Von falschen Freunden und ungeahnten Möglichkeiten: als Frau allein unterwegs
VON Andrea Rathjen Alle Länder
Als Frau werde ich vielerorts anders wahrgenommen als alleinreisende Männer. Nicht nur in ärmeren Ländern kommen immer wieder Vorurteile zum Vorschein, gerät man als Frau schnell einmal mit der Geduld an seine Grenzen. Andererseits gibt es keinen Grund, als Frau nicht ebenso die Welt zu erkunden wie männliche Reisende.
Vieles kann ich als Frau selbst beeinflussen: durch mein Auftreten, meine Kleidung und einen respektvollen Umgang mit den Einheimischen, was grundsätzlich für jeden Reisenden die erste Regel sein sollte. Darüber hinaus bieten sich alleinreisenden Frauen mitunter auch Möglichkeiten und Einblicke, von denen Männer nur träumen können.
Das ewige Problem alleinreisender Frauen
Der durchschnittliche Mitteleuropäer wird an den meisten Orten der Welt auf Anhieb als Tourist erkannt und – je nach Reiseziel – oftmals mit unverhohlener Neugier beäugt. Für Frauen kommt zu dieser an sich schon ungewohnten Situation ein weiteres Problem hinzu, denn in vielen Ländern scheint es ein Grossteil der männlichen Bevölkerung für notwendig zu halten, ausländische Frauen mit Pfiffen, Sprüchen und unliebsamen Aufmerksamkeiten jeder Art zu bedenken.
Unerwünschte Anmache kann selbst einen kurzen Wochenendtrip gründlich verderben – ganz zu schweigen von einer mehrmonatigen Rucksackreise. Wenn ich als Frau damit ein Problem habe und ohne männliche Begleitung verreisen möchte, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder wähle ich ein Reiseziel, an dem ich nicht mit übermässiger Belästigung rechnen muss, oder aber eins, an dem ich als Ausländerin nicht auf den ersten Blick auffalle. In vielen Ländern trägt ausserdem das eigene Verhalten viel dazu bei, wie ich wahrgenommen und behandelt werde.
Kleidung auf Reisen: Für Frauen besonders wichtig
Jeder Reiseführer gibt Hinweise zur angemessenen Kleidung im Reiseland. Das sind meist die üblichen Verhaltensregeln: In Gebetshäusern jeder Art sollte lange Kleidung bevorzugt werden, in Moscheen müssen Frauen zusätzlich den Kopf bedecken, in einigen Ländern gelten beispielsweise kurze Hosen als unangemessen. Für Frauen kommt hinzu, dass sie in besonderem Masse über ihre Kleidung definiert werden. So gilt sehr knappe oder tief ausgeschnittene Kleidung vielerorts als billig, und mit einem Outfit, nach dem sich in Europa niemand umdrehen würde, können Frauen in anderen Ländern unbemerkt einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen. Die ersten Anmach-Versuche lassen dann meist nicht lange auf sich warten.
Als Frau bemühe ich mich oft in besonderem Masse, mich der Kleidung der Einheimischen anzupassen. Das heisst nicht, dass ich gleich zur traditionellen Tracht greife, aber wenn die örtlichen Frauen fast ausnahmslos langärmlige Kleidung tragen, liege ich selbst damit wahrscheinlich nicht ganz falsch. Mit ein wenig Beobachtung und Anpassung lassen sich auf diese Weise viele Missverständnisse vermeiden. Hilfreich ist es oftmals, mit wenig Kleidung zu verreisen und lieber vor Ort noch ein wenig nachzurüsten. So schlage ich drei Fliegen mit einer Klappe: Ich kann mich nach den örtlichen Bräuchen richten, meine Kleidung optimal dem Klima anpassen und oftmals auch noch besonders günstig einkaufen.
Allein unterwegs – wie verhalte ich mich?
Der wichtigste Grundsatz, den ich als alleinreisende Frau gelernt habe: Ich muss nicht immer freundlich sein. Das bedeutet nicht, auf Respekt und Höflichkeit zu verzichten, und ein wenig Offenheit kann natürlich viele Türen öffnen. Gegenüber fremden Männern und deren Freundschaftsangeboten sollten alleinreisende Frauen jedoch grundsätzlich ein gesundes Misstrauen entwickeln, denn oft stecken nicht nur gute Absichten dahinter. Für erfahrene Reisende ist das nichts Neues; unerfahrene Reisende geraten jedoch immer wieder in die Zwickmühle, einfach nur freundlich sein zu wollen und hinterher unliebsame „Freunde“ nicht mehr loszuwerden.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, zu fremden Männern immer etwas Distanz zu wahren, ohne dabei unhöflich zu sein. Mit der Zeit entwickeln alleinreisende Frauen dann meist ein gutes Gespür dafür, wer einfach nur helfen möchte und von wem man sich besser fernhalten sollte. Und im Kontakt zu einheimischen Frauen schmilzt das Eis dafür meist umso schneller.
Als Frau allein unterwegs – nicht immer ein Nachteil
Es hat nicht immer nur Nachteile, als Frau unterwegs zu sein – wenn man denn überhaupt von Nachteilen sprechen will. Bei Reisen mit schwerem Gepäck dauert es meist nicht lange, bis ein freundlicher Helfer den schweren Koffer im Bus ins Gepäckfach wuchtet, und spricht eine alleinreisende Frau auf der Suche nach dem richtigen Weg Passanten an, sind diese oft weit weniger misstrauisch als gegenüber einem fremden Mann.
Der grösste Vorteil als Frau liegt jedoch darin, dass wir an vielen Orten der Welt einen ganz besonderen Einblick in das Alltagsleben der örtlichen Frauen erhalten können. Die männliche Bevölkerung trifft sich fast überall auf der Strasse und an öffentlichen Orten – nicht so die Frauen, deren soziales Leben sich in vielen Ländern fast ausschliesslich zu Hause abspielt. Eine private Einladung kann alleinreisenden Frauen einen Einblick in eine Welt bieten, die männlichen Reisenden für immer verschlossen bleiben wird.
Oberstes Bild: Allein am Strand (© Inessa Podushko / pixelio.de)