Menorca - das unverfälschte Gesicht der Balearen
VON Andrea Rathjen Alle Länder Europa
Menorca, „die Kleine“, ist lange Zeit von dem Massentourismus verschont geblieben, der das Bild der beiden Nachbarinseln nicht immer auf positive Weise geprägt hat. Heute ist das beschauliche Menorca vor allem bei Familien und erholungssuchenden Reisenden beliebt, die unberührte Landschaften und naturbelassene Strände dem Massentourismus vorziehen.
Neben ihren natürlichen Vorzügen – die Insel umfasst mehr Strände als Mallorca und Ibiza zusammen – ist Menorca aber auch reich an Überbleibseln aus prähistorischer Zeit, die einen Einblick in eine jahrtausendealte Siedlungsgeschichte der Insel bieten. Nicht zuletzt der ländliche Charme des landwirtschaftlich geprägten Menorca trägt schliesslich seinen Teil dazu bei, den Alltag für eine Weile vergessen zu lassen.
Einsame Strände und unberührte Natur
Menorcas grösster Schatz ist seine in weiten Teilen unberührte Natur, die im Gegensatz zu den Nachbarinseln vor Bebauung und Massentourismus bewahrt wurde. Dass der Tourismus erst relativ spät auf der Insel Einzug hielt, ist auf die Blockadepolitik Francos zurückzuführen, der in den Jahren nach dem Spanischen Bürgerkrieg das benachbarte Mallorca deutlich stärker förderte und so den Grundstein für die bis heute andauernde touristische Entwicklung Mallorcas legte. Klotzige Hotelkomplexe und Resortanlagen sucht man auf Menorca vergebens; die vorhandenen Anlagen wurden grosszügiger, naturbelassener und mit Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten gestaltet.
Die gesamte Insel wurde 1993 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, und weite Teile Menorcas stehen heute unter Naturschutz. Wanderer und Radfahrer können die natürliche Schönheit der Insel auf dem 186 km langen Rundweg Camí de Cavalls oder in den bewaldeten Gipfeln des Tramuntana-Gebirges entdecken, während sich insbesondere entlang der sanften Südküste unzählige Traumstrände und einsame Buchten reihen. Die zerklüftete Nordküste wiederum bietet dank der starken Nordwinde ideale Bedingungen für Surfer.
Traditionen und Geschichte in Menorcas Städten
Zwei ganz unterschiedliche Städte prägen Menorcas kulturelles Leben: die alte Hauptstadt Ciutadella im Westen und Maó im Osten der Insel, die ihre Wahl zur neuen Hauptstadt ihrem hervorragenden Naturhafen zu verdanken hat. Der zweitgrösste Naturhafen der Welt wurde 1708 von den Briten erobert, und bis heute ist der englische Einfluss in der Architektur und Kultur Maós sichtbar. Menorcas Hauptstadt bezaubert mit einer ganz besonderen Mischung aus Yachthäfen und Promenaden, aus georgischer Architektur, idyllischen Plätzen und dem unvergleichlichen Panorama des fjordartigen Hafens, um den herum sich die Stadt über die Hügel verteilt.
In Ciutadella wiederum ist bis heute ein Grossteil der mittelalterlichen Architektur erhalten und verleiht Menorcas zweitgrösster Stadt einen ganz besonderen Charme. Ciutadella wurde einst von den Karthagern gegründet und hat ganz unterschiedliche Herrscher kommen und gehen sehen, denen die Stadt ihre vielfältige Architektur mit maurischen, gotischen und barocken Elementen verdankt. Am Rande der Altstadt, auf der palmengesäumten Plaça d’Alfonso III, erinnert eine historische Windmühle aus dem 18. Jahrhundert an die lange landwirtschaftliche Tradition Menorcas. Im Inneren der Windmühle ist heute ein Restaurant untergebracht.
Zeitreise in Menorcas Vergangenheit
Bereits 6000 Jahre v. Chr. war Menorca besiedelt, und die Spuren dieser langen Geschichte finden sich überall auf der Insel in Hülle und Fülle. Menorcas einstige Bewohner hinterliessen eine Vielzahl von Bauwerken und Anlagen, von denen viele den Archäologen bis heute Rätsel aufgeben. So wurden schon mehrere Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung mächtige Grabstätten auf der Insel errichtet, die Navetas, von denen einige in der direkten Umgebung von Ciutadella besichtigt werden können. Die rund 3300 Jahre alte Naveta d’es Tudons gilt als ältestes überdachtes Gebäude in Europa.
Zu den rätselhaften Monumenten der Insel zählen aber auch die Taules, T-förmige Steinkonstruktionen, von denen bis heute nicht bekannt ist, ob sie einst als spirituelle Stätten, Aussichtspunkte oder zu einem anderen Zweck errichtet wurden. Spektakuläre Funde haben Archäologen auch immer wieder in Menorcas zahlreichen Höhlen gemacht, in denen teilweise komplette Massengräber und unzählige rituelle Gegenstände aus der Bronzezeit entdeckt wurden. Einen Einblick in die lange Geschichte der Insel bietet das Museo de Menorca, das in Maó in einem ehemaligen Franziskanerkloster aus dem 15. Jahrhundert untergebracht ist.
Regionale Spezialität: der Mahón-Käse
Weit über die Grenzen der Insel hinaus ist Menorcas regionale Spezialität bekannt, der Mahón-Käse. Der Kuhmilch-Hartkäse in quadratischer, an den Ecken abgerundeter Form galt schon immer als Wahrzeichen Menorcas und ist seit 1985 als geschützte Ursprungsbezeichnung bei der Europäischen Union eingetragen. Die Ursprünge des menorquinischen Käses gehen bis mindestens ins 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurück, und wenige Jahrhunderte später bestand auf der Insel bereits nachweislich eine bedeutende Käseproduktion.
Auch die Bezeichnung „Mahón-Käse“ ist keine neuartige Erfindung, sondern bestand schon im Mittelalter, als der Käse aus Mahón in den königlichen Archiven aufgrund seiner überregionalen Bedeutung hervorgehoben wurde. Mahón – der spanische Name für das katalanische Maó – entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Exporthafen für den menorquinischen Käse. Heute wird der Mahón-Käse auf der ganzen Insel produziert und in verschiedenen Reifegraden angeboten.
Oberstes Bild: Einsamer Strand auf Menorca (Bild: Ian Kirk / Wikimedia / CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“ color=“grey“]