Das Emmental – Heimat- und Denkmalschutz

Im Herzen der Schweiz befindet sich das Emmental, um das sich der vorliegende Beitrag rankt. Aus Anlass des Europäischen Tages des Denkmals 2014 lud die Regionalgruppe Burgdorf des Berner Heimatschutzes ein, zur Alp Rämisgummen zu wandern. Rämisgummen gehört zu den grössten Emmentaler Alpen und ist eine der wenigen, die trotz des Zusammenbruchs des Küherwesens im 19. Jahrhundert ihren Betrieb aufrechterhalten konnten.

Küherwesen? Als ich erstmals, im Zusammenhang mit der Alp Rämisgummen, diesen Begriff las, dachte ich, das sei ein Schreibfehler oder ein regionaler Begriff für Älpler. Aber da irrte ich mich! Es handelt sich um eine ausgestorbene Berufsgruppe, welche viele Bräuche und Traditionen hervorbrachte und somit die Emmentaler Kultur massgeblich mit prägte. Küher gab es vor allem im westlichen Voralpengebiet, in der Napfregion, aber auch im Greyerzerland. Das Zentrum lag jedoch im Emmental, einer Region, die erst seit dem Mittelalter besiedelt ist.

Während im angrenzenden Oberaargau aus der römischen Zeit reichlich Spuren gefunden wurden, sind dagegen im Emmental kaum welche vorhanden. Der Mensch liess sich hier erst im Laufe des Mittelalters nieder. Die ältesten Siedlungen gab es in den Tälern, die vor Überschwemmungen sicher waren; zu diesen gehören Rüegsau, Lützelflüh, Sumiswald und Singnau. Unter der Leitung mächtiger Adelsgeschlechter begann gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Rodung der bewaldeten Gebiete. Für Dörfer war hier kein Raum, jedoch entstanden prachtvolle Einzelhöfe und Weiler. Das Abholzen der Wälder erreichte die Höhe von 1200 Metern, wo eine Dauerbesiedlung nicht möglich war. In dieser Region des emmentalischen Siedlungsgebietes entwickelte sich die Alpwirtschaft, der Wirkungsbereich der Küher, die sich streng von den Bauern abgrenzten.


Emmentaler Bauernhaus (Bild: Hofec, Wikimedia, GNU)

Die zuletzt besiedelte Gegend des Emmentals war die tief gelegene Schachen, die immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht wurde. Zwischen 16. und 19. Jahrhundert hatte das Emmental unter 48 grossen Überschwemmungen zu leiden. Dämme, die die Emme säumten und das Land schützten, wurden erst ab dem 19. Jahrhundert errichtet. Wer hier lebte, verdiente sein Brot als Tagelöhner. Tauner oder Tagwander nannte man die Leute, die selbst kein Bauerngut besassen und deren Zahl vor allem im 17. Jahrhundert markant anstieg. Sie mussten ihren Platz sowohl räumlich als auch sozial unter den Bauern behaupten. Anfangs ergänzten sich im Emmental Tal- und Alpwirtschaft, die Alpen waren im Besitz von Dorf- und Hofgemeinschaften.

Das änderte sich aber ab dem 16. Jahrhundert: Diese bis dahin funktionierenden Einheiten lösten sich auf. In der Folge gingen die Alpen an bernische Patriziergeschlechter über, die vorübergehend Pächter und Sennen anstellten. In der Folge entwickelte sich das Küherwesen. Küher waren nicht, wie ich annahm, Älpler oder einfache Kuhhirten, sondern arbeiteten als selbstständige Unternehmer. Ein Küher besass eine grosse Herde und war im Grunde genommen ein Nomade, denn er nannte weder Land noch Hof sein Eigen. Während des Sommers lebte er auf einer gepachteten Alp, im Winter mietete er sich immer wieder bei anderen Bauern ein. Diese besassen selbst kaum Vieh und hatten sich auf Ackerbau spezialisiert. Jedoch produzierten sie Heu, welches ihnen die Küher abkauften.

Diese Spezialisierung und Arbeitsaufteilung in der Emmentaler Landwirtschaft hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Die Küher brachten es mit der Zeit zu teils beachtlichem Wohlstand, den sie vor allem der Käseproduktion verdankten. Viele Traditionen, die wir heute noch in der Region an Festtagen und zu speziellen Anlässen erleben können, verdanken wir den Kühern. Sie entwickelten eine eigene Kultur mit Trachten, Bräuchen und Liedern, und auch das Steinstossen und Schwingen sowie die Alpabzüge haben ihren Ursprung im Küherstand.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich das Leben im Emmental. Waren bis dahin Alpbesitzer, Küher, Talbauern und Käsehändler gut eingespielt und hatte jeder ein mehr oder weniger sicheres Einkommen, brachten Strassen- und Eisenbahnbau viele, vor allem für die Küher ungünstige, Veränderungen mit sich: Plötzlich wurde der internationale Handel zu einem Problem, die Talbauern waren mit ihrem Getreide gegenüber dem Import nicht mehr konkurrenzfähig. Sie stellten auf Viehhaltung und Futterproduktion um, und auch im Tal wurde plötzlich Käse produziert. Rudolf von Effinger errichtete 1831 in Kiesen die erste Talkäserei im Kanton Bern. Da die Käserei im Tal wesentlich billiger arbeiten konnte, verloren die Küher ihre Existenzbasis.


Traditionelle Käseherstellung in Affoltern, Emmental (Bild: Хрюша, Wikimedia, CC)

In den historischen Gebäuden in Kiesen öffnete 1974 das Milchwirtschaftliche Museum für interessierte Besucher seine Türen. Das Turmhaus und die Käserei, die früher zum Schloss Kiesen gehörten, stehen heute unter Denkmalschutz. In dem Museum dreht sich natürlich in erster Linie alles um Käse. Der Stolz der Ausstellung ist die alte Käseküche. Hier erfährt der Besucher, wie vor 200 Jahren der nach wie vor beliebte Emmentaler Käse hergestellt wurde. Im Turmhaus finden Wechselausstellungen statt, deren Exponate vom Leben der Käserinnen und Käser sowie von Bräuchen der Region berichten.

Dazu habe ich einen Tipp für Sie: Am 9. Mai 2015 feiert das Nationale Michwirtschaftliche Museum in Kiesen „200 Jahre Bernische Dorfkäserei Kiesen“ mit Festwirtschaft und einem interessanten Programm. Wenn Sie sich noch ausführlicher in die Geschichte der Emmentaler Käserei vertiefen und diesen natürlich auch probieren möchten, sollten Sie sich das Datum gleich im Kalender ankreuzen! Mehr Informationen finden Sie auf der Website museumkiesen.ch.



Abschliessend möchte ich noch einmal auf die Alp Rämisgummen zurückkommen. Sie ist ein für Heimat- und Denkmalschutz gleichermassen interessanter Zeitzeuge. Die Denkmalpflege findet vor allem das Ensemble aus Küherhütte, Zuckerhüttli und Schattstall, welches sich auf Hinter Rämisgummen befindet, schützenswert. Die für diese Gegend typischen tief gezogenen Vollwalmdächer bieten Tier und Mensch Schutz. Dass der Schattstall mit einer Einfahrt versehen wurde, ist speziell und zeugt vom Wohlstand der Besitzerin. Der Berner Adel betrachtete es im 17. Jahrhundert als schick, im Besitz einer Alp zu sein. Die Alp Rämisgummen ist seit 1684 als Privatalp Teil der Herrschaft Rümligen. Seit 1927 war Madame De Meuron die Besitzerin, heute gehört die Alp ihren Urenkelinnen. Bewirtschaftet wird sie von einer Pächterfamilie aus Eggiwil.

 

Oberstes Bild: © Alexander Chaikin / Shutterstock.com

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