Ponferrada und die antiken Goldminen von Las Médulas

Rund 30 Kilometer südwestlich der Stadt Ponferrada in Spanien erstreckt sich eine der merkwürdigsten Berglandschaften, die die Iberische Halbinsel zu bieten hat – Las Médulas.

Wer erstmals die rotgelben, senkrecht in die Höhe ragenden Felswände und -spitzen mit ihren grünen Hauben sieht, in deren Schutz Kastanien und Eichen wachsen, mag kaum glauben, dass es sich um ein Werk aus Menschenhand handelt. Tatsächlich befand sich hier einmal die ertragsreichste Goldmine des Römischen Reiches.

Tempelherren in Ponferrada

Zugegeben, wer Ponferrada als Ausgangpunkt für eine Tour nach Las Médulas wählt, mag zunächst einmal enttäuscht sein. Es gibt wahrhaft schönere und bedeutendere Städte in Spanien als das Industriezentrum im Westen der Provinz Leon. Immerhin hat die Stadt nicht nur Fabriken und Wohnsilos zu bieten, sondern auch ein paar bedeutende historische Sehenswürdigkeiten.

Die Burg von Ponferrada könnte gut als Kulisse für einen Mantel-und-Degen-Film dienen. Der Bau aus dem 12. Jahrhundert gehörte ursprünglich einmal dem legendären Templerorden. Die Basílica de la Encina ist ein schönes Beispiel sakraler Architektur der Renaissance. Und die Calle Reloj als Verbindungsweg zwischen Basilika und Rathausplatz lässt noch das historische Ponferrada erahnen. Im Umfeld der Stadt gibt es einige bedeutende Klöster und Kirchen des sogenannten mozarabischen Baustils. Als Mozaraber werden Christen bezeichnet, die im maurischen Spanien ihren Glauben beibehielten. Die mozarabische Architektur vereint in charakteristischer Weise romanische und arabische Stilelemente.


Die Burg von Ponferrada (Bild: P.Lameiro, Wikimedia, CC)

Der gut halbstündige Weg nach Las Médulas führt über eine Landstrasse Richtung Südwesten. Hier fährt man durch eine sanfthügelige, typisch mediterrane Macchien-Landschaft. Beim Dorf Carucedo biegt dann nach gut 20 Kilometern ein Abzweig Richtung Las Médulas ab. Die Bergregion wird schon einige Minuten später erreicht. Wer hierherkommt, mag zunächst kaum glauben, dass die Felsabgründe menschengemacht sind. Welche Kräfte waren vor 2000 Jahren imstande, die Landschaft derart umzuformen? In einer Zeit, als es keine Maschinen gab, keine Industrieroboter, nur menschliche Arbeitskraft. Halbe Berge scheinen hier abgetragen worden zu sein. Tiefe Krater und Schluchten wurden förmlich in die Erde hineingefräst. Das ganze Gebiet umfasst eine Fläche von rund 20 Quadratkilometern, die eigentliche Minenregion ist kleiner.


Die Landschaft von Las Medulas (Bild: David Perez, Wikimedia, CC)

Ruina montium – römische Bergbautechnik

Die Römer kamen um die Zeitenwende hierher. Zur Zeit des Kaisers Augustus wurde das Gebiet des heutigen Nordspanien endgültig dem Imperium einverleibt. Vorausgegangen waren langwierige Kämpfe mit dem einheimischen Volksstamm der Kantabrer. Die römische Militärmacht behielt schliesslich die Oberhand.

Bereits in vorrömischer Zeit war die Iberische Halbinsel wegen ihres Erzreichtums bekannt – ein Grund, warum hier die Grossmächte Karthago und Rom aneinandergerieten. Besonders das Gold Spaniens war begehrt. Dass in Las Médulas Gold zu finden war, wussten die Römer offenbar bereits vor der Eroberung der Gegend. Schon kurz nach der Niederwerfung der Kantabrer begann man mit dem Bergbau.

Dabei wendeten die Römer als gewiefte Ingenieure eine spezielle Technik an. Die traditionelle, von den Einheimischen genutzte Methode des Goldwaschens aus Bächen und Flüssen war ihnen zu mühsam und zu wenig effektiv. Auch insofern nahmen sie bereits die moderne Industriegesellschaft vorweg. Das von ihnen erfundene Verfahren wurde sehr treffend „ruina montium“ genannt – Bergsturz.

Zu diesem Zweck gruben Arbeiter ein System von Gängen und Stollen in die Berge; anschliessend wurden grosse Mengen Wasser eingeleitet, die einen so gewaltigen Druck erzeugten, dass Teile des Gesteins abgesprengt und weggeschwemmt wurden. Das Abraummaterial, das über entsprechende Kanäle abgeleitet wurde, durchsuchte man dann gezielt nach Gold. Es war also die Kombination aus menschlicher Muskelkraft und Wasserkraft, die das gewünschte Zerstörungswerk bewirkte.


Die Berg- und Felsenwelt von Las Médulas (Bild: FirkinCat, Wikimedia, CC)

Die Kraft des Wassers

Der ganze Abbau hing damit von der Verfügbarkeit und der geeigneten Zuleitung des Wassers ab. Dazu wurde ein ausgefeiltes Kanalsystem angelegt. Das Wasser kam aus der ein Stück weit entfernten Sierra de La Cabrera. Dazu zweigte man sieben Kanäle vom Rio Cabo ab, einem Fluss der Region, der dank des Schmelzwassers des über 2000 Meter hohen Pico Teleno immer genug Wasser führte. Das Kanalsystem umfasste insgesamt eine Länge von über 100 Kilometern. Reste davon sind heute noch erhalten und deutlich zu erkennen. Das Wasser wurde im Umfeld von Las Médulas in Teichen gesammelt.

Die Anlage ist eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Die römischen Ingenieure mussten nicht nur die benötigten Wassermengen zutreffend kalkulieren. Auch die Neigungswinkel zur Erzeugung der nötigen Fliessgeschwindigkeit mussten richtig berechnet werden.

Bei der Auswaschung des Abraummaterials setzte man ebenfalls auf die Kraft des Wassers. In die mit Brettern ausgelegten Abraumkanäle wurden Äste gelegt, die kleine Strudel erzeugten, in denen das schwerere Gold absank, während das leichtere Material weitergespült wurde.

Wertlosen Schutt schichteten die Arbeiter zu Steinhaufen auf, die neben den Felsrudimenten auch zum Gesicht von Las Médulas gehören. Rund 200 Jahre war die Goldmine in Betrieb, dann erschöpften sich die Vorkommen allmählich. In diesem Zeitraum sollen hier rund 60’000 Arbeiter insgesamt über 100 Millionen Kubikmeter Abraummaterial bewegt und durchwühlt haben. Dabei beschäftigte die Mine zeitgleich bis zu mehrere Tausend Goldsucher. Es handelte sich um bezahlte Kräfte, nicht um Sklaven.


Eine der Galerien in den Medulas (Bild: Håkan Svensson, Wikimedia, GNU)

Milliardenwerte aus Las Médulas

Trotz effizienter Technik und einer gewissen Automatisierung war die Goldsuche mühsam und ein hartes Geschäft. Auf 122’000 Kubikmeter Schutt kam im Schnitt ein Kilogramm Gold. Schätzungsweise hat Las Médulas im Laufe seiner Minen-Existenz trotzdem 1630 Tonnen Gold produziert. Das entspricht nach heutigem Goldpreis einem Wert von etwa 60 Milliarden Schweizer Franken. Das Gold wurde im alten Rom vor allem zur Münzprägung genutzt. Das Edelmetall aus Las Médulas diente der Geldversorgung des Imperiums.

So wirksam die antiken Bergbaumethoden waren, ganz konnten sie das vorhandene Gestein nicht zerstören. Zum Glück, denn das, was die Wassermassen nicht schleiften, blieb uns als die bizarre Felsenwelt von Las Médulas erhalten. Nach dem Ende der Mine eroberte sich die Natur die Gegend zurück. Bäume und Pflanzen überwucherten allmählich die verlassenen Abbaustellen, das vertraute Landschaftsbild entstand.



Heute führt ein Netz von Wanderwegen rund um die antike Goldmine. Sie bieten dem Besucher immer wieder neue Perspektiven auf die Felsenwelt. Je nach Tageszeit und dem Spiel von Licht und Schatten präsentiert sich dabei Las Médulas dem Betrachter in faszinierenden Farbfacetten, mal mehr rot, mal mehr ockerfarben und manchmal auch ein wenig golden – der einzige Goldglanz, der diesem Ort verblieben ist.

 

Oberstes Bild: Las Medulas (© Rafael Ibáñez Fernández, Wikimedia, CC)

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem großen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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