"Heilige Stätte" oder Attraktion: Der Uluru oder Ayers Rock in Australien

Wer nach Australien reist, der fährt fast immer zu ihm: mitten im Outback, zentral in Australien, ein riesiger roter Fels, den man nicht vergisst, wenn man einmal da war.

Doch die Auseinandersetzung mit der Geschichte Australiens und der Aborigines muss auch die Frage zulassen: Was kann und darf den Touristen dieser rote Riese sein?

Schon der Name ist Entscheidung: Uluru oder Ayers Rock?

Der zweite und neuere Name ist ein Sprache gewordenes Zeugnis der Kolonisierung: Der Forscher William Gosse entdeckte diesen gewaltigen Felskoloss und wurde in seinen Bann gezogen. Es entstand das Bedürfnis, dem steinernen Monument einen Namen zu geben. Der damalige Premierminister war Henry Ayers, und so ist die Neubenennung in Ayers Rock auch ein Politikum.


Hinweisschild des Lasseter Highway mit doppelter Namensnennung (Bild: Stephan, Wikimedia, CC)

Schon fünfzig Jahre später entdeckten erste Touristen den Felsen. Sie kamen ins Outback, dafür wurden Strassen gebaut, dann Hotels und schliesslich in unmittelbare Nähe eine Landebahn. So kamen auch die Jetsetter, denen andere Reisemöglichkeiten viel zu lange dauerten und zu beschwerlich waren, sehr schnell an und immer mehr auch auf den Berg.

Für die Aborigines ist der Ayers Rock nicht der Ayers Rock: Sie kennen die Gesteinsformation schon Tausende von Jahren und nannten sie Uluru. Mehr noch, sie spielt in ihrer Kultur eine wichtige Rolle: Es ist genau festgelegt, wer was wann dort tun darf. Das geht bis hin zu Regelungen, die das Sehen, Berühren und Erklettern betreffen.

Die Parkverwaltung setzt sich darüber hinweg. Jeder kann auf den Ayers Rock, wenn er sich an gewisse Regeln hält. Es gibt eine bezeichnete und durch Handlauf gesicherte Zone, die das Besteigen ermöglicht. Die Aborigines mögen das nicht. Stellen Sie sich vor: An Ihrem Familiengrab in Zürich tauchen plötzlich exotische Gestalten auf, umpilgern den Grabstein, lagern dort, brechen Teile ab, nehmen auch Pflanzen mit und verschwinden. Und es kommen immer wieder Neue …


Uluru – von Luft aus gesehen (Bild: Corey Leopold, Wikimedia, CC)

Was ist der Uluru?

Geologisch betrachtet ist er kein Monolith. Er ist wie der Vorbote einer Gesteinsformation, die tief in die Erde eingebettet ist und hier durch Erosion sichtbar wurde. Das Material Sandstein ist jetzt extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt. Die rötliche Färbung kommt durch einen hohen Gehalt an Eisen im Stein.

Für die Aborigines ist der Uluru so etwas wie ein Speicher ihrer mythologischen Geschichte. Das wissen die meisten Besucher des Ayers Rock nicht. Sie würden es erfahren, wenn sie den Uluru umrunden würden, was unbedingt zu empfehlen ist.


Die meisten, die den Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark besuchen, wollen Uluru besteigen. (Bild: Ikiwaner, Wikimedia, GNU)

Ein alter und weiser Aborigine sagte einmal zu einem Professor: „Sie würden mich töricht nennen, wen ich den dicksten Band Ihrer Bibliothek aus dem Regal nähme, mich dann auf ihn stellen und mich erhaben fühlen würde. Genauso aber verhalten sich die Touristen, wenn sie den Uluru besteigen und zu ihrem Ayers Rock machen.“

Will man den Uluru verstehen, muss man sich auf den australischen Mythos einlassen. Alles ist beseelt, vom Menschen über das Tier bis hin zum Stein oder Fels. Wer zum Uluru geht, sollte sich dessen bewusst sein und alles in Respekt und Frieden tun. Auch in Australien sind mittlerweile Folgen des Klimawandels zu spüren. Dies verlangt nach einer angemessenen Umweltpolitik und sanftem Tourismus.

Seit 1985 ist der Uluru, der „Berg, der Schatten wirft“, eigentlich wieder im Besitz der Aborigines, wobei sie wie die Indianer diese Ausdruckweise merkwürdig finden. Zu fotografieren sowie Steine und Sand vom Uluru mitzunehmen, ist eigentlich verboten. Aber wer will kontrollieren, was die Touristen mit dem Ayers Rock anstellen.



Gibt es einen Kompromiss?

Der Uluru ist eine der meistbesuchten Attraktionen Australiens. Er ist ein Wahrzeichen. Fraglich bleibt aber, für wen. Womit wir wieder bei den beiden parallel verwendeten Namen sind: Die Wahl des einen ignoriert den anderen und ist eine Wertung. Ist Vermittlung hier möglich?

Die meisten, die den drei Kilometer langen und zwei Kilometer breiten Felsen im Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark besuchen, wollen seinen 350 Meter hohen Gipfel besteigen. Viel Aufklärung wird auch vor Ort betrieben. Interessanterweise hört man gelegentlich, dass mancher Tourist deshalb von der geplanten Tour auf den Uluru Abstand nahm. Ein kleiner Anfang immerhin.

Es ist sonderbar: Wer nach Australien reist, hat von der Südhalbkugel eine andere Perspektive auf die Dinge. Abends bei Sonnenuntergang wechselt der Uluru seine Farben von verschiedenen Rottönen über Lila zu Schwarz – ein ganz neues Gefühl von Wellness wird erlebbar: Innehalten, Meditation, Ruhe, Frieden. Etwas, was man auch als Schweizer gut gebrauchen kann. Oder?

 

Artikelbild: Uluru, Zentralaustralien (© Thomas Schoch, Wikimedia, CC)


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