Gäste wollen naturnahe Wege im alpinen Raum

Viele Wanderwege in alpinen Destinationen werden auch für land- und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt und entsprechend ausgebaut. In einer Studie ist die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur der Frage nachgegangen, inwiefern dieser Ausbau Auswirkungen auf den Tourismus hat.

Die Ergebnisse deuten einen jährlichen Verlust an touristischer Wertschöpfung in Millionenhöhe allein im Testgebiet Arosa-Schanfigg an, wenn zu viele naturnahe Wege ausgebaut werden.

Einerseits sind Land- und Forstwirtschaftswege im Berggebiet ein wichtiger Zugang für die Produzenten zu ihren Produktionsflächen, damit diese weiterhin gepflegt werden können. Andererseits hat deren Ausgestaltung einen grossen Einfluss auf das Landschaftsbild. Naturnahe Wege weisen dabei eine grosse Vielfalt von Kleinstrukturen und die traditionelle Kulturlandschaft prägenden Elemente auf, die bei Meliorationsausbauten verloren gehen. Die Kunstbauten und die intensivierte Nutzung prägen das Landschaftsbild sehr stark.

Naturnahe und ausgebaute Wege – Bedeutung für den Tourismus

Das Forschungsprojekt des Instituts für Tourismus und Freizeit ITF, in Kooperation mit dem Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung ZWF, beide an der HTW Chur, untersuchte unterschiedliche Wegetypen (naturnah und ausgebaut) in ihrer Bedeutung für den Tourismus (Wahrnehmung der Gäste und Wertschöpfung).

Im Sommer 2015 wurden dafür in der Testregion Arosa-Schanfigg 354 Fragebögen bei Übernachtungs- und Tagesgästen erfasst. Des Weiteren wurden mit unterschiedlichen Produzentinnen und Produzenten (Biolandwirtschaft, konventionelle Landwirtschaft und Agrotourismus sowie Forstwirtschaft) Interviews zu deren Bedürfnissen an die Land- und Forstwirtschaftswege geführt.

Touristisches Wertschöpfungspotenzial naturnaher Wege

Die Umfrage ergab, dass Gäste sich naturnahe Wanderwege wünschen. Bei einem Ausbau des Wegnetzes droht ein hoher jährlicher touristischer Wertschöpfungsverlust allein in der Region Arosa-Schanfigg: CHF 3 Mio. beim Ausbau von einem Drittel aller Wege, ca. CHF 7.5 Mio. beim Ausbau von zwei Dritteln aller Wege und CHF 11 Mio., wenn alle Wege ausgebaut würden.

Für 95% der befragten Gäste ist die Benutzung der Wege wichtig oder sehr wichtig und mehr als 92% der Gäste bewerten den Idealtyp eines naturnahen Weges deutlich positiv.

Die Fotomontage eines ausgebauten Weges mit Betonspuren und Grünstreifen sowie den einhergehenden Veränderungen im Landschaftsbild (z. B. Schnittwiesen, Stützmauern etc.) werden eher negativ bis sehr negativ bewertet. Die Befragten bevorzugen Landschaftsbilder mit naturnahen Wegen, Kleinstrukturen und abwechslungsreicher Natur. Sie gaben an, bei zu hohem Ausbaugrad die Wanderregion nicht mehr zu besuchen.


Typischer Weg im naturnahen Zustand im Testgebiet Arosa-Schanfigg (Bild: © HTW Chur)

Bearbeitetes Bild der gleichen Situation im Testgebiet Arosa-Schanfigg, mit Ausbaumassnahmen inkl. Streifen (Bild: © HTW Chur)

Bearbeitetes Bild der gleichen Situation im Testgebiet Arosa-Schanfigg, mit Ausbaumassnahmen inkl. vollständiger Asphaltierung (Bild: © HTW Chur)

Angepasste Rahmenbedingungen unterstützen Landwirtschaft und Tourismus

Da diese Wege zugleich wichtige Zugänge für die Land- und Forstwirtschaft darstellen, wurden diese Bedürfnisse in der Studie ebenfalls untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass Bäuerinnen und Bauern vor allem gut befahrbare Wege brauchen. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen der Melioration werden Gelder jedoch hauptsächlich für den Neubau bzw. Umbau der Wege gesprochen.

Da dieses System nicht zu befriedigenden Ergebnissen beim Erhalt und der Pflege von naturnahen Wegen führt, sprechen sich viele Landwirte mangels Alternative für den Ausbau dieser Wege aus, obwohl sie sich auch vorstellen könnten mit naturnahen Wegen zu produzieren, sofern diese regelmässig gepflegt und ausgebessert werden.

Dies zeigt die Notwendigkeit zu einer Diskussion einerseits über den Umfang der Meliorationen (bessere Berücksichtigung der touristischen Interessen in Wandergebieten) und andererseits über die politischen Rahmenbedingungen (Möglichkeit, Gelder auch in den Unterhalt anstatt nur in den Ausbau der Wege zu stecken). Durch Pflege und Renovierungsarbeiten könnten ebenfalls Arbeitsplätze in der Peripherie gehalten werden.

 

Artikel von: Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur
Artikelbild: © Ursula Perreten – shutterstock.com

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