Auf alten Pfaden in die wärmste Stadt der Schweiz – Von Tenero nach Locarno

Fast jede Ecke der Schweiz kann von Zürich aus mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an nur einem Tag besucht werden. Als es neulich mal wieder tagelang grau, kalt und trüb bei uns im Norden war, beschloss ich spontan, den Samstag im Tessin zu verbringen, mir Locarno anzusehen und eine kleine Wanderung zu machen. Als Frühaufsteherin sass ich schon im Zug, als für die meisten der Tag erst begann.

Da es draussen nicht viel mehr als schlechtes Wetter zu sehen gab, vertiefte ich mich in ein Buch: „Töchter der Sünde“ von Iny Lorentz. Dieser Roman spielt im Mittelalter und ist für mich, die ich als begeisterte Wanderin viel im Kanton Uri und Tessin unterwegs bin, besonders spannend, zogen doch die Hauptfiguren dieses Buches von Deutschland zu Fuss über die Alpen nach Rom. Einige Orte und Wege sind mir bestens bekannt, dass ich mich aber am gleichen Tag noch auf einem dieser abenteuerlichen Säumerpfade wiederfinden werde, ahnte ich da noch nicht!

Als der Zug den Gotthardtunnel verliess, zeigten sich erste Aufhellungen, richtig sonnig wurde es erst ab Bellinzona. Hier wechselte ich die Bahn, um weiter nach Tenero zu reisen und von dort nach Locarno zu laufen. Das Städtchen Tenero begeisterte mich sofort, ich hatte aber nicht viel Zeit, hier länger zu verweilen. Trotzdem schlenderte ich zuerst durch das Zentrum, in welchem moderne Läden, eine Filiale der Credit Suisse und ein Thai-Imbiss wie selbstverständlich neben steinernen, mittelalterlichen Zeitzeugen stehen. Ich möchte auf jeden Fall einmal mit mehr Zeit hierher zurückkehren, um in Tenero sowie der Umgebung, für unser Partnerportal Denkmalpflege-Schweiz zu recherchieren.


Wandern am Lago Maggiore (Bild: Diriye Amey, Wikimedia, CC)


Eigentlich wollte ich gemütlich in rund 1 ½ Stunde am Ufer des Lago Maggiore entlang nach Locarno, welches als wärmster Ort der Schweiz bekannt ist, gehen. Aber nicht nur einige alte Häuser, sondern vor allem eine offensichtlich uralte Treppe zogen mich magisch an. Glücklicherweise trug ich Wanderschuhe, deshalb war eine spontane Planänderung möglich: Bald schon stieg ich schwitzend unter strahlend blauem Himmel, vorbei an Palmen, Bananenstauden und blühenden Büschen die nicht enden wollenden Stufen hinauf. Es war Anfang Januar! An einer kleinen Kirche machte ich Halt und stopfte die Jacke in den Rucksack. Im Zürcher Unterland hatte ich den Reissverschluss bis oben hin zugezogen, so eisig war es am Morgen, als ich zum Bahnhof lief.

Dank Handy konnte ich eine Strecke finden, welche in gut drei Stunden nach Locarno führt. Zuerst kam ich durch ein kleines Dörfli, in dem die Zeit stehen geblieben war. Kein Mensch war zu sehen und doch liessen die gepflegten, blühenden Gärten darauf schliessen, dass der Ort bewohnt sein muss und nicht ausschliesslich als Feriendomizil dient. Am Dorf Ende gab es sogar eine Bushaltestelle, die mit Moresio angeschrieben ist. Dort endete erst einmal der Treppenweg und nun musste ich eine Zeit lang eine kaum befahrene Strasse entlang wandern, immer noch bergauf. Kurz vor dem Dorf Contra galt es noch einige Stufen mehr zu bezwingen, bis ich mir endlich auf einer Bank vor der Kirche eine Mittagsrast gönnte.



Meine Bedenken, dass ich mich verlaufen könnte, waren gar nicht nötig, denn der weitere Weg ist perfekt ausgeschildert. Ich folgte von da an dem Sentiero Collina Alta in Richtung Locarno Monti. Auf einem Waldweg erwarteten mich weitere Höhenmeter, bis ein fantastischer Ausblick diese Mühe belohnte. Der weitere Abschnitt erforderte Trittsicherheit und spätestens als ich eine uralte steinerne Brücke (eine entgegenkommende Wandersfrau erklärte mir, dies sei eine Römerbrücke) überquerte, war mir klar, dass ich den Spuren meiner Romanhelden folgte! Zwar handelt es sich dabei um eine fiktive Geschichte, aber ich konnte mir bestens vorstellen, wie schwierig und gefährlich es mit Pferden, Gepäck, unpassenden Schuhen und langen Kleidern auf solch einem Pfad gewesen sein musste. Die Kapelle Rota, an welcher ich vorbeikam, stammt ebenfalls aus jener Zeit.

Als ich den Wald verliess, kam ich auf eine kleine, von schmucken Häusern, Palmen und blühenden Sträuchern gesäumte Strasse, die aber schon bald in einen steilen und felsigen Treppenweg hinunter nach Locarno führte. Einerseits wähnte ich mich inmitten dieser üppigen subtropischen Pflanzenwelt irgendwo ganz weit weg in den Ferien, anderseits konnte ich dies kaum geniessen, denn die Stufen schienen kein Ende zu nehmen. War mein ursprünglicher Plan, das Castello Visconti, Casa Rusca sowie die alten Kirchen Locarnos anzusehen und durch die Stadt zu bummeln, sehnte ich mich, als ich schliesslich die letzte Stufe geschafft hatte, nur noch nach einem Stuhl und einer Tasse Kaffee.


Piazza Grande in Locarno (Bild: BjoernEisbaer, Wikimedia, CC)


Beides, und ein Stück feinster Torte noch dazu, fand ich schliesslich auf der von Arkaden gesäumten Piazza Grande. Wo im August das Filmfestival Locarno ins grösste Freiluftkino der Welt verwandelt, waren auch an diesem frühlingshaften Januartag viele Menschen unterwegs. Jedoch erschien mir alles viel weniger hektisch als in anderen Städten. Subtropische Vegetation, wärmende Sonnenstrahlen und das Maggia-Delta überzeugten mich schliesslich, doch noch nicht in den Zug Richtung Norden zu steigen.

So spazierte ich durch die Arkaden in westliche Richtung bis zur Via Panigari. Eine Dame hatte mir mit Händen und Füssen (ich spreche nicht italienisch) erklärt, dass man dort in die Altstadt gelangt und ich unbedingt die Chiesa Nuova besuchen sollte. Das bedeute noch einmal einige Meter hinaufzusteigen und meine Beine und Füsse machten sich bemerkbar. Nachdem ich aber mit dem Handy Chiesa Nuova gegoogelt hatte, und so erfuhr, dass es sich um die Kirche Sta Maria Assunta aus dem Jahre 1636 handelt, machte ich mich auf den Weg. Bereut hatte ich das ganz und gar nicht: Diese wundervolle Kirche zu besuchen, hat sich sehr gelohnt. Jedoch würde es den Rahmen dieses Artikels sprengen, sie näher vorzustellen.


Die Kirche Sta Maria Assunta in Locarno – Innenansicht. (Bild: Romano1246, Wikimedia, CC)


Ich werde bestimmt bald nach Locarno zurückkehren, dann ohne Rucksack und Wanderschuhe, aber mit dem Notizblock, und werde Ihnen gerne über alle Sehenswürdigkeiten dieser liebenswerten Kleinstadt am Lago Maggiore berichten. An dessen Ufer liess ich den Tag ausklingen und die Zeit, bis mein Zug Richtung Zürich fuhr, verbrachte ich damit, Zitrusbäume, Oleander, Palmen und sogar einen Olivenbaum zu fotografieren und einfach diese landschaftliche Schönheit zu geniessen.

 

Oberstes Bild: Blick auf Lago Maggiore. Im Vordergrund – Locarno und Ascona. Im Hintergrund – Tenero, Gordola und Gambarogno. (© Carl Mueller, Wikimedia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“ color=“grey“][vc_gmaps link=“https://maps.google.de/maps?q=Locarno,+Schweiz&hl=de&sll=51.358062,10.415039&sspn=10.613057,19.753418&oq=Locarno&hnear=Locarno,+Tessin,+Schweiz&t=m&z=13″ size=“350″]

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