Arbeiten statt chillen in den Ferien – Wwoofing liegt im Trend
VON Christian Erhardt Alle Länder Allgemein Schweiz
Arbeiten als neue Form der Erholung – und das auf freiwilliger, unentgeltlicher Basis. Das ist Wwoofing. Weltweit gibt es Orte, an denen die Volunteers die Ferien mit Arbeit füllen, die sie normalerweise eher nicht selbst erledigen – und das nur für Kost und Logis. Dafür werden in der Schweiz Ziegen gehütet, in Asien Mangos oder Rattan geerntet und in Südamerika oder Südafrika Pferde gepflegt. Werfen wir einen genaueren Blick hinter die Kulissen von Wwoofing.
Arbeiten in den Naturparks der Schweiz
In der Schweiz arbeiten die Volunteers zum Beispiel im Nationalpark, der malerisch im Engadin im Kanton Graubünden liegt. Dort sind die Aufgaben, die von den freiwilligen Helfern übernommen werden, recht breit gefächert. In der feuchten, schwülen Luft, wenn die Sonne unaufhörlich vom Himmel brennt, werden spätestens am Mittag die Arme der Freiwilligen schwerer und schwerer. Sie versuchen dort, unter fachkundiger Anleitung der Ranger im Park, die Ausbreitung von Unkräutern zu unterbinden, die eingeschleppt worden sind und Neophyten heissen.
Der Sommerflieder beispielsweise ist keine Pflanzenart, die man typisch in der Schweiz findet. Oder die Goldrute und das Indische Springkraut. Da diese Pflanzenarten aber den heimischen Pflanzen den Lebensraum streitig machen, müssen sie entfernt werden – und das ist die Aufgabe der Volunteers. Das tun sie tageweise als Freiwillige oder auch über den Zeitraum einer gesamten Ferienperiode.
Erholung und das Chillen am Strand war vorgestern, Abenteuerferien gestern und heute ist das Wwoofing, das durch ein gesteigertes Umweltbewusstsein entstanden ist. Und die Ranger sind dankbare Abnehmer der freiwilligen Arbeiten, denn gegen invasive Pflanzenarten hilft es nur, dass sie per Hand entfernt werden.
Aktiver Umweltschutz in den Ferien
Die Volunteers sind in einigen Naturparks mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil bei der Erhaltung und Bestandspflege. Trotzdem ist es kein einseitiges Nehmen, denn auch die Freiwilligen lernen viel. Sie erfahren und erleben die Auen, die Wälder der Berge, Viehweiden, Wiesen mit Orchideen, Steinterrassen und vieles mehr.
Doch auch Sprachkenntnisse werden vertieft, denn da die Volunteers aus allen Ländern dieser Welt kommen, hat man sich auf die englische Sprache als Campsprache verständigt. Einheimische Teams, welche die Umgebungen bereits kennen, unterstützen die Freiwilligen bei ihren Projekten.
Unter dem Dach von Wwoof (World-Wide Opportunities on Organic Farms) sind diverse biologische Höfe organisiert, die den Freiwilligen die ersten Schritte im Bereich des biologischen Gartenbaus und der biologischen Landarbeit vermitteln. Kühe werden hier noch mit der Hand gemolken, und auch die Ernte wird manuell eingebracht. Bei den Verantwortlichen wird die freiwillige Arbeit der Volunteers überaus geschätzt und hoch angesehen.
Wwoofing befreit Kopf und Seele
Wwoofing ist die konsequente Fortführung der Ferien auf dem Land. Weltweit kann man als Interessierter mittlerweile gegen Kost und Logis auf Höfen oder Farmen arbeiten.
Wo liegt der Reiz beim Wwoofing, bei dem man Strandferien gegen Arbeit tauscht? Als gestresster Manager kommt man so aus der Stadt heraus. Oftmals landet man mitten im Nirgendwo, und das ohne Telefon, ohne Internet und ohne Dauerberieselung durchs TV. Auch die lieb gewonnene Kaffeemaschine, die auf Knopfdruck alles wie von selbst erledigt, wird gegen althergebrachte Methoden der Kaffeezubereitung getauscht. Der wöchentliche Besuch beim Friseur oder im Beautystudio muss entfallen, und ein Fitnessprogramm an der frischen Luft wird frei Haus geliefert.
Hier kann man sich beim Handwerken nachhaltig auspowern, und der Manager, der sonst nur am Telefon sitzt, arbeitet mit seinen Händen. Das Essen ist stets gut und reichlich, denn wer hart arbeitet, der muss gut essen – hier allerdings nicht auf einem Charityevent mit nachhaltigem Catering, sondern eher Hausmannskost und gutbürgerlich.
Wer hat’s erfunden?
Nein, es waren diesmal nicht die Schweizer, die Wwoofing erfunden haben, sondern es war eine Sekretärin aus England. Wwoofing geht auf das Jahr 1971 zurück und auf Sue Coppard. Ihre Grundidee: einfach mal ein Wochenende der Stadt entfliehen. Ab aufs Land und dort bei einem der frühen Biobauern mithelfen. In ihrem Bekanntenkreis kam das so gut an, dass sie danach alle Hände voll zu tun hatte, Grossstädter aufs Land zu bringen – einen Tag, ein Wochenende oder mehrere Wochen.
99 Länder sind mittlerweile weltweit Teil des Wwoofings. Jede Person über 18 Jahre kann Mitglied werden, zahlt einen Jahresbeitrag von rund 30 Franken und darf dafür für 12 Monate die Kontaktdaten der Höfe weltweit abrufen, die am Projekt teilnehmen. Für Kost und Logis müssen durchschnittlich fünf Stunden am Tag investiert werden – an fünf Tagen die Woche. Über die Webseite werden aber nicht nur die Kontaktdaten weitergereicht, sondern die Höfe stellen sich vor und ehemalige Volunteers berichten von ihren Erlebnissen – so kauft man nicht die Katze im Sack.
Oberstes Bild: Kühe melken statt Strandferien? Ja, das ist das Motto von Wwoofing. (© Goodluz / Shutterstock.com)