Der Mittelpunkt der Schweiz: Sachseln am Sarnersee
Wer nach Sachseln am Sarnersee kommt, wird vergebens nach einem geschlossenen Ortszentrum suchen. Der Ort breitet sich vielmehr in aufgelockerter Bebauung am Südostufer des Gewässers im Kanton Obwalden aus. Die Ortsteile Sachseln Dorf, Edisried, Elwil und Flüeli-Ranft bilden jeweils eigene Siedlungs-Konglomerate, die sich harmonisch in die Obwaldener Voralpenlandschaft einfügen.
In dieser ländlichen Idylle würde man nicht unbedingt historische Bedeutsames und bauliche Sehenswürdigkeiten vermuten. Dennoch hat Sachseln einiges davon zu bieten.
Das winzige Örtchen Flüeli-Ranft ist so etwas wie ein Schweizer Ursprungsort und bis heute ein bedeutendes Wallfahrtsziel. Denn hier erblickte Niklaus von Flüe 1417 das Licht der Welt und lebte später in der nahen Ranftschlucht als Einsiedler. „Bruder Klaus“, wie er hierzulande auch gerne genannt wird, gilt bis heute als Schweizer Nationalheiliger und geniesst hohe Verehrung.
Lebens- und Wirkungsort von Bruder Klaus
Das ist für einen Einsiedler, der seine Tage in Weltabgeschiedenheit verbrachte und als innerlich orientierter Asket und Mystiker bekannt war, eher ungewöhnlich. Aber Niklaus von Flüe wirkte zeitlebens auch nach aussen – nicht nur als beliebter Seelsorger der Dörfler ringsum, sondern ebenso als politischer Ratgeber.
Seinem Rat wird unter anderem das Zustandekommen des sogenannten „Stanser Verkommnis“ im Jahre 1481 zugeschrieben – eines wichtigen Übereinkommens, das den Konflikt zwischen den Stadt- und Landorten in der damaligen Schweiz beilegte und wesentlich zur Stabilität der Alten Eidgenossenschaft beitrug. 1487 starb Bruder Klaus in seiner Einsiedelei nach einem langen Leben des Gebets und der inneren Einkehr. Er wurde in der Pfarrkirche von Sachseln beigesetzt. Spätestens mit der Seligsprechung im 17. Jahrhunderts setzte eine breitere Verehrung von Niklaus von Flüe ein und Sachseln wurde zum Wallfahrtsort – wenn man so will, eine frühe Form des Massentourismus.
Dem Wallfahrtsbetrieb hat Sachseln seine prächtige Pfarrkirche mit dem weithin sichtbaren Zwiebelturm zu verdanken. Der für das kleine Dorf eigentlich überdimensionierte Bau wurde im 17. Jahrhundert notwendig, weil die alte Pfarrkirche zu klein geworden war, um die Pilgerströme aufzunehmen.
Der Innenraum der Hallenkirche ist wie der Binnenhof eines italienischen Palazzos mit zwei übereinander-liegenden Bogen-Loggien gestaltet und bietet dem Betrachter interessante schwarz-weisse Farbkontraste. Stilistisch handelt es sich bei der Kirche um Schweizer Frühbarock in Verbindung mit Elementen der italienischen Renaissance – ein bemerkenswerter Bau.
Die Altäre und die Kanzel aus Stuckmarmor sind später entstanden und gehören bereits dem Rokoko an. Das Grab von Bruder Klaus wurde in unserer Zeit in den modernen, freistehenden Hauptaltar eingelassen.
In Flüeli-Ranft und der Ranftschlucht
Auf den Spuren des Schweizer Nationalheiligen wandelt man zwangsläufig beim Besuch des Ortsteils Flüeli-Ranft. Das Dörfchen befindet sich in schöner Höhenlage auf 728 Metern am Eingang des Melchtals und der Ranftschlucht.
Die Barromäuskapelle auf einem Felsen ist der Mittelpunkt des kleinen Ortes. Das Geburtshaus und das Wohnhaus von Niklaus von Flüe – beides schlichte Holzbauten – stellen allerdings die bedeutenderen Attraktionen dar. Vom Dorf aus gelangt man in wenigen Minuten in die Ranftschlucht, wohin sich Bruder Klaus 1467 als Einsiedler zurückzog. Die Obere Ranftkapelle ist der eigentliche Einsiedler-Ort, die sehr bescheidene Klause des Eremiten ist noch als Anbau zu sehen. Die Untere Ranftkapelle wurde schon wenige Jahre nach dem Tod des Heiligen für die wachsende Pilgerzahl angelegt.
Mit dem Hotel Paxmontana besitzt Flüeli-Ranft noch ein schönes Beispiel historischer Schweizer Hotelarchitektur. Der schlossartige Bau ist Ende des 19. Jahrhunderts entstanden und dem Jugendstil wie dem Schweizer Heimatstil gleichermassen verhaftet. Ursprünglich als Kurhotel gedacht, beherbergte das Haus lange Pilger und hat sich jetzt wieder stärker auf „normale“ Touristen ausgerichtet. Die spektakuläre Höhenlage ermöglicht Gästen fantastische Ausblicke auf den Sarnersee und die Bergwelt.
Älggi-Alp – geografisches Zentrum der Schweiz
Mit der Älggi-Alp verfügt Sachseln über einen weiteren bedeutsamen Punkt. Die Alp liegt auf 1‘645 Meter Höhe im südlichen Gemeindegebiet und kann gut mit dem Auto, zu Fuss oder per Mountainbike erreicht werden. Auf der Älggi-Alp liegt der geografische Mittelpunkt der Schweiz. Das hat das Schweizer Bundesamt für Landestopografie 1988 anlässlich seines 150-jährigen Bestehens offiziell festgestellt.
Der eigentliche Mittelpunkt ist allerdings schwer zugänglich. Stattdessen erinnert ein etwa 500 Meter davon entfernt aufgestellter Stein an diese Eigenschaft. Den Besuchern dürfte die minimale Unkorrektheit gleichgültig sein. Zentraler als auf der Älggi-Alp geht in der Schweiz nicht.
Fazit
Sachseln am Sarnersee ist die Heimat und der Wirkungsort von Bruder Klaus, des Schweizer Nationalheiligen. Gleichzeitig befindet man sich hier am Mittelpunkt der Schweiz.
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