Unbekanntes England - unterwegs im Dartmoor
VON Andrea Rathjen Europa Grossbritannien
Nationalpark Dartmoor: Englands wilder Südwesten
Unberührte Moor- und Heidelandschaften charakterisieren einen Grossteil des Dartmoors und verleihen den menschenleeren Weiten eine ganz eigentümliche Atmosphäre. Der Begriff „Moor“ bezeichnet in diesem Fall nicht die morastigen Feuchtgebiete, die in Mitteleuropa unter diesem Namen bekannt sind. Das Dartmoor ist vielmehr eines der weiten britischen Hochmoore, deren kahle Hügellandschaften dem Besucher das Gefühl vermitteln, in eine urzeitliche Umgebung versetzt worden zu sein.
Tatsächlich ist das Dartmoor aussergewöhnlich reich an prähistorischen Wohnstätten, Steinkreisen und den typischen Clapper Bridges, die in der Region bereits vor Hunderten von Jahren aus Granitplatten errichtet wurden. Im Dartmoor ist heute mit über 200 Exemplaren die grösste Anzahl erhaltener Clapper Bridges in Grossbritannien zu finden; die bekannteste davon steht im Zentrum des Dartmoors in der Kleinstadt Postbridge.
Zu Fuss durch die Weiten des Dartmoors
Das Dartmoor ist bis heute nur sehr dünn besiedelt und lädt mit seinen sanften Hügellandschaften, kristallklaren Bächen und 740 km befestigten Wegen zu ausgedehnten Wanderungen ein. Der Nationalpark ist für Besucher frei zugänglich, und wer sich mit Karte und Kompass in der Einöde zurechtfindet, kann die Weiten des Moors auf tagelangen Streifzügen nach Lust und Laune durchqueren. Zugang zum Moor bieten die Ortschaften ebenso wie die Zugangspunkte des Nationalparks, die entlang der Hauptverkehrswege zumeist mit sanitären Einrichtungen, touristischen Informationen und einem Parkplatz ausgestattet sind.
Die riesige Ausdehnung des Moors birgt jedoch auch Gefahren, sodass sich unerfahrene Wanderer an die befestigten Wege halten sollten. Insbesondere der für die Region typische Nebel kann selbst bei strahlendem Sonnenschein unerwartet einsetzen und die Orientierung in abgelegenen Regionen zusätzlich erschweren. Im nördlichen Teil des Dartmoors unterhält das britische Militär ausserdem bereits seit 200 Jahren ein Schiessgebiet. Militärische Übungen werden hier durch weithin sichtbare rote Flaggen angezeigt.
Vom Kirchdorf ins Gefängnis
Mitten in den weiten Ebenen des Hochmoors stossen Besucher immer wieder auf kleine Ortschaften, die in malerischer Lage zu einem Besuch einladen. Insbesondere das Kirchdorf Widecombe-in-the-Moor ist mit seinem charakteristischen Kirchturm ein beliebtes Ausflugsziel und im Herzen des Nationalparks zugleich ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen im Moor. Über dem Tal des Flusses Teign im Nordosten des Nationalparks thront Castle Drogo, das letzte in Grossbritannien gebaute Landschloss, das heute der Öffentlichkeit zugänglich ist. Vom beschaulichen Buckfastleigh wiederum fährt die South Devon Railway ab, die die 10 km ins südöstlich gelegene Totnes zum Teil mit historischen Waggons und Dampflok zurücklegt.
Mit einer ganz anderen Attraktion kann Princetown im Zentrum des Nationalparks aufwarten: Hier wurde 1906 zu Zeiten der Napoleonischen Kriege ein Gefängnis errichtet, das lange Zeit für seinen harschen Umgang mit den Gefangenen berüchtigt war und heute unter anderem ein Gefängnismuseum beherbergt. Das HM Prison Dartmoor wird bis heute als Gefängnis genutzt und richtet alljährlich eine kuriose Veranstaltung aus, den Dartmoor Jailbreak, bei dem Teilnehmer in Sträflingskleidung aus dem Gefängnis „fliehen“ und versuchen, in vier Tagen möglichst weit zu entkommen.
Die Dartmoor-Ponys: Grossbritanniens älteste Ponyrasse
Die wohl bekanntesten Bewohner des Dartmoors sind die Dartmoor-Ponys, die als älteste britische Ponyrasse und vom Aussterben bedrohte Art unter besonderem Schutz stehen. Die Dartmoor-Ponys wurden ursprünglich als Arbeits- und Lasttiere eingesetzt und leben bis heute halb wild. Beim Durchqueren des Dartmoors treffen Besucher mit etwas Glück auf das ein oder andere Exemplar dieser kleinwüchsigen Ponyrasse, die als charakteristische Bewohner des Dartmoors auch das Emblem des Nationalparks zieren.
In einigen Orten werden Ausritte mit Dartmoor-Ponys durch das Moor angeboten, so zum Beispiel in Widecombe-in-the-Moor und in Princetown. Verboten ist hingegen das Füttern der freilaufenden Tiere, die entgegen dem ersten Eindruck alle einen Besitzer haben. Die robusten Tiere leben das ganze Jahr im Freien und werden erst im Herbst von den örtlichen Bauern zusammengetrieben, um die Ponys zu markieren. Das jährliche Wiedererkennen stellt dabei für die Besitzer eine ganz besondere Herausforderung dar.
Der Hund aus dem Dartmoor
Neben den eher harmlosen Dartmoor-Ponys stammt noch eine andere weltbekannte Kreatur aus dem englischen Südwesten. Im späten 19. Jahrhundert trieb ein unheimlicher Hund sein Unwesen im Dartmoor – wenn auch nur in der Fantasie seines Erfinders, des englischen Schriftstellers Sir Arthur Conan Doyle.
Der Hund von Baskerville, der im Roman den alten Sir Charles Baskerville zu Tode hetzt, entpuppt sich zwar dank Sherlock Holmes‘ Recherchen nicht als Teufelskreatur, sondern als ein Hund aus Fleisch und Blut. Die unheimliche und bisweilen unwirklich erscheinende Einöde des Dartmoors trägt jedoch ihren Teil dazu bei, dass der Hund von Baskerville zumindest den Krimilesern auf ihrer Reise durch die Weiten des Dartmoors immer präsent ist. Neben dem legendären „Hound“ von Sir Arthur Conan Doyle dienten die Weiten des Moors auch anderen Schriftstellern und Filmemachern immer wieder als Anregung für ihre Werke.
Oberstes Bild: Dartmoor Nationalpark, Devon, England – © petert2, Fotolia.com[vc_text_separator title=“Hier liegt dieses Reiseziel“ title_align=“separator_align_center“]
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