Reisebericht Houston, oder: NASA und viel, viel mehr

Houston Skyline

„Houston, wir haben ein Problem…“ Die meisten kennen Houston sicherlich durch Raumfahrt, Mondexpeditionen und die NASA. Tatsächlich ist das NASA Space Center eine der wichtigsten Attraktionen der viertgrössten Stadt der USA.

Aber die texanische Metropole hat noch mehr zu bieten. Gerade für Besucher aus der schönen, beschaulichen Schweiz ist Houston eine genauso verrückte wie vergnügliche Reise wert. Ein persönlicher Reisebericht.

Gigantisch gross

Als ich am internationalen George-Bush-Airport ankomme, ist es später Abend. Müde vom langen Transatlantikflug, tappe ich gleich in eine Falle: Ich nehme das erstbeste Taxi, dessen Fahrer noch im Flughafengebäude auf mich zukommt und mir versichert, er habe ein Taxameter, das genauestens abrechnet. Das stimmt, nur leider steht am Ende eine Rechnung von 160 Dollar ins Haus! Später erfahre ich, dass die Taxifahrt in den Houstoner Süden (wo mein Hotel ist), gerade mal die Hälfte kostet. Beim nächsten Mal also auf jeden Fall ein Taxi vom Taxistand, oder noch besser: Lyft.


Die Saturn V-Rakete, mit der die Apollo 11-Mission 1969 zum Mond flog. (Bild: Alin Cucu)
Die Saturn V-Rakete, mit der die Apollo 11-Mission 1969 zum Mond flog. (Bild: Alin Cucu)

Ja, den Online-Fahrvermittlungsdienst (die noch günstigere Alternative zu Uber) habe ich in meinen Tagen wirklich schätzen gelernt. Denn Houston ist zunächst mal eins: riesig gross! Mit über 1600 km2 Fläche ist es die US-Stadt mit der grössten Ausdehnung. Wäre es ein Schweizer Kanton, würde es flächenmässig den neunten Platz einnehmen, nur knapp hinter dem Kanton Zürich! Nicht, dass Houston ein Moloch wäre. Bei all seiner Grösse hat es „nur“ 2,3 Millionen Einwohner. Zum Vergleich: Zürich hat etwas mehr als ein Sechstel der Einwohner Houstons, ist aber fast 18 Mal so klein! Auf jeden Fall ist es um das öffentliche Nahverkehrsnetz schlecht bestellt. U- und S-Bahnen sucht man vergebens, und mit Bussen will man die riesigen Distanzen auch nicht zurücklegen. Also: Lyft-App installiert, Abhol- und Zielort eingeben, und los geht’s! Die Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit des Systems haben mich restlos überzeugt – auch die Fahrer waren meist freundliche Typen mit sauberen, modernen Autos.

Texanische (Ess-)Kultur

Meine Reise führt mich zunächst geschäftlich an die private Houston Baptist University. Ich staune darüber, welch lebendige Orte des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches private Initiativen in den USA hervorbrachten! Meine Kollegen bestehen beim anschliessenden Mittagessen auf „proper Texan food“ – fleischlastig natürlich, aber dennoch ganz anders als das klischeehaft amerikanische Fastfood. Abends treffen wir uns auf ein Bier im Richmond Arms Pub. Dort probiere ich ein texanisches „Artisan“-Bier, das sind Biere lokaler, kleiner Brauereien, nicht zuletzt weil mein Lyft-Fahrer Rory so sehr davon geschwärmt hatte. Nicht schlecht – landet in meiner Hitliste nicht weit hinter Tegernseer Hellem, Lammsbräu und Quöllfrisch.



Theater District und Rodeo

Auf den Fahrten kreuz und quer durch die Megacity fallen natürlich immer wieder die Wolkenkratzer von Houston Downtown auf. Dort hätten grosse Ölkonzerne ihre Hauptquartiere, erklärt mir ein Fahrer. Die Ölförderung spielt ja in Texas traditionell eine herausragende Rolle. Doch Downtown hat noch mehr zu bieten, nämlich eine ganze Menge kultureller Einrichtungen wie die Houston Grand Opera, das Houston Ballet, das Houston Symphony Orchestra oder verschiedene Theater und Museen. Ziemlich untexanisch? Es geht auch anders.

Denn: Was mir auf einigen ebenfalls ins Auge sticht, ist das gigantische NRG Stadium. Was dort wohl abläuft, frage ich? Die Antwort: Rodeo! Jedes Jahr kommen über 2,5 Millionen (!) Besucher über drei Wochen hinweg nach Houston, um sich das Spektakel, das natürlich auch mit hochkarätigen Konzerten gespickt ist, anzusehen. Das ist nun wirklich ur-texanisch! Wem diese Lebensart gut gefällt, kann sich bei „Cavender’s Boot City“ mit entsprechenden Klamotten und Accessoires eindecken. Die beiden Wrangler-Jeans, die ich meinen Jungs dort kaufte, zeigen auch nach über einem Jahr Nutzung kaum Abnutzungsspuren. Und das heisst was.


Cavender
Cavender’s Boot City: Hier kommen alle Liebhaber des Texanischen voll auf ihre Kosten. (Bild: Alin Cucu)

Galveston Island State Park

Nach zwei Tagen voller Grossstadt-Dröhnung brauche ich wieder etwas Natur. Per Lyft gelange ich zum Galveston Island State Park, knapp 50 km südlich von Houston. Wunderschön ruhig ist es dort! Einzig das Rauschen des Meeres hört man, und hin und wieder einen Vogel. Nein, einen Alligator bekam ich trotz warnender Schilder nicht zu Gesicht, dafür Einsiedlerkrebse. Die Kerlchen schnappen sich einfach leere Muschelschalen und erklären diese zu ihrem neuen Zuhause. Witzigerweise hatte sich mein älterer Sohn kurz zuvor eine Tierdoku über Einsiedlerkrebse angesehen. Daran denkend hob ich eine Muschel aus dem Sand auf, und siehe da – einfach herrlich!


Ein Einsiedlerkrebs im Galveston Island State Park. (Bild: Alin Cucu)
Ein Einsiedlerkrebs im Galveston Island State Park. (Bild: Alin Cucu)

Lakewood Church

Auch sie fiel mir bei den diversen Autofahrten auf, und Lyft-Fahrer Faustino sprach dermassen begeistert davon, dass ich sie mir mal anschauen musste: die Lakewood Church, ihres Zeichens grösste Megachurch der USA mit wöchentlich über 40‘000 Gottesdienstbesuchern, gelegen im ehemaligen Compaq Center, das die Kirche für einen dreistelligen Millionenbetrag in eine Art modernen Supertempel umbauen liess. In die Halle passen gut 20‘000 Menschen, am Samstagabend ist sie allerdings bei weitem nicht voll. Das Pastorenehepaar Joel und Victoria Osteen sowie die Worship-Band bieten eine beeindruckende Show; doch während Osteens Predigt mir Mut macht, finde ich die Musik zu rockig, zu laut, zu konzertmässig. Dennoch, wer Amerika verstehen will, muss hier mal reingeschnuppert haben!


Gottesdienst in der Lakewood Church, der grössten Freikirche der USA. (Bild: Alin Cucu)
Gottesdienst in der Lakewood Church, der grössten Freikirche der USA. (Bild: Alin Cucu)

NASA Space Center

Das vielleicht grösste Highlight Houstons liess ich mir natürlich nicht entgehen. Empfehlung: Vorher online eine Karte kaufen, das erspart einem das Anstehen, das wegen Schulklassen-Ansturm schon mal länger ausfallen kann. Das Space Center ist ein absolutes Eldorado für jeden, der sich auch nur irgendwie für Raumfahrt interessiert. Berührbare Exponate von Mond- und Marsgestein, die Original-Raumkapsel der 1969er-Mondmission sowie die zugehörige Saturn V-Rakete in voller Grösse findet man da, nebst einem voll begehbaren ausrangierten Spaceshuttle. Und schliesslich kann man dann noch den Raum begehen, in dem die Worte „Houston, we have a problem“ zuerst erklangen: das Mission Center, das inzwischen ausser Betrieb ist, dafür aber umso mehr die magische Atmosphäre der Raumfahrt-Pionierzeit atmet.


Das ehemalige Mission Control Center der NASA. Von hier wurde u.a. die Mondlandung 1969 koordiniert. (Bild: Alin Cucu)
Das ehemalige Mission Control Center der NASA. Von hier wurde u.a. die Mondlandung 1969 koordiniert. (Bild: Alin Cucu)

Nach sechs intensiven Tagen in dieser intensiven Stadt bin ich froh, wieder im Flugzeug zurück in die Schweiz zu sitzen. In so einer Stadt zu leben, nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber wiederkommen, für ein paar weitere verrückte Houston-Tage: auf jeden Fall! „Houston, I like you!“

 

Titelbild: Sean Pavone / shutterstock

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