Indiens Klang
Indien ist bunt, laut und lebendig. Wer einmal dort war, der weiss, was er unter Beschreibungen wie „quirlig“, „geschäftig“, „lebendig“ zu verstehen hat. Denn was all diese netten Umschreibungen meinen: Indien ist laut. Furchtbar laut.
Das Land hat einen ganz eigenen Klang. Es ist eine Mischung aus Strassenverkehr, Religion und Menschenmassen, die einen so spezielle Geräuschkulisse bildet.
Ein Bollywoodfilm in voller Lautstärke, gemischt mit Alltagsgeräuschen erwartet den Besucher in den Städten.
Heute begeben wir uns auf eine besondere Reise in das Land, das alle Sinne beansprucht. Folgt mir und zeige euch, wie Indien klingt.
Bei der Ankunft am Flughafen merkt man es direkt: Der Geräuschpegel ist ein andere, als man es von zu Hause gewöhnt ist. Strassenlärm übertönt Gesänge. Das Muhen der Kühe verbindet sich mit den Rufen der Marktschreier. Der Sound von Indien ist so eigen, so anders als in anderen Ländern. Er ist fremd und überwältigend und manchmal geht er ganz tief unter die Haut.
Horn, please
Was einem meist zuerst nicht wörtlich, sondern akustisch überrollt, ist der Strassenverkehr. Taxis drängen sich mit Bussen, Lkws, Rollern und Tuk Tuks auf den Straßen. Dazwischen Fussgänger, Ochsenkarren, Kühe und Radfahrer.
„Horn, please“ steht auf vielen Autos. Hupen heisst: „Hier bin ich. Achtung, ich fahre an dir dabei. Mach mal schneller. Hallo, wie geht es? Hey, ich hab ne Hupe.“ Hupen ist nicht das letzte Mittel, um kurz vor dem möglichen Aufprall eine Warnung auszustoßen: Hey, pass auf.
Nein, Hupen gehört zum indischen Strassenverkehr wie das freundliche „Guten Abend“ zur Tagesschau. Selbst wenn die Strassen leer aussehen, sich lediglich zwei, drei Autos über die Straßen schlängeln, ist es trotzdem gleich, wie heisst es so schön, „geschäftig“ auf den Strassen. Jeder fährt so weit vor, wie er kann, dann wird gehupt. Alles andere regelt sich dann irgendwie.
Der indische Strassenverkehr ist unterhaltsam, verstörend und lässt einen manchmal an Wunder glauben. Man hat das Gefühl, es passiert viel weniger, als passieren müsste, und doch ist der Strassenverkehr vor allem auch eines: gefährlich. Und natürlich laut.
Öffentlicher Nah- und Fernverkehr
In Bussen erwartet einen zunächst auch das, was du oben schon gelesen hast: Hupen, Motorengeräusche, Leute auf der Strasse. Dazu kommt, vor allem in den gut ausgestatteten Fernbussen, die nach indischen Verständnis grandiose Soundanlage im Bus. Entweder wird man nur mit dem rhythmisch ungewohnten Singsang des indischen Pops beschallt oder auch noch zusätzlich mit Bildmaterial beglückt.
Indische Bollywoodfilme sind ein Spektakel. Farben, dramatische Handlung, Musik – das Gesamtpaket ist atemberaubend oder zumindest sinnesbetörend. Versprochen. Leiser drehen, flüchten, das geht nicht. Kleiner Tipp: Ohrstöpsel nicht vergessen.
Wenn du Glück hast, bekommst du auch in den Zügen musikalische Hintergrundmusik passend zu deinem persönlichen Bollywooderlebnis. Irgendjemand findet sich immer, der mit dem Handylautsprecher für Stimmung sorgt.
Jetzt mal ganz ohne Ironie und Augenzwinkern: Vielleicht hast du Glück und in deiner Nähe sitzen Leute, die selbst eines der traditionellen Liedern zum Besten geben. Gänsehaut pur.
Eine indische Zugfahrt ist wie ein Jahrmarkt. Man kann gar nicht genug sehen und hören. Das Rattern des Wagens, Gesang, Gespräche und vor allem die Verkäufer sorgen für eine einmalige Geräuschkulisse. „Chai, Chai“, „Samosi, Samosi, Samosi“, die Auswahl der Waren ist unbeschreiblich und der Sound, mit dem die Verkäufer ihre Waren ankündigen, bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Kopf.
Wenn der Zug durch einen Tunnel fährt, fangen übrigens alle an zu rufen und zu jubeln. Alle schreien und freuen sich über das Echo im Tunnel.
Rituale und Gesänge
Neben den nervtötenden gibt es auch wirklich unglaublich magische Geräusche in Indien. Vor allem dann, wenn es um Religion und Spiritualität geht. Das Flair der abendlichen Ganga Aarti ist unbeschreiblich und die religiösen Rituale, begleitet von Gesang und Gebeten, sind wunderschön anzusehen. Man ist inmitten von Menschenmassen und unweigerlich teil einer ganz besonderen Zeremonie. Die Geräuschkulisse strotzt vor Spiritualität, die Menschen sind glücklich und das färbt ab. Richtiges Gänsehautfeeling.
Die Stimmen aus den Tempeln prägen ebenso das tägliche Leben in Indien. Über Lautsprecher werden Gebete in die gesamte Stadt verbreitet, so dass möglichst viele Menschen daran teilhaben können. Sie übertrumpfen Strassenlärm und Marktschreier. Auch in den buddhistischen Zentren im Norden der des Landes füllten die Mönche die Luft mit ihrer Musik, wenn auch etwas leiser und irgendwie bedächtiger.
Die rituellen Waschungen der Hindus im Ganges sind religiöse Handlungen, die einen ganz einzigartigen Sound haben. Das vergnügte Planschen der Kinder, das rhythmische Auf- und Abtauchen der Ewachsenen, das sind Geräusche, die mir bis heute ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
Muh und Mäh
Das Muhen der Kühe ist das Geräusch, an das man sich am schnellsten gewöhnt. Kühe sind einfach überall: in den Strassen, auf dem Feld, manchmal in den Häusern. Doch es gibt viel mehr Tiere, die nicht nur das Bild der Stadt prägen, sondern auch mit ihren Geräuschen immer präsent sind. Das sind vor allem die Affen, aber auch Schweine, Vögel, Hunde, Ziegen und Insekten. Manchmal schwirrt die Luft regelrecht von dem ganzen Gezirpe.
The Goa Spirit
Für mich hat Goa einen ganz eigenen Sound. Goa hört sich nach Trommeln an, Verkäuferinnen am Strand, nach Gitarren, nach Trance- und Goa-Musik. Aber auch nach Wind in den Palmen und nach Meer.
Artikelbild: © Julia Schattauer / bezirzt.de