Istanbul – dem christlichen Byzanz auf der Spur

Die Silhouette der Millionenmetropole Istanbul wird heute neben vielen modernen Hochhausbauten von schlanken Minaretten und Moscheen geprägt. Wer die Stadt betrachtet, kommt beim ersten Blick nicht auf die Idee, dass sich hier einst ein Zentrum der Christenheit befand. Zu sehr haben die osmanische Eroberung und die Jahrhunderte danach das Gesicht der Stadt verändert. Und doch hatte das Christentum hier über lange Zeit Bestand. Den christlichen Spuren zu folgen ist eine der vielen Möglichkeiten, die zahlreichen Facetten Istanbuls zu entdecken.

Sitz des Ökumenischen Patriarchen

Ganz verschwunden ist die christliche Religion auch heute nicht. Istanbul ist nach wie vor Sitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, des höchsten Würdenträgers der orthodoxen Christenheit. Er residiert im Phanar im Stadtteil Fatih auf der europäischen Seite Istanbuls. Die kleine Georgskathedrale ist seine Hauptkirche. Die Christen Istanbuls verlieren sich heute in der viele Millionen zählenden Einwohnerschaft der Bosporus-Metropole. Das war nicht immer so. Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bestand die Bevölkerungsmehrheit des damaligen Konstantinopel aus Nicht-Muslimen, vor allem Christen. Spätere Stadterweiterungen, Zuwanderungen aus dem Inneren der Türkei und politische Umwälzungen sorgten für einen starken Schrumpfungsprozess.


Georgskathedrale in Istanbul – Sitz des Ökumenischen Patriarchen (Bild: Adam Carr, Wikimedia)


Wendepunkt – 29. Mai 1453

Der Wendepunkt in der christlichen Geschichte Istanbuls ist der 29. Mai 1453. An diesem Tag wurde Konstantinopel, die Hauptstadt des byzantinischen Reiches, von den Türken erobert. Damit endete die Ära der Kaiser von Konstantinopel und die Epoche des Osmanischen Reiches begann. Bis zur Wende des ersten Jahrtausends bildete die Stadt, die ursprünglich Byzanz hiess und später nach Kaiser Konstantin benannt wurde, das mit Abstand prächtigste und grösste urbane Zentrum der Christenheit. Die Kaiser bauten das ’neue Rom‘ zu einer repräsentativen Kapitale ihres Reiches aus. Als sie den Türken schliesslich in die Hände fiel, war sie nur noch ein schwacher Abglanz vergangener Grösse.

Im 15. Jahrhundert war das byzantinische Reich im wesentlichen auf das Gebiet seiner Hauptstadt, einige Flecken am Schwarzen Meer sowie ein Gebiet auf der griechischen Peloponnes zusammengesunken. Die Einwohnerschaft hatte sich stark reduziert, viele prächtige Bauten der einstigen Weltmetropole waren bereits zu Ruinen geworden. Dennoch widerstand die Stadt mehrfach türkischen Belagerungen – bis zu jenem Schicksalstag im Jahre 1453.

Viele Bauten der Kaiserzeit sind im Laufe der folgenden Jahrhunderte verschwunden oder es sind nur noch wenige Reste erhalten. Andere – vor allem Kirchen – wurden zu Moscheen umgewidmet und umgebaut. So überdauerten sie als Baudenkmale in veränderter Form die Zeit.

Die Hagia Sophia – Krönungs- und Kathedralkirche

Für keinen Bau gilt das so sehr wie für die berühmte Hagia Sophia. Der im 6. Jahrhundert als grösste Kuppelkirche der Christenheit errichtete Bau diente als Krönungskirche der byzantinischen Kaiser und war ursprünglich die Kathedrale des Ökumenischen Patriarchen. Die gewaltigen Ausmasse der Hagia Sophia beeindrucken auch heute noch Besucher. Nach der türkischen Eroberung wurden aussen Minarette angefügt und die christliche Ausstattung im Inneren beseitigt. Erhalten blieben aber einige grossartige Mosaike aus der Entstehungszeit. Die Hagia Sophia mit ihrer markanten Kuppel diente später als ‚Blaupause‘ für zahlreiche Moscheebauten. Heute ist sie ein Museum.


Freigelegtes Mosaik in der Hagia Sophia (Bild: Myrabella, Wikimedia, CC)


Von Kirchen zu Moscheen

Ein ähnliches Schicksal wie die Hagia Sophia teilten andere byzantinische Kirchenbauten Instanbuls: die Pammakaristos-Kirche, die Chora-Kirche, Hagia Eirene, die Sergios- und Bacchos-Kirche – heute Kücük-Aya-Sofya-Moschee – und die Pantokrator-Klosterkirche – heute Zeyek-Moschee. Alle Kirchen erinnern mit ihrer Grundarchitektur und ihren Kuppeln noch an die ursprüngliche Bestimmung, in den meisten sind noch wertvolle Fresken und Mosaike aus christlicher Zeit erhalten.



Die Theodosianische Landmauer

An weltlichen Bauwerken überragt ein Bau alle anderen noch erhaltenen Reste – die Theodosianische Landmauer. Sie bildete einst eine gewaltige Befestigungsanlage, die die Landseite Konstantinopels gegen feindliche Angreifer abschirmte. Ansonsten schützte die an drei Seiten von Wasser umgebene Lage die Stadt. Der Mauer ist auch der Grund, warum Konstantinopel vielen Belagerungen standhalten konnte. Ihr wurde fast religiöse Verehrung zuteil, nach Meinung der Bewohner stand sie unter dem persönlichen Schutz der Heiligen Jungfrau Maria.

Die Reste der Theodosianischen Landmauer mit ihren mächtigen Türmen und Toren begrenzen heute die Altstadt des Stadtteils Fatih. Teile davon wurden restauriert, andere sind als Ruinen erhalten. Besucher erhalten hier einen guten Eindruck von dem komplexen Befestigungssystem der Stadt. In die Mauer integriert sind die Reste des Porphyrogennetos-Palasts im Nordwesten der Altstadt – der einzige erhaltene Palastbau der christlichen Ära. Ein anderes Befestigungswerk aus der Zeit Konstantinopels ist der Galata-Turm. Er schützte das einst von Genuesen bewohnte Viertel Galata.


Restaurierter Abschnitt der Landmauer im heutigen Istanbul (Bild: Bigdaddy1204, Wikimedia, GNU)


Die Cisterna Basilica

Von dem grossen Palast in der Nähe der Hagia Sophia, in dem die Kaiser über Jahrhunderte residierten, ist nur noch ein unterirdischer Teil erhalten – die Cisterna Basilica. Sie diente als Wasserspeicher für den grossen Palast. Die unterirdische Säulenhalle der Zisterne wird heute gerne für eindrucksvolle Lichtinstallationen mit begleitender Musik genutzt. Auch eine weitere, von vielen Zeitgenossen geschilderte Sehenswürdigkeit des früheren Byzanz ist nur noch zu erahnen – das Hippodrom. Von der berühmten Pferderennbahn zeugen nur noch ein Obelisk und Reste der Schlangensäule auf dem Sultan-Ahmet-Platz, der an gleicher Stelle angelegt wurde.


Die Yerebatan-Zisterne – Innenansicht (Bild: Matthias Süßen, Wikimedia, GNU)


Wer sich auf die Suche nach dem christlichen Byzanz in Istanbul macht, begibt sich auf eine Zeitreise und erlebt eine einzigartige Geschichte von Aufstieg und Untergang. Sie spannt einen Bogen von der Antike bis in unsere heutige Zeit. Es lohnt sich, auf Spurensuche zu gehen.

 

Oberstes Bild: Sophienkirche ist eine ehemalige byzantinische Kirche, spätere Moschee und heutiges Museum in Istanbul. (© Dennis Jarvis, Wikimedia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“ color=“grey“][vc_gmaps link=“https://www.google.ch/maps?q=Istanbul,+T%C3%BCrkei&hl=de&ie=UTF8&sll=46.813187,8.22421&sspn=2.154157,5.410767&oq=Istanbul&hnear=Istanbul,+T%C3%BCrkei&t=m&z=10″ size=“350″]

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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