Die Zen-Gärten von Kyoto, Japan

Einerseits steht Japan für Hochtechnologie und extreme Leistungsbereitschaft. Auf der anderen Seite assoziieren wir mit dem fernöstlichen Land die Gelassenheit und Weisheit des Zen. In wunderschönen Zen-Gärten in Kyoto findet der Besucher Ruhe und Einkehr für die Seele.

Als Reiseziel ist Japan für uns westliche Menschen eine echte Herausforderung. Natürlich weiss man etwas über japanische Kultur. Sushi haben wir alle schon gegessen. Aus dem Kino kennen wir die kühnen Schwertkämpfer, die Samurais. Japaner sind eigentlich aber immer freundlich und lächeln. Andererseits sterben sie dann, völlig überarbeitet, am Arbeitsplatz einen Erschöpfungstod, Karoshi genannt.


Garten Yuzen-en, Kyoto (Bild: 663highland, Wikimedia, CC)

Arashiyama in Kyoto (Bild: © Patrick Foto – shutterstock.com)

Also, was davon ist Klischee und was Realität? Worin wurzelt japanische Kultur? Japan lebt gerade von seinen extremen Gegensätzen. Technologische Pionierleistungen, besonders in der Unterhaltungselektronik oder auch in der Automobilindustrie, lassen uns mit Japan vermeintlich täglich umgehen. Aber das Land des Lächelns erschliesst sich nur einem Besucher, der Zeit, Interesse und Flexibilität mitbringt.


Worin wurzelt japanische Kultur? (Bild: © Sean Pavone – shutterstock.com)

Japan steht ja auch für Kunst, Philosophie der Gelassenheit und Zen in seinen verschiedenen Ausdrucksformen. Hier entwickelten sich bekannte Kampfkünste wie Judo und Aikido, die Kunstform der Tuschzeichnungen und der Kalligrafie und die Gestaltung von Gärten nach Prinzipien des Zen. Besonders authentisch und einmalig geben hierfür die Gärten der alten Kaiserstadt Kyoto Zeugnis. Wer die japanische Kultur in Gärten begehen und erfahren möchte, findet weltweit auf kleinstem Raum nicht so viele wunderbare Kleinode der Gartenkunst wie in Kyoto. Wie manches in Japan erfordert der Besuch der wichtigsten Gärten und Paläste eine Genehmigung. Diese ist rechtzeitig vorher beim Kaiserlichen Haushaltsamt einzuholen.



Kyoto Gosho – der Palast des Kaisers

Mitten in der Innenstadt von Kyoto umschliesst eine Mauer ein Gelände, das fast 1400 Meter lang und über 700 Meter breit ist: Es ist der Kaiserliche Park mit dem Kaiserpalast, dem Kyoto Gosho. Bevor der japanische Kaiser seinen Amtssitz nach Tokyo verlegte, das war 1868, war dies die offizielle Residenz aller Kaiser. Im Park und Palast kann man sich frei bewegen.


Kyoto Gosho (Bild: © ISchmidt – shutterstock.com)

Der Park wurde vom legendären Kobori Enshu gestaltet. Dieser lebte von 1579 bis 1647, war ein berühmter Architekt, Teemeister und Literat und auch massgeblich Erfinder der sogenannten „natürlichen“ Landschaft. Er war einer der Ersten, die Wasserlandschaften mit Felsen gestalteten, das Wasser aber durch geharkten feinen Kies ersetzten. Besonders zur Zeit der Kirschblüte, Mitte bis Ende März und eine wunderbare Reisezeit für Japan, findet man hier schöne Plätz zum Ruhen und Sinnen, aber auch zum Zeichnen, Aquarellieren und Fotografieren.

Als Motive bieten sich ein altes Wohnhaus der Adelsfamilie, mehrere kunstvolle Schreine oder auch der idyllische Konoe-Teich an. Der innere Bereich, der Kaiserpalast selber, steht nach Anmeldung für eine Führung offen. Zu sehen sind ein kleiner Palast, der Hauptpalast, die Halle der Staatszeremonien und ein kunstvoll angelegter Teichgarten.


Der Zen Garten um den Kaiserpalast Kyoto Gosho (Bild: moja, Wikimedia, CC)

Katsura Rikyu – die Kaiserliche Villa

Im ruhigeren Westen Kyotos liegt die wahrscheinlich prächtigste Anlage der Kaiserlichen Gärten. Dieses Anwesen wurde für die Kaiserfamilie im Jahr 1624 gebaut. Sie ist Sinnbild für klassische japanische Architektur. Noch heute kommen Menschen aus aller Welt hierher und lassen sich von Form und Ästhetik inspirieren. Typisch für die japanische Zen-Kunst ist Perfektion bis ins kleinste Detail. Die Kunst dabei ist aber, es gleichzeitig zufällig und ungewollt aussehen zu lassen.

Wer einmal eine Bewegungsform wie Tai Chi geübt hat, versteht dies: Scheinbar mühelos fliessende Bewegungen sind erst nach vielen Wiederholungen so nachvollziehbar. Für die Gartengestaltung bedeutet dies, dass kleinste Details bewusst so sind, wie sie sind. Ein typischer und gewollter Effekt entsteht etwa dadurch, einen Weg mit immer kleiner werdenden Kieselsteinen zu bestreuen. So entsteht die optische Illusion, dass der Weg unseren Augen viel länger und weiter in die Ferne reichend erscheint.

Weitere typische Details der Gärten sind Brücken, Steinlampen, kleine Teehäuser, Hügel und Sandflächen oder ein kleiner Pavillon. Letzterer wurde von Meisterhand genau dort erschaffen, um den Mond des Herbstes von dort in besonderer Weise betrachten und auf sich wirken lassen zu können. Die beste Art, diese Gartenlandschaften zu erfahren, ist, sich in ihnen zu verlieren: nichts wollen, nichts müssen, sich treiben lassen von inneren Impulsen, die durch die äusseren Arrangements ausgelöst werden.


Katsura Rikyu – die prächtigste Anlage der Kaiserlichen Zen Gärten (Bild: Raphael Azevedoo Franca, Wikimedia)

Die Magie des Zen-Gartens im Ryoanji-Tempel

Auch Menschen, denen solche Vorstellungen noch sehr ungewohnt sind, können sich in solchen Gärten und Anlagen diesem Ziel annähern: Einen Zen-Garten kann man auch als „Anfänger“ betreten und auf sich wirken lassen. Manche Zen-Künste jedoch steigen tiefer in die buddhistische Mystik ein. Innere Leere und Absichtslosigkeit sind deren Ziele, hinter die man ruhig ein Fragezeichen setzen kann. Auf jeden Fall ist Zen-Buddhismus nicht einfach nur Entspannung, sondern harte Arbeit. Wer etwa die Kunst des japanischen Bogenschiessens erlernen will, braucht Jahre, bis sich ein „ungewollter“ Schuss löst, wie man bei Eugen Herrigel nachlesen kann.


Spaziergang im Garten von Ryoanji-Tempel (Bild: Fg2, Wikimedia)

Worin Zen denn nun eigentlich besteht? Auch das ist eine Eigenart der fernöstlichen Denkweise: Zen in diesem Sinne soll gerade nicht erklärt werden können. Tatsächlich verstehen die allermeisten Westler, die mit dem Buddhismus sympathisieren, diesen nicht einmal im Ansatz.


Die Magie des Zen-Gartens im Ryoanji-Tempel (Bild: © Sean Pavone – shutterstock.com)

Wer jedoch auf die dahinter stehende Religion keinen gesteigerten Wert legt, kann vor allem den vielleicht schönsten Zen-Garten Japans im Ryoanji-Tempel trotzdem geniessen. Im 15. Jahrhundert angelegt, schaut man über eine Fläche von 30 mal 10 Metern auf kleine weisse Kiesel auf 15 Felsen, die in Gruppen angeordnet sind. Von keinem Standpunkt aus kann man alle 15 Felsen zugleich sehen.


Zen-Garten Japans im Ryoanji-Tempel (Bild: © Sean Pavone – shutterstock.com)

Jeder Besucher dieses Gartens darf für sich im Hier und Jetzt seine Erfahrung machen. In unserer heutigen Zeit der Unruhe und des Suchens in der Peripherie ist dieser Blickwinkel, sei es nur für Minuten, ein kostbares Geschenk für die Seele.

 

Artikelbild: © Stephane Bidouze – shutterstock.com

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