Der Canal du Midi – Frankreichs Südwesten entdecken

Er galt einmal als technische Grosstat und Infrastrukturmassnahme von herausragender Bedeutung – der Canal du Midi im Südwesten Frankreichs. Heute wird der traditionelle Schifffahrtsweg vor allem touristisch genutzt.

Eine Fahrt mit dem Schiff auf dem „Kanal des Südens“ ist eine hervorragende Möglichkeit, diesen Teil Frankreichs zwischen Atlantik und Mittelmeer gemächlich zu entdecken. Ob per Hausboot oder mit einem Hotelschiff: Es gibt viele Möglichkeiten, Ferien auf dem 240 Kilometer langen, von Menschenhand geschaffenen Wasserlauf zu verbringen.

Ein Projekt des Sonnenkönigs

Dass eine direkte Schifffahrtsverbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer in dieser Region sinnvoll ist, erkannten schon die Römer. Ein Kanal, der beide Meere miteinander verbindet, verkürzt Transportwege per Schiff entscheidend, die ansonsten um die iberische Halbinsel herumführen müssten. Bereits in der Antike wurde daher ein Kanalprojekt in Angriff genommen; die Römer bauten ein erstes Teilstück von 20 Kilometern Länge direkt vom Mittelmeer aus. Dieser Wasserweg ist heute noch Teil des Canal de la Robine. Über diese Anfänge kam man allerdings vor 2000 Jahren nicht hinaus. Und auch im Mittelalter scheiterten immer wieder Versuche, eine Verbindung zu schaffen. Ein Problem waren die zu überwindenden Höhenunterschiede.


Sonnenkönigs Ludwig XIV. (Bild: © Kiev.Victor – shutterstock.com)

Die Schwelle von Narouze zwischen den Orten Montferrand und Labastide d’Anjou liegt als Scheitelpunkt des Kanals auf einer Höhe von knapp 190 Metern, zum Mittelmeer hin fällt der Wasserlauf bis auf Meeresniveau ab. Um diese Höhendifferenz zu bewältigen, ist ein System von Schleusen mit einer entsprechenden Wasserversorgung nötig. Die Region des Languedoc am Scheitelpunkt ist aber vergleichsweise wasserarm.

Lange wurde keine Lösung gefunden, um gerade in diesem Bereich genügend Wasser zuführen zu können. Daher kam das Kanalprojekt über viele Jahrhunderte nicht voran. Im Zeitalter des Sonnenkönigs Ludwig XIV. erkannte man schliesslich die Möglichkeit, das benötigte Wasser aus der Montagne Noire, einem Ausläufer des Zentralmassivs, heranzuführen. Das Frankreich des Absolutismus verfügte auch über die finanziellen Ressourcen, um das kostspielige Vorhaben umzusetzen. Am 7. Oktober 1666 erliess der König ein Edikt über die Errichtung des Kanals, der die Bezeichnung „Canal Royal“ tragen sollte. 

Ferienkanal statt Wirtschaftsweg

Bereits im Januar des folgenden Jahres wurde mit den ersten Arbeiten begonnen. Man startete zunächst mit der Herstellung der Wasserversorgung aus dem „Schwarzen Gebirge“. Wenige Monate später fingen die Bauarbeiten am eigentlichen Kanal an, der die Strecke zwischen Toulouse und der Mündung bei Sète am Mittelmeer umfassen sollte. Die Wasserverbindung zwischen Toulouse und dem Atlantik sollte dabei über den Fluss Garonne erfolgen. In einem ersten Bauabschnitt wurde bis 1674 die Strecke Toulouse–Castelnaudray fertiggestellt. In der Gegenrichtung begann der Bau erst später.

Schon damals gab es ähnliche Probleme wie bei heutigen Projekten. Der geplante Budgetrahmen wurde beträchtlich überschritten, und mehrmals waren Nachtragskredite zur Finanzierung notwendig. Dennoch ging das Kanalprojekt zügig weiter. Die erste Inbetriebnahme erfolgte im Mai 1681, doch die Arbeiten waren damit längst nicht beendet. Erst 1694 gab es einen vorläufigen Abschluss, aber auch in den beiden folgenden Jahrhunderten wurde immer wieder nachgebessert.


Rund 20 % des Flusstourismus in Frankreich finden auf dem Wasserlauf statt. (Bild: © yvon52 – shutterstock.com)

Bis weit ins 19. Jahrhundert erlangte der Canal du Midi eine wichtige Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des französischen Südwestens. Dann erhielt der Schiffstransport zunehmend Konkurrenz durch die Eisenbahn und später auch durch Lkw-Transporte. Ein in den 1970er-Jahren begonnener weiterer Ausbau des Kanals wurde wegen schlechter wirtschaftlicher Perspektiven eingestellt.

Seither wird der Canal du Midi vor allem für touristische Zwecke genutzt. Rund 20 % des Flusstourismus in Frankreich finden auf dem Wasserlauf statt. Ausländer schätzen den Canal du Midi, vor allem Schweizer, Deutsche und Briten haben ihn als eine Möglichkeit für Frankreich-Ferien entdeckt.

Als eigener Kapitän auf dem Canal du Midi

Es gibt dafür mittlerweile ein breites touristisches Angebot. Zahlreiche Orte entlang der Strecke nutzen den Fremdenverkehr als Einnahmequelle und haben sich auf Gäste eingestellt. Viele Touristen befahren den Kanal mit einem Hausboot, Angebote dafür gibt es reichlich und die dafür zu erfüllenden Voraussetzungen sind bescheiden. Ein Bootsführerschein wird in Frankreich nämlich nicht benötigt. Es genügt eine kurze Einweisung vor Ort und schon können Sie als Ihr eigener Kapitän eine Flussfahrt starten.

Dabei geht es gemächlich zu, denn die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt acht Stundenkilometer, und nachts besteht ein Fahrverbot. Für Hektiker ist das sicher eine Herausforderung. Wer sich auf die Langsamkeit einlässt, gewinnt aber vielleicht einen anderen Blick für die Schönheiten der Landschaft und Details am Rande.



Daneben verkehren auf dem Kanal auch Hotelschiffe und Hausboote, die Kajüten als Unterkunft vermieten. Kreuzfahrt-Dimensionen dürfen Sie dabei nicht erwarten. Die bescheidenen Abmessungen des Kanals setzen den Schiffsgrössen enge Grenzen, es ist jeweils nur Platz für wenige Passagiere. Selbstverständlich gibt es auch Ausflugsschiffe auf dem Kanal, und Individualisten können das Gewässer mit einem Motorboot, einem Kajak oder Kanu befahren. In den letzten Jahren erfreuen sich auch Radtouren entlang der Kanalstrecke wachsender Beliebtheit. Dazu wurden die alten Treidelpfade, auf denen früher die Schiffe kanalaufwärts gezogen wurden, in Radwege umgewidmet.

Toulouse, Carcassonne, Béziers – viele Highlights

Lohnende Ziele entlang des Kanals gibt es viele. Da ist zum Beispiel Toulouse, die alte Hauptstadt des Languedoc und heute das urbane Zentrum im Südwesten Frankreichs. Die wegen ihrer zahlreichen roten Ziegelsteinbauten auch „la ville rose“ – die rosa Stadt – genannte Metropole bietet zahlreiche Sehenswürdigkeiten wie die bedeutende romanische Basilika Saint Sernin, die gotische Kathedrale, viele Patrizierhäuser aus der Renaissance oder die bekannte Pont Neuf über die Garonne.

Wesentlich kleiner, aber zweifelsohne eine der schönsten Städte am Kanallauf ist Carcassonne. Ihr Wahrzeichen ist die Cité von Carcassonne, eine noch komplett erhaltene mittelalterliche Festungsstadt mit der ehemaligen Kathedrale Saint Nazaire und Saint Celse als Mittelpunkt. Die Cité wirkt mit ihren mächtigen zinnenbewehrten Mauern und den zahlreichen Türmen wie für eine Filmkulisse geschaffen. Das Mittelalter erscheint hier geradezu wieder lebendig und gegenwärtig.


Die Cité von Carcassonne (Bild: © dvoevnore – shutterstock.com)

Reizvoll ist auch die Stadt Béziers, die nur noch 14 Kilometer vom Mittelmeer entfernt liegt. Hier kreuzt der Canal du Midi den Fluss Orb, der an dieser Stelle mit einer der häufiger anzutreffenden Kanalbrücken überquert wird. Im Bereich der Stadt liegt mit der Schleusentreppe von Fonserranes auch eine der eindrucksvollsten Schleusenanlagen der Strecke. Die Schleusenanlage aus dem 17. Jahrhundert ist eine der meistgenutzten auf dem Kanal, jährlich passieren rund 10’000 Boote und Schiffe die Anlage. Béziers verfügt über eine besonders malerische Flusslage und besitzt in seinem Stadtgebiet zahlreiche sehenswerte Sakralbauten.

Italienische Atmosphäre am Ende

Oft sind es aber nicht diese städtischen Ziele, die Besucher begeistern. Viele Reisende und Feriengäste finden eher Gefallen an den stillen Abschnitten des Canal du Midi mitten auf dem Lande, wo nur Platanen den Kanallauf umsäumen und der Blick Felder und Wiesen, Weinberge und verträumte Dörfer streift. Je näher man dabei dem Mittelmeer kommt, umso südlicher die Atmosphäre.

Geradezu italienisch mit Anklängen an Venedig wirkt bereits die Stadt Sète am Ende des Canal du Midi. Die Stadt liegt auf einer schmalen Landzunge der Lagune Étang de Thau, in die der Kanal schliesslich mündet. Hier findet eine Bootstour zwangsläufig ihren Abschluss und gleichzeitig einen letzten Höhepunkt.

 

Oberstes Bild: © thieury – shutterstock.com

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Mehr zu Stephan Gerhard

ist seit Jahren als freier Autor und Texter tätig und beschäftigt sich bevorzugt mit Themen rund um Finanzen, Geldanlagen und Versicherungen sowie Wirtschaft. Als langjähriger Mitarbeiter bei einem Bankenverband und einem grossen Logistikkonzern verfügt er über umfassende Erfahrungen in diesen Gebieten.

Darüber hinaus deckt er eine Vielzahl an Themen im Bereich Reisen, Tourismus und Freizeitgestaltung ab. Er bietet seinen Kunden kompetente und schnelle Unterstützung bei der Erstellung von Texten und Präsentationen.

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