Hanami – zur Kirschblüte in Japan

Die Kirschblüte hat in Japan eine ganz besondere Bedeutung. Sie ist ein Symbol für Schönheit, Aufbruch und Vergehen gleichermassen und wird in vielen Liedern und Gedichten gepriesen.

In der Zeit von Mitte März bis Mitte Mai wird im ganzen Land Hanami – das Kirschblüten-Fest – gefeiert, das auch das Ende der kalten Jahreszeit und den Beginn des Frühlings markiert. In dieser Zeit sammeln sich die Japaner unter den blühenden Bäumen, um dort eine Art Picknick zu veranstalten.

Ein Symbol für Werden und Vergehen

Inzwischen hat sich der Brauch über Japan hinaus rund um den Globus verbreitet. Er wird überall dort gepflegt, wo Japaner leben und findet auch begeisterte Nachahmer unter Nicht-Japanern. Nirgendwo sonst ist die Innigkeit und die Verbindung zu dem uralten Fest aber so gross wie im Land der aufgehenden Sonne selbst. Hanami kann auf eine über tausendjährige Geschichte zurückblicken. Die Ursprünge des Festes gehen wohl auf die sogenannte Nara-Zeit im 8. Jahrhundert n.Chr. zurück. Erste schriftliche Berichte dazu sind bereits etwa ein bis zwei Jahrhunderte später entstanden.

Die japanische Kirsche trägt keine Früchte. Die nur wenige Tage dauernde Blüte steht daher gewissermassen für sich selbst. Es ist eine kurze Existenz alleine für die Schönheit. Nach einer langen Zeit der Vorbereitung und des Werdens entfaltet sich die Blüte zu voller Pracht und fällt gleichsam im Augenblick ihrer Vollendung zu Boden, um zu vergehen. Diese Form des Daseins hat viele japanische Geistesgrössen zu philosophischen Betrachtungen über das Leben und sein Ende inspiriert. Samurai sahen in der Kirschblüte ein Sinnbild für einen frühen und würdigen Tod. Profaner ist das Empfinden des Durchschnitts-Japaners, der mit den blühenden Bäumen nach dem kältesten Monat des Jahres – dem Februar – den ersehnten Frühling begrüsst.


Das Kirschblüten-Fest ist Teil der Identität des Landes der aufgehenden Sonne. (Bild: littlesam / Shutterstock.com)

Ein Picknick japanischer Art

Die Zeit der Kirschblüte folgt der geografischen Lage des Inselreiches. Die südlichen Inseln mit der Hauptinsel Kyushu erleben die Kirschblüte zuerst. Hier zeigt sich das typische zarte Rosa und Weiss der Baumkronen bereits ab Mitte März, auf den Okinawa-Inseln ganz im äussersten Süden sogar schon ein paar Wochen früher. Dann wandert die „Kirschblütenfront“ fast täglich ein Stück nach Norden, was ein Thema von TV-Nachrichten und Pressemeldungen ist. Im Mai erreicht die Blüte schliesslich auch Japans nördlichste Insel Hokkaido, hier geht der Hanami-Reigen dann zur Monatsmitte zu Ende.

Hanami ist ein kommunikatives und geselliges Event besonderer Art. Familien, Freunde oder Kollegen sammeln sich zu diesem Anlass an einem Hanami-Platz unter blühenden Kirschbäumen. Man sitzt am Boden auf einer blauen Plastik-Plane und geniesst Bento zusammen mit Bier oder Sake. Gute Stimmung und angeregte Unterhaltung sind bei diesem Picknick fast immer garantiert. Als Bento wird eine besondere Darreichungsform von Speisen bezeichnet. Es handelt sich quasi um eine japanische Version des Picknickkorbs – eine einfache Schachtel oder ein schlichtes Kästchen, in dem unterschiedliche Speisen in voneinander getrennten Fächern enthalten sind. Die Bezeichnung Bento steht dabei sowohl für das Behältnis selbst als auch für die gebotenen Speisen. Bei der Zusammenstellung sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt.


Hanami – ein Picknick japanischer Art. (Bild: Kisan / Shutterstock.com)

Hanami-Plätze – eine kleine Auswahl

Da die Zeit der Blüte kurz ist, gibt es jeweils nicht sehr lange Gelegenheit, Hanami zu feiern. Der Andrang kann daher schon mal ganz schön gross werden und die besten Plätze an einem begehrten Ort sind manchmal schon Stunden vorher „ausgebucht“. Es gibt in Japan rund 1.400 traditionelle Hanami-Orte, die inoffiziellen Plätze dürften kaum zu zählen sein. Im Folgenden wollen wir Ihnen drei besonders schöne Stellen präsentieren.

Die erste ist der „Tetsugakuno-michi“, auf Deutsch „Philosophenweg“, ein Spazierweg in Japans alter Metropole Kyoto im Südwesten des Landes. Der an einem kleinen Kanal entlang führende Weg wurde so genannt, weil ihn Nishida Kitaro, einer der einflussreichsten Philosophen Japans im letzten Jahrhundert, gerne für seine tägliche Meditation nutzte. Der idyllische, etwa zwei Kilometer lange Pfad führt an mehreren Schreinen vorbei. Der Spaziergänger wird bei seinen Schritten von rund sechshundert Kirschbäumen am Rande beschattet, die in der Hanami-Zeit in schönster Blüte stehen. Es gibt in Kyoto sicher noch populärere Plätze für das Kirschblüten-Fest wie den Berg Arashiyama oder den Maruyama-Park, auf dem Philosophenweg kann man die Blütenpracht aber in relativer Abgeschiedenheit und meditativer Ruhe geniessen.


„Tetsugakuno-michi“, auf Deutsch „Philosophenweg“, in Kyoto. (Bild: Sean Pavone / Shutterstock.com)

Besonders malerisch ist die Kirschblüte im Takada-Park im Herzen von Joetsu – einer Hafenstadt an der Westküste der grossen Hauptinsel Honshu. In der Mitte des Parks wurde auf einem künstlichen Hügel von Wasser umgeben einst die Takada-Burg errichtet, das Wahrzeichen der Stadt. Es wirkt eher wie ein Schloss denn wie eine wehrhafte Burg. In der ausgedehnten Grünanlage wachsen mehrere tausend Kirschbäume. Sie werden während der Kirschblüte ebenso wie die Burg selbst bei Dunkelheit angestrahlt, was der gesamten Szenerie ein stimmungsvolles Licht verleiht. Die Spiegelung im Wasser trägt das Ihre zu der magischen Atmosphäre des Ortes bei. Das Kirschenblüten-Fest im Takada-Park ist eines von drei nächtlichen Hanami-Highlights in Japan.

In den hohen Norden – an die Südspitze der Insel Hokkaido – führt unser drittes Ziel. Hier liegt das Städtchen Matsumae, eine alte Seefestung. Auch in Matsumae gibt es ein schlichtes Schloss inmitten einer kleinen Grünanlage, die sich am Rande ausgedehnter Baumbestände befindet. Hier gedeihen rund 10.000 Kirschbäume unterschiedlichster Sorten. Matsumae ist ein vergleichsweise abgeschiedener Ort, in den nur zur Kirschblüten-Saison Leben kommt. Dann füllen sich die Wiesen im Umfeld des Schlosses mit Besuchern, um ihr traditionelles Hanami-Picknick zu zelebrieren. Wegen der nördlichen Lage findet das erst relativ spät statt, nämlich Ende April oder Anfang Mai. Wer das Kirschblüten-Fest weiter südlich verpasst hat, kann das also in Matsumae noch problemlos nachholen.



Teil japanischer Identität

Das Kirschblüten-Fest ist zweifelsohne einer der Höhepunkte im japanischen Jahreskalender und Teil der Identität des Landes der aufgehenden Sonne. Wer in der Zeit der Kirschblüte in Japan weilt, sollte daher die Zeit finden, das Fest kennenzulernen und zu erleben. Es gibt dabei sicher noch sehr viel mehr wunderschöne Plätze für Hanami als die wenigen Beispiele, die wir hier vorgestellt haben. Jeder, der sich dieser japanischen Tradition widmen will, ist gefordert, für sich den passenden Ort zu finden. Möglichkeiten dazu sind in Japan mehr als genug vorhanden.

 

Oberstes Bild: Sean Pavone / Shutterstock.com

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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