Weihnachtswelt: Millionen unter dem Weihnachtsbaum oder Weihnachten auf Spanisch geht weiter
VON Natalia Muler Alle Länder Europa
Aber erst kommt die Weihnachtslotterie. So leicht zu verstehen ist sie nicht, und am Anfang kann man den Zustand der allgemeinen Aufregung nur schwierig nachvollziehen. Und doch ist die Lotterie schon seit zwei Jahrhunderten ein unentbehrlicher Teil der spanischen Weihnachtszeit. Die erste Ziehung fand im Jahr 1812 statt, und die Lotterieregeln haben sich seitdem nur unwesentlich verändert.
Dies ist ein Bericht über Weihnachten in Spanien in zwei Teilen. Hier das Inhaltsverzeichnis:
1. Teil: Weihnachtswelt: Vorbereitung ist das halbe Fest oder Weihnachten auf Spanisch
2. Teil: Weihnachtswelt: Millionen unter dem Weihnachtsbaum oder Weihnachten auf Spanisch geht weiterErhältlich sind die Lotterielose schon seit Mitte Juli, doch ist es der späte Herbst und Anfang Winter, wann die Beschaffung der Lotteriescheine einen epidemischen Charakter annimmt und, vor allem, Gefühle der Gemeinschaft, der Zugehörigkeit und der geteilten Vorfreude in der Bevölkerung zu Folge hat. All dies kommt durch die wirklich verwickelten Regeln der Lotterie. Ein Los, billete, ist ein grosser Papierbogen, auf dem 10 Zehntellose, décimos, gedruckt sind. Alle Zehntellose tragen die gleiche Nummer. Man kann ein ganzes Los oder Zehntellose aus verschiedenen Losserien kaufen. Ein ganzes Los kostet (Achtung!) 200 Euro. Das ist nicht so wenig, deswegen passiert das Folgende: Die grossen spanischen Familien kaufen ein billete und verteilen es unter den Einzelfamilien; ein reicher Opa schenkt Zehntellose an alle seine Enkelkinder; die Firmen kaufen ganze Lose und verkaufen décimos an die Mitarbeiter und Kunden. Praktisch heisst das: Man bekommt einen Schein zum Geburtstag oder zur Hochzeit geschenkt (besonders wenn man diese im Herbst feiert); man hat ein Zehntellos von der Arbeitsstelle, denn alle machen mit; und schliesslich geht man zum Metzger und kommt nicht nur mit einem Pfund Hackfleisch, sondern auch mit einem décimo raus. Letztendlich geben Spanier bis zum 22. Dezember je nach Provinz zwischen 35 und 90 € (wieder Achtung!) pro Kopf aus. Praktisch heisst das, dass es bei vielen um mehrere hundert Euro geht. Es ist nicht wenig Geld, aber sogar als Urlauber lohnt es sich wenigstens mit einem décimo mitzumachen. Die allgemeine Euphorie ist einfach zu ansteckend.
Was ist daran so spannend? Nun erstens – der mögliche Gewinn. El gordo, also der 1. Preis, beträgt 4´000´000 €. Insgesamt gibt fünf Hauptpreise: Je ein erster, zweiter (1´250´000 €) und dritter (500´000 €) Preis; zwei vierte Preise (200´000 €) und acht fünfte Preise (60´000 €). Und dann fängt pedrea (wortwörtlich Stein- oder Hagelschlag) an: Es hagelt 1´794 Preise je 1´000 € über ganz Spanien. Ausserdem gibt es noch tausende Nebenpreise, wenn man wenigstens einen Teil der Glückskombination hatte.
Zweitens ist die Natur der Lotterie selbst anziehend: Es gewinnen einfach sehr viele. Und da alle Zehntel eines Loses die gleiche Nummer haben, werden die Menschen, die die gleichen glücklichen décimos haben, am Morgen des 22. Dezember zu Gewinnern der Lotterie. Alle Mitglieder einer Familie, oder Mitarbeiter einer Firma, oder Kunden eines Fitnessstudios, oder Bewohner eines kleinen Bergdorfes werden plötzlich von superreich bis einfach über die gewonnenen 100 € glücklich, denn, wie man hier sagt, „me ha tocado“ – es hat mich berührt. An diesem Tag gibt es im Fernsehen kaum ein anderes Thema: Es spritzt nur so vom Sekt, die Menschen tanzen euphorisch auf der Strasse, lachen und weinen vor Freude. Und die weniger Glücklichen freuen sich mit und legen sich schon ein paar Scheine für das nächste Jahr zur Seite.
Nun kann Weinachten beginnen. Am Heiligabend und dann auch am Weihnachtstag kommen die Familien zusammen und feiern ausgiebig das schönste Fest des Jahres. Gegessen wird oft Fisch und Meeresfrüchte, begleitet von gekühltem Weisswein. Zum Nachtisch gibt es turrón de chocolate oder Marzipanbonbons.
Viel lauter wird die letzte Nacht des Jahres. Man geht gewöhnlich aus. Restaurants und Diskotheken sind überfüllt. Viele kommen auf dem Hauptplatz des Ortes zusammen und heissen um Mitternacht mit Feuerwerk und Musik das neue Jahr willkommen. Wenn die Uhren die letzte Minute des Jahres schlagen, essen Spanier zwölf Weintrauben. Es soll Glück bringen, wenn man es geschafft hat, alle zwölf bis um Punkt Null Uhr aufzuessen. Das ist aber gar nicht so einfach, weil lachen und essen nur schwierig zusammen geht. Und nicht zu lachen, wenn man sieht, wie alle, von Kleinkindern bis zu hochbetagten Omas und Opas, sich um die Wette die Weintrauben in den Mund stopfen, ist fast unmöglich.
Die Bescherung für die Kinder gibt es eigentlich am 6. Januar, wenn die drei Könige kommen. Praktisch kriegen die Kleinen heutzutage dank Werbung und den nördlichen Nachbarn die Geschenke zweimal – am Heiligabend und auch am Dreikönigstag. Und das erste macht schon Sinn, denn so haben die Kinder die ganzen Weihnachtsferien, um sich mit neuen Spielzeugen zu beschäftigen.
Die Erwachsenen geniessen am Dreikönigstag heisse Schokolade und roscón de reyes, einen Kranzkuchen aus Hefeteig, der mit kandierten Früchten verziert ist. Es gibt ihn einfach oder mit Sahne- oder Trüffelfühlung. Im Kranz sind ein kleines Porzellanfigürchen und eine Bohne versteckt. Wer in seinem Kuchenstück die Bohne findet, zahlt den Kuchen. Und derjenige, der an der Porzellanfigur beisst, wird zum „König“ gekrönt.
Oberstes Bild: die letzten Sekunden des Jahres, Puerta del Sol, Madrid (Bild: JP Puerta, Wikimedia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“][vc_gmaps type=“m“ zoom=“14″ link=“https://maps.google.com/maps?q=Spanien&hl=es&ie=UTF8&sll=37.0625,-95.677068&sspn=54.533615,79.013672&oq=span&hnear=Espa%C3%B1a&t=m&z=6″ size=“350″]