Die Teestrasse Maliandao,Teil 3: Die hohe Kunst der chinesischen Teezeremonie

Wenn man auf der Maliandao zum Tee Einkaufen eintrifft, ist der erste Eindruck immer, dass man als absoluter Laie den Boden der hohen Teekunst betritt. Man schämt sich gleich wegen aller schon benutzten billigen Papierteebeutelchen aus dem Supermarkt, die das heisse Wasser freundlicherweise färben und nach künstlichen Aromastoffen riechen, aber doch kein Getränk mit Substanz herzaubern.  

Den richtigen Tee auszusuchen, den Aufguss traditionsgemäss zuzubereiten und schliesslich das Getränk zu geniessen ist eine Kunst, die nach einem gewissen Zustand des Körpers und der Seele verlangt und die nach bestimmten vorgeschriebenen Schritten erfolgen soll. Keine Eile, kein Stress, es geht ums Geniessen.


Chinesischer Teeladen (Bild: Uwe Aranas, Wikimedia, CC)


Der Tee wird in Gefässen oder Vasen aus Ton aber auch in grossen Plastiksäcken und dann in Kartons aus Pappe gewöhnlich bei Raumtemperatur gelagert. Allerdings verlangen einige Teesorten nach ganz speziellen Lagerungsbedingungen. Zum Beispiel wird die in China äusserst populäre Teesorte Tin Kuan Yin nur im Kühlschrank aufbewahrt, sonst würden sein Aroma und der unnachahmliche Geschmack nach Grün und Frische verloren gehen.

Das Aroma ist eins der wichtigsten Kriterien bei der Beurteilung der Teequalität. Bevor der Verkäufer die Teeblätter in die Teekanne gibt, zeigt er ein paar davon auf einem eisernen Teller dem Kunden, um sie zu beäugen und zu beriechen. Nach dem ersten Aufgiessen reicht der Ladenbesitzer dem Gast den Deckel der Teekanne, auf derer Innenseite sich die ätherischen Öle kondensiert haben. Nach dem Brauch muss man an jeder Portion Tee zu Beginn riechen, und erst dann wird das aromatische Getränk gekostet.


Oolong-Tee frisch zubereitet (Bild: © soultea.de, http://www.soultea.de/, Fotograf André Helbig, http://andrehelbig.de/, Wikimedia, CC)


Das zweite wichtige Kriterium ist die Herbheit. In vielen Ländern meinen die Teetrinker, dass ein guter Tee stark und herb in Geschmack sein muss. In China ist es genau umgekehrt: Die Herbheit sollte nach dem zweiten oder dritten Aufgiessen verschwinden.

Das nächste Kennzeichen eines guten Tees ist die Farbe und die Klarheit. In den Aufguss soll kein Teestaub geraten; nur kleine Fusselchen von jungen Teeblättern werden geduldet.


Teezeremonie (Bild: Pierre Selim, Wikimedia, CC)


Der Prozess des Aufgiessens selbst erinnert viel mehr an Zauberei. Der Verkäufer beginnt damit, dass er eine kleine Prise Tee (zwei bis drei Gramm) vom Metallteller nimmt und in die Teekanne aus Ton oder Porzellan gibt. Dann übergiesst er dieses kleine Bisschen Tee mit heissem, aber auf keinen Fall kochendem Wasser (die Wassertemperatur soll ungefähr 90°C betragen) und schüttet sofort diese erste Portion Tee auf den Tisch aus, auf dem es sich verschiedene Tierfigürchen aus Ton bequem gemacht haben. Auf jedem Teetisch werden Sie eine dreibeinige Kröte sehen, die eine Münze im Mund hält. Während der Teezeremonie stellt man die Kröte mit dem Gesicht zu den Kunden, als ob sie ihnen das Geld anbieten würde. Die Kröte soll den Teekäufern viel Geld und Wohlstand bringen. Manchmal dienen diese Tischfiguren als Thermometer – sie wechseln ihre Farbe in Abhängigkeit von der Temperatur der Flüssigkeit, die auf sie ausgeschüttelt wird.

Die Reste des ersten Aufgusses werden mithilfe eines Pinsels vom Tisch weggeräumt. Man kann den Tee erst nach dem zweiten Aufgiessen probieren. Aus der ersten Teekanne wird der Tee durch ein Sieb in eine Einschenkkanne aus Glas umgeschüttet. Und endlich wird der Tee in kleine Schalen eingeschenkt, die nicht grösser als 50 Milliliter – also, ein guter Schluck – sein dürfen.


Requisiten der Teezeremonie (Bild: Gary Stevens, Wikimedia, CC)


Gewöhnlich kann der Tee bis zu acht Mal aufgegossen werden (sehr gute und teure Teesorten bis zwanzig Mal). Der Tee wird nach jedem Aufgiessen probiert, so dass die Gäste gegen Ende der Teezeremonie mindestens ein Glas Tee intus haben.

Nach dem Beenden der Teezeremonie muss man nach den Regeln der Etikette unbedingt mindestens ein bisschen Tee kaufen, den man gut fand. Und wenn es nur 100 Gramm sind, freut sich der Teeladenbesitzer. Die Chinesen selbst kommen aber selten mit einem Kauf, der weniger als fünf Kilo wiegt, aus dem Laden.

 

Oberstes Bild: Chinesisches Teehaus in Peking (Bild: luo Saoyang, Wikimedia, CC)[vc_text_separator title=“Wo liegt dieses Reiseziel?“ title_align=“separator_align_center“][vc_gmaps type=“m“ zoom=“14″ link=“https://maps.google.com/maps?q=Maliandao+Street,+Pek%C3%ADn,+China&hl=es&ie=UTF8&sll=37.0625,-95.677068&sspn=38.963048,86.572266&oq=maliand&hnear=Ma+Lian+Dao+Jie,+Xi+Cheng+Qu,+Beijing,+Rep%C3%BAblica+Popular+China&t=m&z=16″ size=“350″]

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Ich schreibe, seit ich schreiben kann, und reise, seit ich den Reisepass besitze. Momentan lebe ich im sonnigen Spanien und arbeite in der Modebranche, was auch oft mit Reisen verbunden ist, worüber ich dann gerne auf den Portalen von belmedia.ch berichte. Der christliche Glaube ist das Fundament meines Lebens; harmonisches Familienleben, Kindererziehung, gute Freundschaften und Naturverbundenheit sind meine grössten Prioritäten; Reisen und fremde Kulturen erleben meine Leidenschaft; Backen und Naturkosmetik meine Hobbys und immer 5 Minuten zu spät kommen meine Schwäche.

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