Krakau – die heimliche Hauptstadt Polens

Die alte Königs- und Universitätsstadt Krakau, etwa 250 Kilometer südlich von Warschau gelegen, ist das kulturhistorische Zentrum und die wohl schönste Stadt Polens. Krakau wurde in den beiden Weltkriegen kaum beschädigt und glänzt auch heute noch mit der ganzen architektonischen Vielfalt aus den vergangenen Jahrhunderten.

1978 wurde die Altstadt deshalb von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt; in manchen der mittelalterlichen Gassen ist es heute so ruhig und beschaulich, dass es fast scheint, als würde die Zeit dort stillstehen.

Krakau – ein Spiegel der Geschichte Polens

Im Jahre 965 erstmalig urkundlich erwähnt, war Krakau mit kurzen Unterbrechungen von 1038 bis zur Eroberung durch die Schweden 1596 die polnische Hauptstadt. Nach der dritten Teilung Polens wurde die Stadt 1795 von Österreich in Besitz genommen. Ab 1815 war die sogenannte Republik Krakau dann 30 Jahre unabhängig, bevor Österreich sich die Stadt von 1846 bis 1918 erneut einverleibte.

Im Zweiten Weltkrieg verschwand der gesamte Staat Polen wieder einmal von der Landkarte, Krakau war bis 1945 die Hauptstadt des von den deutschen Besatzern sogenannten Generalgouvernements. Nach Kriegsende wurde Polen unter dem Einfluss der Sowjetunion zu einer „Sozialistischen Volksrepublik“.

Nach dem Zerfall der UdSSR orientierte sich Polen an dem System der westlichen Marktwirtschaft und ist seit 2004 ein Mitglied der Europäischen Union. Die wechselhafte Geschichte Polens ist in Krakau besonders anschaulich zu erfahren.

Buntes Treiben auf dem mittelalterlichen Marktplatz

Der zentrale Marktplatz in der Altstadt Krakaus ist mit seinen 40’000 Quadratmetern der grösste und auch einer der schönsten mittelalterlichen Plätze in Europa.

Hier schlägt das Herz der Stadt, hier pulsiert das Leben von frühmorgens bis spätabends. Strassenmusiker und Kleinkünstler unterhalten die Gäste in den vielen umliegenden Strassencafés, Kutscher mit pferdebespannten Fiakern laden zu romantischen Touren rund um den Markplatz ein, Blumenfrauen bieten ihre bunten und duftenden Sträusse an, die sie in Wassereimern frisch halten.

Man kann sich hier stundenlang aufhalten, ohne dass es auch nur eine Minute langweilig wird. Ein besonderer Genuss ist es, sich an einem der Marktstände mit einer echten Krakauer Bratwurst und einem frisch gezapften polnischen Bier zu stärken – und dabei dem bunten Treiben zuzuschauen.


Der zentrale Marktplatz in der Altstadt Krakaus (Bild: Diether, Wikimedia, CC)

Mitten auf dem riesigen Marktplatz stehen die farbenfrohen Tuchhallen, in denen früher mit kostbaren Stoffen gehandelt wurde. Heute kann man im Erdgeschoss Kunsthandwerk aus allen Teilen Polens kaufen, der erste Stock beherbergt eine Gemäldegalerie mit Werken polnischer Maler des 19. Jahrhunderts.

Die imposanten Hallen teilen den Platz auf fast seiner gesamten Länge, wirken aber trotz ihrer Grösse durch einen Anstrich in einem dezenten Gelbton angenehm leicht. Vom Turm des im Jahr 1832 abgerissenen alten Rathauses hat man einen fantastischen Blick über diesen wundervollen Platz.

Besonders auffällig sind die unterschiedlich hohen Türme der angrenzenden Marienkirche. Zu jeder vollen Stunde hört man einen Trompeter vom höheren Nordturm blasen. Die stündliche Fanfare soll an einen Angriff der Tartaren im 13. Jahrhundert erinnern. Durch das Trompetensignal wurden die Bürger Krakaus damals gewarnt und konnten den Tartarenangriff erfolgreich abwehren.


Unterschiedlich hohe Türme der Marienkirche in Krakau (Bild: Ludek, Wikimediai, CC)

Der Königsweg durch die Krakauer Altstadt

Die zukünftigen Herrscher Polens zogen einstmals auf dem sogenannten „Königsweg“durch die Stadt, um sich in der Kathedrale mit göttlichem Beistand zum König krönen zu lassen.

Dieser etwa 1,5 Kilometer lange Weg quer durch die Altstadt, an dessen Ende der Schlossberg Wawel liegt, wird von Krakaus wichtigsten Sehenswürdigkeiten gesäumt und ist ein kunsthistorischer Genuss – unbedingt empfehlenswert. Die kopfsteingepflasterte Burggasse führt vom Marktplatz geradewegs zum Wawelberg. Viele traditionsreiche Cafés und Geschäfte laden zum Verweilen und Stöbern ein. Auf einem bequemen Fussweg steigt man schliesslich den Wawel hinauf.

Auf dem Wawel befindet sich ausser dem mächtigen Schloss auch die Kathedrale, in der die meisten polnischen Könige gekrönt und bestattet wurden. Einige polnische Nationalhelden und hohe geistliche Würdenträger haben hier ebenfalls ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Schloss- und Burganlage Wawel ist voller Schätze und gilt auch deshalb als Nationalheiligtum der Polen. Hier kann man den Atem der bewegten polnischen Geschichte förmlich spüren.

Beim Abstieg vom Wawel in Richtung des Weichselufers kommt man an der sagenhaften Höhle vorbei, in welcher der Drache gelebt haben soll, den der Stammesfürst Krak der Legende nach hier tötete, womit er die Stadtgründung Krakaus erst möglich gemacht haben soll. Der Höhleneingang wird heute von einer modernen, bronzenen Drachenskulptur bewacht, die sogar Feuer spucken kann.

Dieses minütliche Spektakel kann man von einer oberhalb liegenden Promenade sehr schön beobachten und fotografieren.


Schloss- und Burganlage Wawel gilt als Nationalheiligtum der Polen (Bild: RaNo, Wikimedia, CC)

Die Planty – der zauberhafte Grüngürtel rund um die Altstadt

Auf dem ehemaligen Festungswall der Stadt entstand im 19. Jahrhundert ein ringförmiger Park, der sich etwa vier Kilometer um die Altstadt erstreckt. Dieser abwechslungsreiche Grüngürtel mit schattigen Bäumen, bunten Blumenbeeten, Teichen, Brunnen und Wasserspielen trennt den historischen Stadtkern von den übrigen Stadtteilen Krakaus.

Die Planty ist ein beliebter Erholungsraum für Jung und Alt – auf einer der zahlreichen Bänke kann man sich ganz wunderbar vom Stadtbummel ausruhen. Neben den zahlreichen interessanten Denkmälern im Parkgelände sind hier auch einige sehenswerte Tore und Bastionen der mittelalterlichen Festungsanlage, wie beispielsweise das Florianstor und die Barbakane, zu bestaunen.


Die Planty – der zauberhafte Grüngürtel rund um die Altstadt (Bild: Magdalia25, Wikimedia, CC)

Das jüdische Viertel Kazimierz

König Kasimir gründete Kazimierz 1335 als eigenständige Stadt. Nachdem die Juden 1495 aus Krakau vertrieben worden waren, bekamen sie den östlichen Teil von Kazimierz als neues Wohngebiet zugewiesen. Bis 1941 leben auf diesem Gebiet ausschliesslich Juden, die dann aber von den deutschen Besatzern in Konzentrationslager verschleppt und fast alle ermordet wurden.

Heute erinnern hier die alten Synagogen und jüdische Lokale, in denen regelmässig auch Klezmer-Musiker auftreten, an die traditionsreiche jüdische Kultur in diesem Stadtviertel.


Fragmente der Ghettomauer in Krakau (Bild: Ludek, Wikimedia, CC)

Auschwitz – der grauenvolle Kontrast zu Krakaus Schönheit und Vitalität

Etwa eine Autostunde westlich von Krakau befand sich das ehemals grösste deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Hier wurden über ein Million Menschen – zumeist jüdischer Herkunft – ermordet. In der heutigen Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau zeugen heute die Koffer, Schuhe, Brillen und Haarberge dieser Menschen von dem unvorstellbaren Grauen, das sie hier erleiden mussten.

In den teilweise erhaltenen Holzbaracken des Vernichtungslagers Birkenau mit den mehrstöckigen Holzpritschen und Massenlatrinen kann man die Unmenschlichkeit dieses Lagers zumindest erahnen. Der Gegensatz zwischen der lebensfrohen Ausstrahlung Krakaus und dem grauenhaften Geschehen in der ehemaligen Mordfabrik Auschwitz ist nicht leicht zu ertragen – es ist sicher das traurigste Kapitel in der wechselhaften Geschichte Polens.

 

Artikelbild: TTstudio – shutterstock.com


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