Vilnius - eine Perle im Baltikum

Vilnius? Ja, genau – Vilnius. Obwohl Litauens (einzige) Metropole 2009 Kulturhauptstadt Europas war, ist sie im Westen des Kontinents immer noch relativ unbekannt – wie überhaupt das gesamte Baltikum. Der Tourismus hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt, aber der Bekanntheitsgrad ist nicht zu vergleichen mit anderen europäischen Hauptstädten. Litauen war im Bewusstsein der Westeuropäer vielleicht zu lange nur ein Bestandteil der ehemaligen Sowjetunion.

Dabei zeigt ein Blick auf die Geschichte, dass alles ganz anders ist. Zum Beispiel die Sprache: Sie ist keinesfalls slawisch, wie man annehmen könnte. Ganz im Gegenteil. Litauisch gehört zur indoeuropäischen Sprachgruppe, ist verwandt mit Sanskrit und für Linguisten eine nahezu unerschöpfliche Quelle der Forschung. Oder nehmen wir das Zentrum von Vilnius: Es gehört zu den grössten und am besten erhaltenen Altstädten in Osteuropa und ist architektonisch geprägt von Backsteingotik und Barock.

Vilnius ist – wie überhaupt Litauen – voller Kontraste. Während die Altstadt fast zu schön ist, um wahr zu sein, stehen an der Peripherie die genormten Plattenbauten aus Sowjetzeiten. Und an der Peripherie der Peripherie kleine bunte Holzhäuser, die noch mit Holzöfen beheizt werden und keinen Trinkwasseranschluss haben. Das ist kein Scherz. In vielen Gegenden stehen ungefähr alle 50 bis 100 Meter blaue Pumpen am Strassenrand, aus denen sich die Anwohner ihren täglichen Wasserbedarf abzapfen. Auch Strassen und Gehwege sind zum grossen Teil ziemlich marode. Auf der anderen Seite gibt es hier via Glasfaserkabel das schnellste Internet der Welt. Auch das ist kein Scherz. Vielleicht sind es gerade diese harten Kontraste, die den Charme der litauischen Hauptstadt ausmachen.


Altstadt von Vilnius. (Urheber: Dieter Schütz / pixelio.de)


Neugierig geworden?

Vilnius ist mit etwas mehr als 530.000 Einwohnern recht klein, aber als Haupt- und Universitätsstadt sehr international geprägt. Leute um die 30 sprechen durchweg Englisch, so dass es mit der Verständigung kaum Probleme gibt. Die Stadt an der Neris verfügt über einen internationalen Flughafen, der gut an das europäische Netz angebunden ist und nur sieben Kilometer vom Zentrum entfernt liegt. Zwar ist auch die Anreise mit Auto, Bus, Bahn oder über die Ostseeküste mit Schiff möglich, aber das dauert sehr, sehr lange, ist relativ teuer und wenig zu empfehlen.


Vilnius – Universität. (Urheber: Dieter Schütz / pixelio.de)


Übernachtungsmöglichkeiten gibt es vom Luxushotel bis zum preiswerten Hostel für Backpack-Reisende reichlich. Vilnius hat ein prickelndes Nachtleben mit vielen Bars und Night-Clubs – von ziemlich abgerockt bis Schicki-Micki ist für jeden etwas dabei. Die Restaurants in der Altstadt bieten Kulinaria aus aller Herren Länder – sogar aus Litauen! Obwohl gesagt werden muss, dass die litauische Küche nicht unbedingt mit der französischen zu vergleichen ist. Es gibt einige Spezialitäten, doch die lassen sich an einer Hand abzählen. Was man probieren muss, sind Cepelinai. Das ist gut gewürztes Hackfleisch in einem Mantel aus Kartoffelteig, geformt wie ein – ja, Zeppelin.

Litauen ist ein Bierland mit alter und grosser Tradition. Wer in Vilnius in den Bars unterwegs ist und Bier mag, sollte unbedingt auch litauisches Bier trinken. Die Sortenvielfalt ist fast unüberschaubar – von leichtem Pils bis zu dunklem, relativ hochprozentigem Gebräu. Bier heisst in Litauen übrigens „Alus“. Wer jetzt an „Ale“ denkt, liegt durchaus nicht falsch. Natürlich gibt es auch Wein – nein, keinen einheimischen – und härteren Alkohol.

Kommen wir zu den Sehenswürdigkeiten. Wer sich einen Überblick verschaffen will, sollte den Turm der ursprünglichen Burg aufsuchen. Hinauf geht es mit einer Art Seilbahn, hinunter nur zu Fuss. Von dort oben aus hat man ein herrliches Panorama über die Altstadt und das relativ neue „Regierungsviertel“ auf dem anderen Ufer der Neris mit dem derzeit höchsten Wolkenkratzer im Baltikum.


Kathedrale in Vilnius. (Urheber: Marcin Szala / Wikimedia / Lizenz: CC)


Ein Muss ist der Wunschstein an der Kathedrale, die nur zwei Steinwürfe vom Burghügel entfernt liegt. Dabei handelt es sich um eine in den Boden eingelassene Bronzeplatte mit der Aufschrift „Stebuklas“ – das heisst „Wunder“. Die moderne Legende will es, dass man sich darauf stellt, die Augen schliesst, sich dreimal im Kreis dreht und dabei etwas wünscht, was natürlich nicht verraten werden darf.

Gegenüber der Kathedrale beginnt der Gedemino-Prospekt, die Prachtstrasse von Vilnius, mit unzähligen edlen Shops, Bars, Cafés und Restaurants. Von dort aus sollte man als Besucher öfter mal nach links und rechts abschweifen, um Vilnius besser kennen zu lernen.

Eine der verrücktesten Geschichten ist vielleicht die Gründung der „Freien Republik Uupis“. Uupis ist ein Stadtteil von Vilnius, in dem viele Künstler leben und arbeiten. Eine Bar am Flüsschen Vilnia dient als Parlament, die Verfassung hängt in einer benachbarten Strasse in vielen Sprachen auf Stahl gedruckt an einer langen Mauer (und kann bei Wikipedia nachgelesen werden).


Zugang zur Burg Trakai. (Urheber: Detlef Menzel / pixelio.de)


Im Rahmen dieses Artikels kann selbstredend nicht alles untergebracht werden, was den Reiz von Vilnius ausmacht. Am besten: Flug buchen, kommen und staunen. Zwei Attraktionen ausserhalb seien noch erwähnt. Es lohnt sich auf jeden Fall, einen Abstecher nach Trakai zu machen, der ehemaligen Hauptstadt Litauens. Trakai liegt etwa 30 km westlich von Vilnius. Das Zentrum bildet die uralte und gut erhaltene bzw. restaurierte Burg in der Mitte eines der zahlreichen Seen. Das zweite Highlight ist der geografische Mittelpunkt Europas, knapp 20 km nördlich von Vilnius. Fragezeichen? Ja, Vilnius liegt nicht „im Osten“, sondern mittendrin!

 

Oberstes Bild: Blick auf Vilnius. (Urheber: Dieter Schütz / pixelio.de)[vc_text_separator title=“Hier liegt dieses Reiseziel“ title_align=“separator_align_center“]
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Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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