Kapellbrücke in Luzern: Wahrzeichen der Stadt und wirkungsvolles Werbeschild

Luzern erfreut seine Besucher durch unglaublich viele Sehenswürdigkeiten. Doch den Höhepunkt jeder Stadtführung stellt der Spaziergang durch die Luzerner Kapellbrücke dar. Normalerweise steht die Besichtigung der Kapellbrücke entweder als Erstes auf dem Plan, um die Besucher gleich von Anfang an sprachlos vor Begeisterung zu lassen, oder sie kommt als Letztes, wahrscheinlich als Totschlagargument für diejenigen, die noch einen leisen Schimmer Zweifel daran haben, dass Luzern wahrlich eine der schönsten Städte auf der Welt sei.    

Die malerische Kapellbrücke verbindet durch die durch die Reuss getrennten Stadtteile Luzerns, die Altstadt und die „mindere Stadt“, wie man früher die Neustadt nannte. Sie wurde 1365 erbaut und ist somit die älteste Holzbrücke Europas. Als Wehrgang konzipiert, war sie ein wichtiger Teil der Stadtbefestigung.

Die Kapellbrücke ist mit ihren 202,9 Metern die zweitlängste Holzbrücke Europas nach der Holzbrücke Badsäckingen, die die deutsche Stadt mit der Gemeinde Stein in der Schweiz verbindet. Früher war die Kapellbrücke sogar noch länger. Doch wurde Anfang des 19. Jahrhunderts das Ufer aufgefüllt und um 1835 ein ungefähr 75 Meter langes Stück der Brücke abgebrochen.


Blumenpracht an der Kapellbrücke in Luzern (Bild: Joergsam, Wikimedia, CC)

Die Kapellbrücke ist in jeder Hinsicht sehr imposant, was aber am meisten beeindruckt, sind die dreieckigen Gemälde, die auf der ganzen Länge im Giebel der Brücke angebracht sind.  Ursprünglich bestand der Bilderzyklus aus 158 Malereien, aber nach der Verkürzung der Brücke waren hier nur noch 110 zu sehen. Die dreieckigen Bilder wurden auf Holztafeln aus Linde, Birke oder Fichte gemalt.

Künstlerisch gesehen waren die Gemälde keine Meisterwerke, die Kenner ins Schwärmen würden geraten lassen. Ausserdem war ein Teil der Bilder während des Hochwassers 1741 zerstört und dann nachgemalt worden. Aber auch die erhalten gebliebene Originale wurden zum Teil mehrmals übermalt.

Viel faszinierender ist die Entstehungsgesichte des Bilderzyklus. Nachdem Luther 1520 seine reformatorischen Hauptschriften entwickelt hatte, wurde die ursprüngliche Eidgenossenschaft durch die neuen Ideen gespaltet. Während die meisten Städte der Eidgenossenschaft reformiert wurden, bewahrte Luzern dem katholischen Glauben die Treue.

Die Stadtobrigkeit wollte im Zuge der Gegenreformation den Ketzern die Stirn bieten und hat wahrscheinlich eine der ersten Werbekampagnen in der Geschichte angefangen. Jedes Stadtratsmitglied samt Gattin konnte eine Tafel stiften (so schön hiess damals „sponsern“). Es gab sogar ein Logo und einen Slogan: Links unten ist das Wappen des Spenders und auf der gegenüberliegen Seite das seiner Gemahlin zu sehen, und unten im Rahmen jedes Bildes ist eine erläuternde Inschrift angebracht, damit nun wirklich keine Unklarheiten bleiben.


Tafel in der Kapellbrücke von Luzern (Bild: MatthiasKabel, Wikipedia, CC)

Als Motive für den Bildzyklus wurden glorreiche Ereignisse aus der Geschichte Luzerns und der Eidgenossenschaft, die vor kurzem noch im Schoss des „einzig wahren“ katholischen Glaubens ruhte, gewählt. „Der gute Schweizer“, der fromm lebt und auch mal als Söldner im Auftrag der römischen Kirche in den Krieg geschickt werden kann, war der Protagonist dieser Bilderserie, die durchaus als Comic verstanden werden kann. So sollte jeder Stadtbewohner beim Passieren der Brücke an die Höhepunkte der Stadtgeschichte erinnert, und deswegen mit Stolz erfüllt und in der Bereitschaft, die Werte der Heimatstadt zu verteidigen, gestärkt werden. Ausserdem wurden auf den Holztafeln das Leben und Sterben des Luzerner Stadtpatrons, des Heiligen Leodegar, und des Schutzpatrons der Schweiz, des Heiligen Mauritius,  dargestellt.

Gleich die erste Tafel am linken Ufer der Reuss neben der Jesuitenkirche zeigt den berühmten Riesen von Reiden, den legendären Ur-Luzerner, auch „der wilde Mann“ genannt. Once upon a time pflügte ein Bauer in der Nähe von Luzern sein Feld und fand riesige Knochen. Natürlich hatte keiner eine wissenschaftliche Analyse des Fundes durchgeführt, die gezeigt hätte, dass es sich um Mammutknochen handelte. Nein, die Schlussfolgerung des Bauer und mit ihm aller furchtlosen Luzerner, die plötzlich eine ausgezeichnete Erklärung für eigene Furchtlosigkeit gefunden hatten, war die folgende: Die Vorfahren der Luzerner waren Riesen. Ein Riesenirrtum und ein cleverer Werbegag der städtischen Brücken-Propaganda: Denn welcher Luzerner würde sich vor seinen häretischen Nachbarn fürchten, wenn er von Riesen abstammt.


Der „wilde Mann“ von Luzern (Bild: MatthiasKabel, Wikimedia, CC)

1993 brannte die Luzerner Kapellbrücke zum Schrecken der erschütterten Weltgemeinschaft fast komplett nieder. Was den Brand ausgelöst hat, konnte mit Sicherheit nicht festgestellt werden. Nach einer Version war es eine Zigarette, die auf eine Bootsplane fiel. Aber auch die Version mit der Brandstiftung war nicht aus der Welt zu schaffen, denn zwei Jahre vor dem Brand war eine anonyme Drohung, die Kapellbrücke in Flammen zu setzen, bei der Stadt eingegangen.



Ob die Brücke wiederaufgebaut werden sollte, war auch nicht gleich klar. Es gab Vorschläge, die Ruine als Mahnmal stehen zu lassen, oder eine neue Brücke aus Plexiglas zu bauen. Doch zum Glück fand sich eine viel bessere Lösung: Ein Bauunternehmen hatte Ende der 60er Jahre die Brücke komplett renoviert, und deswegen lagen sehr detaillierte Pläne der Brücke bereits vor. Ausserdem hatte man nach den eingegangenen Branddrohungen in einer heimlichen Aktion alle Bilder der Kapellbrücke nochmals farblich fotografiert. Somit konnte man ohne grosse Schwierigkeiten Kopien von den 81 der 111 unrettbar zerstörten Gemälde anfertigen. Ausserdem besass die Stadt noch weitere Originale, die nach der Verkürzung der Brücke Anfang des 18. Jahrhunderts nur als Museumsexponate dienten.


Kapellbrücke, Bereich in dem 1993 der Brand ausbrach (© Chriusha, Wikimedia, CC)

Die Reaktionen auf den Brand in Luzern waren unglaublich. Die Stadt bekam tausende Briefe aus der ganzen Welt, viele davon enthielten Geldscheine. Es wurde auch ein Spendenkonto eingerichtet und innerhalb kürzester Zeit konnte die Kapellbrücke wieder aufgebaut werden.

Und wieder einmal die Ironie der Geschichte: der Brand erwies sich als ausgezeichnete Werbung für Luzern. Die Eröffnung des Neubaus 1994 wurde in allen Medien mit grossem Brimborium gefeiert und von einer dramatisch gestiegenen Zahl der Touristenbesuche begleitet.

 

Artikelbild: Kappelbrücke – Wahrzeichen von Luzern (Bild: Benjamin Frey, Wikimedia, CC)

 

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