Unesco-Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen: Einzigartige und inspirierende Werte

Zum Unesco-Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen zählen nicht nur der barocke Bibliothekssaal und die prachtvolle Kathedrale. Auch das Wunder der schriftlichen Überlieferung gehört dazu.

Denn an keinem Ort in Europa sind frühmittelalterliche Handschriften und Urkunden in nur annähernd vergleichbarer Dichte erhalten. Ein Paradebeispiel: Der St. Galler Klosterplan. Das historische Dokument wird nun der Öffentlichkeit präsentiert.

Am 12. April eröffnet das Stiftsarchiv die neue Dauerausstellung „Wunder der Überlieferung“. Sie öffnet den Blick auf eine Lebenswelt, wie sie der reichste klösterliche Urkundenschatz Europas offenbart. Bedeutendstes Exponat ist der weltberühmte St.Galler Klosterplan. Es handelt sich dabei um die weltweit älteste noch existierende Architekturzeichnung aus dem frühen Mittelalter und gilt als ältester noch vorhandener Bauplan Europas und umfangreichste Visualisierung eines Baukomplexes aus dem Mittelalter.

Der Klosterplan, der aus fünf zusammengenähten Pergamenteilen besteht, hat eine Grösse von 112 auf 77, 5 cm. Er zeigt Grundrissdarstellungen von ungefähr vierzig Gebäudekomplexen, verzeichnet jedoch auch Gartenanlagen, Zäune, Mauern und Wege. Die Bauwerke sind vor allem durch ihre rund 333 Beschriftungen klar zu bestimmen, ebenso die Klosterkirche, das Skriptorium, eine Unterkunft der Gastmönche, Dormitorien, der Speissaal, die Küche, das Back- und Brauhaus, der Krankenbereich und eine grosse Anzahl an Wirtschaftsbauten und Handwerksbetrieben. Eine aufwendige Multivision erschliesst den Plan als Bühne klösterlichen Lebens. Erstmals wird die breite Öffentlichkeit dabei einen Blick auf das Original werfen können.



Evangelium Longum

Seit kurzem zeigt die Stiftsbibliothek im neu eröffneten Gewölbekeller die Dauerausstellung „Gallus und sein Kloster“. Sie spannt den Bogen vom Untergang der Antike über die klösterliche Überlieferung bis zur barocken Fürstabtei und zur Auflösung des Klosters in der Zeit Napoleons. Ein erster Schwerpunkt liegt auf der irischen Mission und dem Leben des heiligen Gallus. Ein zweiter Fokus gilt der karolingischen Gozbert-Basilika mit ihren aussergewöhnlichen Kapitellen. Höhepunkt ist das „Evangelium Longum“ mit dem Prachteinband von Mönch Tuotilo, das um 895 entstanden ist und von vielen Experten als das schönste Evangelium der Welt bezeichnet wird. Keine zweite Handschrift dieser Zeit ist so gut erhalten und zeitnah so gut dokumentiert wie das „Evangelium Longum“. Es trägt die grössten Elfenbeintafeln, die aus der Antike überliefert sind und einst Karl dem Grossen gehörten.

Am 12. März wurde ausserdem die Sommerausstellung der Stiftsbibliothek mit dem Titel „Vater für die Armen – Otmar und die Anfänge des Klosters St.Gallen“ eröffnet. In diesem Jahr jährt es sich zum 1300sten Mal, dass Otmar im Jahr 719 als erster Abt die von Gallus gegründete Gemeinschaft zu einem eigentlichen Kloster ausgebaut hat.



© Tourist-Information Messkirch

© Tourist-Information Messkirch

Mittelalter hautnah

Auf der Klosterbaustelle “Campus Galli”bei Messkirch, im Süden Baden-Württembergs, entsteht Tag für Tag ein Stück Mittelalter: Handwerker und Ehrenamtliche schaffen mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts ein Kloster auf Grundlage des St.Galler Klosterplans. Ein Stück Geschichte erwacht zu neuem Leben, ohne Maschinen, ohne modernes Werkzeug. Ochsen ziehen Baumstämme zur Baustelle, es werden Holzbalken mit Äxten behauen und aus der Schmiede ertönt der klingende Ton des Amboss. Alles muss von Hand gemacht werden, alles ist mühsamer, geht langsamer als heutzutage, ist vielleicht aber auch erfüllender und befriedigender. Zu erleben ist das Mittelalter hautnah, denn die faszinierende Baustelle kann ab Anfang April wieder besucht werden.

„Campus Galli“ ist ein einzigartiges Projekt, um die Zeit Karls des Grossen sichtbar und erlebbar zu machen, es ist gleichermassen ein Freilichtmuseum, wie auch ein Forschungsprojekt. Denn die tägliche, handwerkliche Auseinandersetzung mit dem Mittelalter wirft ständig neue Fragen auf: Wie sah eine frühmittelalterliche Scheune aus, wie spaltete man Schindeln und wie mischte man den Mörtel?

Auf dem Campus Galli kann auch mitgearbeitet und nachempfunden werden, wie das frühe Mittelalter gewesen sein könnte. Interessenten können alte Handwerkstechniken ausprobiern und herausfinden, wie viel langwieriger und beschwerlicher es ist, mit einem riesigen Handbohrer ein Loch in einen Balken zu bohren als mit einer Maschine. Alle sind willkommen; ob Geschichtsinteressierte, Studenten auf der Suche nach einem besonderen Praktikum, Handwerker, die zu den Wurzeln ihres Handwerks zurückkehren und ohne Termindruck arbeiten möchten oder einfach Leute, die aus der Hektik des 21. Jahrhunderts entfliehen und an der frischen Luft arbeiten wollen.

Die Mittelalterbaustelle „Campus Galli“ ist vom 2. April bis 3. November 2019 jeweils von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr für Besucher zugänglich.

www.campus-galli.de

www.tourismus-bw.de

www.st.gallen-bodensee.ch

 

Quelle: Tourismus Lifestyle Verlag GmbH, Bern
Bildquelle (sofern nicht anders angegeben): s. o.

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