Schlechte Stimmung auf Reisen: 5 Tipps, wie du damit umgehst
VON Julia Schattauer Allgemein
Du sitzt am pulverweichen Strand, Palme im Hintergrund, türkisfarbenes Wasser spült um deine Beine. Du bist hoch oben auf dem höchsten Hochhaus der Stadt, unter dir tobt das verrückte Stadtleben dieser Metropole. Alles scheint perfekt, die Kulisse stimmt, doch irgendwie ist von der Euphorie nicht viel zu spüren. Monatelang hast du auf diesen Ausblick gewartet und jetzt kannst du es nicht geniessen. Kennst du das Gefühl?
Manchmal, da läuft es nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. So ist das in der Arbeit, in der Liebe und eben auch auf Reisen.
Von der Couch lassen sich die grössten Abenteuer planen, die schönsten Geschichten erträumen und Pläne schmieden. Wie das Ganze dann in Malaysia, Nepal oder Mexiko aussieht, ist eine ganz andere Sache.
Ich weiss noch ganz genau, wie ich mir das Leben in Goa ausgemalt habe: mit bunten Gewändern am Strand sitzend, in der Hand eine Gitarre, zusammen mit Leuten, deren Geschichten mein Herz berühren. Ich war so von meinen Vorstellungen beeinflusst, dass ich in Indien schliesslich ganz ungeduldig war und verkrampft, weil nicht alles so hippiemässig locker-flockig war.
Man kann gute Stimmung und tiefgehende Gespräche und Ferienstimmung nicht erzwingen. Und so stand ich mir mit meinen Erwartungen selbst im Weg.
Die zwei Monate in Indien stellte ich mir von Zuhause aus wie ein Roadmovie vor. Die Route fliessend, getragen von der Stimmung, vorübergehend im Flug.
Doch in der Realität stocken Reisen. Nicht immer läuft alles rund, nicht immer trägt einen der Spirit von einem Ort zum nächsten. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, Dinge gehen schief. Züge verspäten sich, Flüge werden gecancelt, das Wetter ist mies, es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Äussere und innere Umstände können da manchmal ganz schön in die Quere kommen.
Und dann muss man schauen, wie man damit umgeht. Denn noch einmal: Reisen ist nicht immer das Paradies auf Erden, doch an dir liegt es, was du daraus machst.
Wie du mit Rückschlägen und negativen Dingen auf Reisen umgehst:
1. Durchatmen und annehmen
In Chiang Mai wohnten wir in einem tollen Holzbungalow mit Balkon. Auf diesem war auch das Waschbecken und der Spiegel angebracht. Ein richtig cooles Outdoorbad, glücklicherweise mit Indoortoilette. Das wollte ich natürlich festhalten. Beim Zähneputzen stellte ich die Kamera auf das Balkongeländer, um mich mit Selbstauslöser zu knipsen.
Ihr ahnt es, das nagelneue, extra für die Reise gekaufte, Ding ist runtergefallen, futsch.
Du kennst das sicher auch: Deine Kamera wurde gestohlen? Es regnet wie aus Eimern? Du hast den Flug verpasst? Gerade auf Reisen gibt es genügend Gelegenheiten für Missgeschicke und ärgerliche Zwischenfälle.
Klar, das ist doof und du hast alles Recht dich zu ärgern. Mach deinem Frust Luft, weine, schreie und wenn alles raus ist, dann akzeptiere es. „Hätte ich besser aufgepasst“und „Wären wir nur früher los“ bringen da gar nichts. Es ist wie es ist. Basta.
2. Mal einen Schritt zurück und Abstand nehmen
Wenn ich mich über etwas ärgere, dann tendiere ich dazu, mich immer wieder in die Sache hineinzusteigern. Ich erzähle jedem davon, schimpfe und motze und verbringe Stunden damit, mir noch einmal in Erinnerung zu rufen, wie doof doch alles gelaufen ist. Auch das macht die Sache nicht besser.
Mir hilft es, mich für eine Weile ganz zurückzuziehen. Nicht darüber reden, nicht ständig daran denken. Also mache doch einfach mal das Handy aus, gehe weg von Freunden und gehe mal eine Weile spazieren.
Versuche Distanz zu bekommen und überlege: Wie akut schlimm ist die Situation wirklich. Meist stellt sich heraus, dass eigentlich alles halb so wild ist.
Und wenn es doch schlimm ist? Ich habe in Indien eine wirklich unschöne Nachricht von meiner Familie erhalten, die mich sehr mitgenommen hat. Auch hier hat es mir viel geholfen, mich für ein paar Stunden ganz alleine mit der Situation auseinanderzusetzen.
3. Look on the bright side. Auf das Positive fokussieren!
Als wir in Frankfurt am Flughafen den Flieger in Richtung Indien nehmen wollten, fegte ein Schneesturm über halb Deutschland, der komplette Flugverkehr war unterbrochen und unser Flug 10 Stunden verspätet. Klar, das war nervig. Aber es hatte auch seine guten Seiten.
Wir mussten in Sharjah zwischenlanden und konnten einen ganzen Tag in einem Luxushotel der Extraklasse verbringen. Wir hätten uns so einen Nobelschuppen niemals leisten können und gerade vor Indien konnten wir den Luxus richtig geniessen.
Aus nervigen Situation können sich ganz häufig tolle Möglichkeiten ergeben. Während man auf den nächsten Bus wartet, weil man den eigentlichen verpasst hat, trifft man vielleicht eine nette Reisebegleitung. Man bekommt in der Unterkunft gesagt, dass das gebuchte Zimmer schon längst vergeben ist, findet aber dafür den tollsten Bungalow der ganzen Reise. Man hat Heimweh und vermisst bestimmte Personen ganz fürchterlich und merkt erst so, wie wichtig einem diese tatsächlich sind.
Man lernt dazu, man merkt, was einem wichtig ist. Und dafür lohnen sich ein paar Strapazen doch.
4. Mach was. Zeit zu handeln
In Panjim hatte ich einen Tiefpunkt. Wir waren schon drei Wochen in Indien unterwegs und ich hatte mich bis dahin weder mit dem Strassenverkehr noch mit der offensiven Art der Menschen angefreundet und dazu hatte ich auch noch Heimweh, weil ich wusste, dass mir noch sechs Wochen Reise bevorstehen und ich zu diesem Zeitpunkt irgendwie schon keine Lust mehr hatte.
Auf der Suche nach einem passablen Hotel stand ich mal wieder total eingeschüchtert an der Strasse, unfähig sie zu überqueren. Nachdem mir ein älterer Herr, auch mal wieder, über die Strasse geholfen hatte, ging ich zum Hotel und dort lag mitten auf dem Bürgersteig ein Mann und machte Mittagsschlaf. Seine Hose hatte er dabei offen und lieferte unpassende Einblicke. Ich war geschockt, verärgert und genervt.
Ich ging schnurstracks ins Hotelzimmer und wollte am liebsten gar nicht mehr raus. Ich wollte mich verstecken. Nachdem ich mich etwas abgeregt hatte fasste ich einen Entschluss: Offensiv sein. Ich wollte mich nicht einschüchtern lassen, weder von Männern noch vom indischen Strassenverkehr. Und von meinem Heimweh wollte ich mich schon gar nicht bremsen lassen.
So lange hatte ich auf diese Reise hingefiebert und so schnell wollte ich mich nicht unterkriegen lassen. Also gab ich mir selbst einen Tritt in den Allerwertesten und sagte mir: Reiss‘ dich mal ein bisschen zusammen. Und siehe da, es klappte. Ich hatte immer wieder schwierige Momente, doch ich versuchte ihnen mutig die Stirn zu bieten.
5. Erfahrungen machen und reflektieren
Meine Erfahrungen in Indien, die ich grade beschrieben habe, waren anstrengend für mich. Indien generell war anstrengend für mich. Das Umgehen mit ungewohnte Situationen und Rückschlägen erfordert Kraft. Und ich habe mich oft schwach gefühlt.
Erst im Nachhinein konnte ich den Sinn in vielen Dingen erkennen. Der Tropensturm in Thailand hat mir eine Heidenangst eingejagt, doch heute, im Nachhinein betrachtet, ist er nicht nur eine prima Geschichte, der Ausnahmezustand zeigte mir, wie freundlich und aufopfernd die Thailänder sich um uns gekümmert haben. Dies ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben und die Jungs haben einen echten Platz in meinem Herzen und meine grösste Dankbarkeit.
Im Nachhinein sind die meisten negativen Ereignisse halb so schlimm. Dann kann man reflektieren und erkennen, was man in den Situationen für sich mitgenommen hat. Egal wie nervig oder schlimm bestimmte Erfahrungen waren, was zählt ist, was man daraus gelernt hat.
Ich denke oft an meine kleinen Nervenzusammenbrüche in Indien und sehe jetzt, wie sehr ich in dieser Zeit gewachsen bin. Meine Schwächen dort haben mich hier stärker gemacht.
Artikelbild: © Julia Schattauer / bezirzt.de