Mönchsleben am biblischen Ort – das Katharinenkloster

Es gehört zu den altehrwürdigsten Einrichtungen der Christenheit – das Katharinenkloster im Süden der Halbinsel Sinai. Inmitten schroffer Wüstenberge gelegen, ist es auch heute noch ein einzigartiger Ort mönchischen Lebens und bezeugten Glaubens.

Ein Besuch des uralten Klosters ist wie eine biblische Zeitreise. Die Umgebung des Ortes besitzt zentrale Bedeutung für Juden, Christen und Muslime gleichermassen. In diesem Sinne ist das Koster auch ein Symbol für die gemeinsamen Wurzeln der drei Weltreligionen.

Bau des byzantinischen Kaisers in der Wüste

Obwohl das Katharinenkloster in einer Region liegt, die seit jeher und bis heute von Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt ist, haben die Mönche die Wirren und Umwälzungen der Zeitläufte immer unbeschadet überstanden – was an sich schon ein Wunder ist. Dazu mag die abgeschiedene Lage in einer unwirtlichen Region beigetragen haben. Das Katharinenkloster ist das älteste ohne Unterbrechung bewohnte Kloster der Christenheit. Heute bildet es – neben den Bauten der Pharaonen – eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten Ägyptens.

Als das Kloster im 6. Jahrhundert nach Christus gegründet wurde, sah die Welt noch anders aus. Ägypten war ein christliches Land und Teil des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches. Kaiser Justinian, der auch die berühmte Hagia Sophia in Konstantinopel errichten liess, gilt als Bauherr des Klosters. Bereits vorher hatten an dem Ort Mönche bei einer Marienkapelle gelebt, die von Helena, der Mutter Kaiser Konstantins des Grossen, erbaut worden sein soll.

Der Klosterbau Justinians diente dem Schutz der Mönche. Daher wurde die Anlage mit einer festungsartigen Mauer umgeben, die auch heute noch den gesamten Komplex umgibt. Sie bildet ein ungleichmässiges Rechteck mit einer Grundfläche von rund 6500 Quadratmetern – ein überschaubarer Raum. Die Hauptkirche des Klosters stammt ebenfalls aus der Zeit Justinians, die anderen Bauten entstanden in den Jahrhunderten danach. Wenig später sollte der Sturm des Islam über die Region hinwegfegen. Das Kloster blieb wie eine Insel der Vergangenheit bestehen.


Kirchturm des Katharinenklosters (Bild: Felix Lipov – shutterstock.com)

Moses-Berg und Brennender Dornbusch

In der byzantinischen Zeit war das Kloster vor allem als Fluchtort für die Mönche bei Gefahr gedacht, die ansonsten bevorzugt in der Umgebung als Einsiedler lebten. Der südliche Sinai war wie kaum ein Ort dafür prädestiniert. An ihm liess sich nicht nur dem Rückzug Jesu in die Wüste nachspüren. Man befand sich gleichzeitig an einem der wichtigsten Schauplätze biblischer Geschichte. Das Katharinenkloster liegt unweit des berühmten Bergs Horeb der Bibel, an dem Moses von Gott die Zehn Gebote empfangen haben soll. Heute wird der Berg daher auch Moses-Berg oder einfach Berg Sinai genannt. Er ist mit 2285 Metern die zweithöchste Erhebung im Sinai-Gebiet, noch einige Hundert Meter höher ist der Katharinenberg, der ebenfalls im Umfeld des Klosters liegt.

Auch der Ort des Katharinenklosters selbst hat biblische Bedeutung. Hier soll sich der Brennende Dornbusch befunden haben, in dem Gott Moses seinen Namen offenbarte. An der legendären Stelle befindet sich heute eine Kapelle. Ein Sprössling des Dornbuschs – ein Ginsterstrauch – wächst an der Hinterseite der Kapelle.


Blick vom Berg Sinai (Bild: Mohammed Moussa, Wikimedia, CC)

Schutzbriefe garantierten Bestand

Ursprünglich war das Kloster Maria, der Mutter Jesu, geweiht. Erst in späteren Zeiten erfolgte die Bezugnahme auf die Heilige Katharina von Alexandrien. Diese frühchristliche Märtyrerin lebte der Legende zufolge im ägyptischen Alexandria, Engel sollen ihre Gebeine zum Katharinenkloster getragen haben. Eine andere Legende rankt sich um den Propheten Mohammed. Er soll sich vor seinem religiösen Wirken hier mehrfach als Gast aufgehalten haben. Später habe er dem Kloster dann einen Schutzbrief ausgestellt, der dessen Existenz garantierte. Das Original des dem Propheten zugeschriebenen Dokuments befindet sich heute in Istanbul, eine Kopie ist im Katharinenkloster erhalten.

Nachweislich authentisch ist der Schutzbrief von Napoleon Bonaparte, den dieser während seines Ägypten-Feldzugs ausstellte. Trotz mächtiger Fürsprecher gab es auch immer wieder Bedrohungen. Mehrfach mussten die Mönche das Kloster zeitweise verlassen, kehrten aber immer wieder zurück.


Ginsterstrauch an der Hinterseite der Kapelle (Bild: Grand Parc, Wikimedia, CC)

Eine eigene Kirche und eine Moschee

Heute leben etwa zwei Dutzend Mönche im Katharinenkloster, die trotz der Besucherströme ihr spirituelles Leben weiter pflegen. Sie gehören der christlichen Orthodoxie an. Die „Orthodoxe Kirche vom Berge Sinai“ bildet die kleinste autonome Kirche der orthodoxen Christenheit und geniesst damit den gleichen Rang wie zum Beispiel die griechische-orthodoxe oder die russisch-orthodoxe Kirche. Sie verfügt allerdings über kaum mehr als 100 Mitglieder – die Mönche des Klosters selbst, einige Nonnen im nahen Wadi Firan sowie ein paar verstreute christliche Familien. Der Abt des Klosters – gleichzeitig Erzbischof von Sinai – als Oberhaupt residiert meistens in Kairo.

Die Klosterkirche bildet das Zentrum der verschachtelten und verwinkelten Anlage und gehört zu den ältesten Bauwerken des Komplexes. Der Kirchturm der Basilika ist dagegen neueren Datums. Er stammt aus dem 19. Jahrhundert. Über einen Vorraum betritt man die drei Kirchenschiffe, die von zwölf Granitsäulen getragen werden. An den Seiten befinden sich jeweils mehrere Kapellen. Die Decke besteht aus Holz und hält mehrere Kronleuchter. Wie bei orthodoxen Kirchen üblich, wird die Apsis durch eine Ikonostase verdeckt. Das Deckenmosaik in der Apsis gehört zu den schönsten Kunstwerken der Kirche. Das aus mehr als einer halben Million Mosaiksteinen bestehende Bild zeigt in typisch byzantinischem Stil die Verklärung Christi. Das Mosaik ist eine kunstvolle Komposition aus Gold- und Silberfarben.

Neben der Kirche gibt es auf dem Klostergelände auch eine Moschee. Um die drohende Zerstörung des Klosters durch den ägyptischen Kalifen Al-Hakim im 11. Jahrhundert abzuwenden, errichteten die Mönche in aller Eile den Bau, der nie richtig fertiggestellt wurde. Das diplomatische Kunststück gelang und das Kloster blieb unversehrt. Heute gehört die Omar-Moschee neben der Basilika zu den Bauwerken des Katharinenklosters, die besichtigt werden können. Ebenfalls sehenswert ist das Klostermuseum, das Ikonen, Handschriften und Messgegenstände zeigt.


Katharinenkloster: eine eigene Kirche und eine Moschee. (Bild: DDCoral – shutterstock.com)

Wertvolle Schätze: alte Handschriften und Ikonen

Das Klostermuseum gibt allerdings nur einen unvollkommenen Eindruck der tatsächlich vorhandenen Schätze. Das Katharinenkloster besitzt eine Bibliothek, deren Bestandswert nur von dem der Vatikanischen Bibliothek in Rom übertroffen wird. Das Kloster verfügt über 6000 kostbare alte Handschriften, davon 3000 Originale aus der Antike und der Zeit vor dem Klosterbau. Der hier entdeckte Codex Sinaiticus ist die älteste erhaltene komplette Bibelhandschrift überhaupt; grosse Teile davon verliessen das Kloster allerdings im vorletzten Jahrhundert auf verschlungenen Wegen und befinden sich heute in London, Leipzig und Sankt Petersburg.

Ein anderer Schatz ist die Ikonen-Sammlung. Sie umfasst insgesamt 2000 Kult- und Heiligenbilder. Einige davon sind besonders wertvoll, weil sie aus der Zeit vor dem sogenannten Byzantinischen Bilderstreit stammen. In dieser Zeit christlich-theologischen Disputs im 8. und 9. Jahrhundert wurden viele religiöse Bilder zerstört. Hintergrund bildeten womöglich Einflüsse des sich ausbreitenden Islam, der religiöse Bilddarstellungen bekanntlich generell ablehnt. Durch den Bilderstreit gingen viele einmalige Werke verloren. Das macht die Ikonen im Katharinenkloster umso wertvoller.


Ein anderer Schatz des Katharinenklosters ist die Ikonen-Sammlung. (Bild: pd-old, Wikimedia, public domain)

Faszinierender Wüstenort

Trotz der nicht unproblematischen Lage im heutigen Ägypten wird das Katharinenkloster immer noch gerne besucht. Um das mönchische Leben nicht zu sehr zu beeinträchtigen, sind die Besuchszeiten auf wenige Stunden am Tag limitiert. Auch wenn die Besucherscharen nicht immer zur Besinnlichkeit anregen mögen: Wer sich mit der bewegten Vergangenheit des Klosters, dem Leben der Mönche und ihrer Glaubensüberzeugung intensiver befasst, wird sich der Faszination des Wüstenortes nicht entziehen können.



 

Oberstes Bild: © Berthold Werner, Wikimedia, GNU

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem großen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

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