theALPS: Herausforderungen für alpine Winterreisen werden erforscht

Rund 100 Touristiker und Medienvertreter aus dem Alpenboten tragen sich gestern beim Auftakt von theALPS 2016 beim Media Summit im ORF Landesstudio Tirol. Die Veranstaltung wurde von ORF-Landesdirektor Helmut Krieghofer, Landeshauptmann Günther Platter und AlpNet-Präsident Josef Margreiter eröffnet. Erste Einblicke in das aktuelle Forschungsprojekt „Winterreisen in die Alpen“ gaben dabei Ralf Roth (Deutsche Sporthochschule Köln), Hubert Siller (MCI Tourismus, Innsbruck) und Harald Pechlaner (EURAC Research, Bozen).

Im Rahmen der Studie hat ein Team aus Forschern aus fünf Alpenländern aktuelle Zahlen zu diesem Wirtschaftszweig auf Basis verschiedener statistischer Quellen aufbereitet. Demnach zählen die Alpenländer laut MCI Tourismus zusammen (Stand 2015) rund 386 Millionen entgeltliche Übernachtungen von Touristen, das sind 14,4 Prozent der EU-28 Übernachtungen.

Weitere 126 Millionen Übernachtungen gehen auf das Konto von Zweit- und Freizeitwohnsitzen. Zusammen gerechnet (kommerzielle und nicht-kommerzielle Übernachtungen) entfällt nahezu jede fünfte Übernachtung in den EU-28 auf den Alpenraum.

Winterferien in den Alpen

8,2 Prozent aller (kommerziellen und nicht-kommerziellen) Übernachtungen der EU-28 fallen zwischen November und April im Alpenraum an. In den Alpen selbst ist die Wintersaison mit einem Anteil von 43,3 Prozent an den kommerziellen Übernachtungen sehr bedeutend. Gesamt betrachtet verfügen die Alpenstaaten laut BAK Basel über 7,5 Millionen kommerzielle Betten. Nur jedes zweite Bett im Alpenraum ist ein kommerzielles, jedes sechste ein Hotelbett.

Mit aktuell 158 Millionen Skifahrertagen bei 48,2 Millionen aktiven Skifahrern entfällt fast die Hälfte aller weltweit gezählten Skifahrertage (45%) auf die Alpen: Ein  Drittel davon kann allein Österreich für sich verbuchen (51 Millionen Skifahrertage), weitere 30 Prozent (48 Millionen Skifahrertage) gehen auf das Konto von Frankreich. Es folgen Italien (29 Millionen Skifahrertage), die Schweiz (25 Millionen Skifahrertage), Deutschland (4 Millionen Skifahrertage) und Slowenien (1 Million Skifahrertage).

Wie dem „2016 International Report on Snow & Mountain Tourism“ von Laurent Vanat zu entnehmen ist, befinden sich 86 Prozent aller grösseren Skiresorts mit mehr als einer Million Besucher pro Wintersaison in den Alpen; 10.080 Seilbahnen und Lifte finden sich hier, das sind 38 Prozent aller weltweit gezählten. Das MCI Tourismus in Innsbruck hat darüber hinaus aktuell erhoben, dass die 2.174 Skischulen in den Alpen 84 Prozent aller Skischulen weltweit darstellen.

Drei zentrale Herausforderungen

Im Rahmen des theALPS Media Summit am 19. November 2016 in Innsbruck präsentierten die Forscher des Projektverbunds, Harald Pechlaner, Ralf Roth und Hubert Siller, mit drei so genannten „zentralen Herausforderungen für Winterreisen 2030“ weitere Kernergebnisse des Forschungsprojektes „Winterreisen in die Alpen“.

1. Wirtschaftsfaktor Schnee

„Schneeerlebnisse sind einzigartig und aus diesem Grund nicht zu ersetzen“, so der Auftakt von Hubert Siller, MCI Tourismus in Innsbruck, der die Herausforderung „The Snow Experience Economy“ vorstellte. „Dass die Alpen hier hohe Kompetenz aufweisen, kann aus der enormen Gästezufriedenheit abgeleitet werden.“ Die 2014 vom MCI durchgeführte Bergprofilstudie ergab beispielsweise, dass 62,5 Prozent aller deutschen Gäste mit ihrem Winterurlaub in den Alpen „sehr zufrieden“, zusätzliche 29,7 Prozent „zufrieden“ sind. Aktuelle Auswertungen der Net Promotor Scores (NPS) in zahlreichen Wintersportregionen bestätigen mit Werten über 50 (= exzellent) diese hohen Zufriedenheitswerte.

Der „Wirtschaftsfaktor Schnee“ ist für viele alpine Regionen sowohl wirtschaftliches als auch soziales Rückgrat. Im Speziellen trifft dies auf Tirol, Salzburg, Vorarlberg, Graubünden und das Wallis zu, wo zumindest zwei Drittel der touristischen Wertschöpfung auf den Winter entfallen. Da die durchschnittlichen Winter-Tagesausgaben rund 30 Prozent höher sind als im Sommer, ist der Wintertourismus der Treiber für Investitionen von Unternehmen und Destinationen.

Schnee ist dabei die Grundlage und gleichzeitig ein zentraler Erlebnisfaktor: Aktuelle Marktforschungsstudien, die im Rahmen des umfassenden Literaturscreenings von den Forschern analysiert wurden, zeigen, dass Bewegung, aktive Erholung in winterlicher Atmosphäre und frische Luft die positivsten Assoziationen der Gäste mit Winterreisen in die Alpen darstellen.

Die grösste Herausforderung für die Weiterentwicklung der „Snow Experience Economy” sieht Siller in der erfolgreichen und nachhaltigen Heranbildung von künftigen Generationen von Wintersport-Enthusiasten, vor allem vor dem Hintergrund sich rasch ändernder Gesellschaftsstrukturen in den wichtigen Herkunftsmärkten.

2. Nachhaltig Reisen

In der Fachwelt, das bestätigen die Ergebnisse des umfassenden Literaturscreenings, besteht Konsens darüber, dass sich das Klima in den letzten Jahrzehnten auch im Alpenraum wesentlich verändert hat. Anerkannten Szenarien zufolge ist anzunehmen, dass die mittlere Lufttemperatur in den Wintermonaten im Alpenraum bis 2100 um ca. 2° Celsius ansteigen wird.

Aber: „Insbesondere für die nahe Zukunft sind standortsbezogene Wintersportrahmenbedingungen, wie Temperatur, Niederschlag und Schneedeckenandauer nicht vorhersagbar“, so Ralf Roth im Zuge seiner Präsentation der Herausforderung „Sustainability & Climate Change“. Daher wären gerade bei alpinen Winterreisen eine qualitative Entwicklung mit Augenmass sowie eine zunehmende Risikostreuung über ergänzende Angebote angesagt. Fakt ist auch, dass Investitionen in ein nachhaltiges Energie-, Wasser- und Flächen-Management wirtschaftlich sind und zu einem Wettbewerbsvorteil im internationalen Tourismus werden können.



Der überwiegende Teil der Wintergäste kommt aus den Alpenländern selbst (Schweiz 55 Prozent Inländer), Italien (65 Prozent Inländer) und Frankreich (70 Prozent Inländer). Nur Österreich und Andorra generieren mehr Skifahrertage aus dem Ausland. Die Forscher sind sich einig: Eine Substitution von Winterreisen in die Alpen durch Fernreisen, Sun & Beach oder Kreuzfahrten hätte eine deutliche Verschlechterung des touristischen Klima-Fussabdrucks zur Folge. Und dennoch: Der motorisierte Individualverkehr zählt zu den grossen Herausforderungen des Wintertourismus, es braucht daher noch mehr innovative Mobilitätslösungen zwischen Smart Cities und Wintersportorten.

Die Forschungsgruppe hat sich im Besonderen auch mit der Frage der sozialen Nachhaltigkeit von Winterreisen befasst: Winterwandern, Skilanglauf, Schlittenfahren, aber auch regelmässiges Skifahren reduzieren nachweislich Faktoren für Volkskrankheiten und fördern somit die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden.

Roth: „Wir wissen, dass diese Bewegungsangebote im Winter die körperliche Aktivität fördern und so zur Vorbeugung bewegungsassoziierter Krankheiten beitragen. Sie sind gut für die kindliche Entwicklung, stärken die Immunabwehr, die mentale Gesundheit und das psychische Wohlbefinden und haben – das ist besonders hervorzuheben – eine sozialintegrative Funktion.“ Aktive Erholung, wie sie durch Schneesport stattfinden kann, hat demnach einen nachgewiesenen höheren und dauerhaften gesundheitlichen Effekt als Formen der passiven Erholung.

3. Produktverjüngung

Mit dem Klassiker „Skiurlaub in den Bergen“ haben die Alpenländer eine Marke gesetzt, die im internationalen Vergleich ihresgleichen sucht. Vor allem technisch wurde in den vergangenen Jahren aufgerüstet, um dem Wintergast ein eindrucksvolles Winter-Sport-Erlebnis zu bieten. Die Herausforderung für die Zukunft der Winterreisen in die Alpen besteht nun im Fine-Tuning, in der Erweiterung dieses Produkt-Klassikers sowie in der emotionalen Ausgestaltung, wie Harald Pechlaner am Beispiel der Herausforderung „Product Rejuvenation“ darlegte.

„Die unternehmerische Initiative ist unverzichtbar, wenn es um Produktinnovation geht“, so Pechlaner. „Doch vor allem auch in den Destinationen sind gute Netzwerkstrukturen, die Schaffung von Synergien auf allen Ebenen und klare Zuständigkeiten entscheidend für den künftigen Erfolg im Wettbewerb.“

Pechlaner zufolge sind drei raumspezifische Strategien für die Zukunft der Winterreisen entscheidend: Der Mobilitätsraum kennzeichnet die ausgezeichnete Qualität von Infrastruktur und Aufstiegsanlagen, gefolgt vom Attraktionsraum der innovativen Dienstleistungen und Produkte vor allem im Wintersportbereich; das grösste Entwicklungspotential ist im Erlebnisraum vorhanden, wenn es darum geht, die Emotion und Atmosphäre des Bergerlebnisses im Sommer und Winter hervorzuheben.

Das Ergebnis der Delphi-Studie bzw. die Einschätzung der darin befragten Experten kann als eindeutiges Signal an die Tourismuswirtschaft im Alpenraum gesehen werden: Die laufende Investition in die Qualität von Winterreisen in die Alpen ist neben dem steten Bemühen um Akzeptanz bei Einheimischen und lokalen Stakeholdern sowie einem ausgeprägten Verständnis für und intensiver Auseinandersetzung mit dem Gast die beste und wirksamste Massnahme, um diesen für viele Alpentäler so wichtigen Wirtschaftszweig auch in den nächsten Jahren zu sichern. Hier sind unternehmerische Initiative, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gefragt.

 

Artikel von: AlpNet. Verein zur Förderung des Alpentourismus
Artikelbild: © gorillaimages – shutterstock.com

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