos Aires, einer Stadt, die weltweit bekannt ist für ihr vielfältiges kulturelles Leben, die prachtvolle Architektur und ein pulsierendes Nachtleben.
Vom Einwandererviertel zur Touristenattraktion
La Boca entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem bis dahin praktisch unbewohnten Gebiet, das im Durchfahrtsbereich der grossen Einwandererschiffe lag. Auf diese Weise entwickelte sich das neue Viertel schnell zu einem Zentrum europäischer Einwanderer und erhielt seine bis heute charakteristische Struktur. Dass La Boca mittlerweile zu einer farbenfrohen Sammlung von Wellblech- und Holzhäusern geworden ist, ist vor allem dem örtlichen Künstler Benito Quinquela Martín zu verdanken. 1959 bewegte er die Anwohner der Strasse Caminito dazu, ihre Häuser in leuchtenden Farben zu streichen, um dem einstigen Schandfleck des Viertels ein neues, fröhlicheres Gesicht zu geben.
Die Fussgängerzone Caminito ist heute das Herzstück von La Boca und wird gesäumt von Cafés, Ateliers und Restaurants, während Tangotänzer und ausstellende Künstler sich auf der Strasse mit Besuchern aus aller Welt abwechseln. Auch der Name „El Caminito“ stammt von Benito Quinquela Martín, der die von ihm neugeschaffene Museumsstrasse nach einem gleichnamigen Tango benannte. Seine eigenen Werke sind heute in La Boca im Museo Benito Quinquela Martín ausgestellt. Im Jahr 1996 wurde in La Boca ausserdem die Fundación PROA eröffnet, ein Museum für moderne Kunst, das von einem eigenen Terrassencafé aus auch einen herrlichen Ausblick über den Hafen und das Viertel bietet.
Die Republik La Boca
Auf den ersten Blick mag das ärmliche Arbeiterviertel La Boca zwar eher bescheiden wirken; tatsächlich war das Ufer des Riachuelo in der Vergangenheit aber bereits Schauplatz geschichtsträchtiger Ereignisse. Unbestrittener Höhepunkt der Stadtteil-Geschichte: die Ausrufung der Republik von La Boca im Jahr 1882, die einen Generalstreik zum Auslöser hatte und mit der Sonderstellung des italienisch geprägten Viertels zusammenhing. Die Italienische Gesellschaft von La Boca beschloss damals in einer Sondersitzung, dass den argentinischen Staat rein italienische Angelegenheiten nichts angingen, und rief in dem fast ausschliesslich von Genuesen bewohnten Stadtteil die Unabhängige Republik von La Boca aus.
Über die Unabhängigkeitserklärung wurde umgehend Meldung an den italienischen König gemacht und auf einem städtischen Platz die genuesische Flagge gehisst. Mit der Republik von La Boca war es allerdings schnell wieder vorbei, denn als der damalige argentinische Präsident Julio Roca von der Sache erfuhr, begab er sich umgehend nach La Boca und zog die genuesische Flagge eigenhändig wieder herunter. Angeblich soll er bei dieser Gelegenheit auch gleich die Abtrünnigen von der Unsinnigkeit ihres Verhaltens überzeugt haben.
Besuch in der „Pralinenschachtel“
Eine der grössten Attraktionen von La Boca ist unbestritten La Bombonera, die „Pralinenschachtel“. Wer bei dem Namen an Süsses denkt, täuscht sich jedoch, denn La Bombonera ist das Heimatstadion des argentinischen Erstligaclubs Boca Juniors und wohl eines der aussergewöhnlichsten Stadien weltweit. Mitten im Häusergedränge von La Boca stand Ende der 1930er Jahre nur wenig Platz für den neuen Stadionbau zur Verfügung, sodass La Bombonera seit seiner Einweihung im Jahr 1940 durch seine ungewöhnliche rechteckige Form und seine Enge auffällt. Der rechteckigen Form verdankt die „Pralinenschachtel“, eigentlich Estadio Alberto Jacinto Armando, auch ihren Spitznamen.
La Bombonera ist in Buenos Aires und in ganz Argentinien aus zwei Gründen legendär: einerseits aufgrund der Nähe zwischen Spielfeld und Tribünen, die nicht nur für die Zuschauer ein ganz besonderes Erlebnis ist, sondern auch die Wirkung der Fangesänge um ein Vielfaches verstärkt. So manch eine gegnerische Mannschaft soll von der „Hölle“ in la Bombonera schon eingeschüchtert worden sein. Andererseits sind der Club und das Stadion der Boca Juniors aber auch untrennbar mit dem Namen Diego Maradona verbunden. Argentiniens Fussballlegende feierte in den 1980er Jahren einige seiner grössten Erfolge mit den Boca Juniors, darunter die argentinische Meisterschaft 1982 und die Wahl zum argentinischen Fussballer des Jahres. Heute ist Maradona im vereinseigenen Museum im Stadion ein ganzer Saal gewidmet.
Oberstes Bild: Bunte Häuserfronten am Caminito (Bild: Rod Waddington / Wikimedia / CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“ color=“grey“]