Isfahan – Perle persischer und islamischer Architektur
VON Stephan Gerhard Mittlerer Osten
In der Mitte des heutigen Iran, in einem fruchtbaren Tal entlang den Ufern des Zahandey-Flusses, breitet sich die alte Stadt Isfahan aus, eine der faszinierendsten und nach wie vor bedeutendsten Metropolen des Landes. Fast 1,8 Millionen Menschen wohnen hier.
Trotz des modernen Häusermeers bietet Isfahan herausragende Bauten aus einer glanzvollen Vergangenheit, die auch heute noch in unveränderter Schönheit erstrahlen. „Esfahan – nesf-e dschahan“ ist ein gängiges Sprichwort im Iran und bedeutet so viel wie „Isfahan – die Hälfte der Welt“. Damit wurde bereits vor langer Zeit die Schönheit der Stadt beschrieben.
Ein Traum vom Orient
Mit dem Namen Isfahan verbinden sich für den westlichen Betrachter Vorstellungen von Orient und persisch-islamischer Kultur. Fast jedem ist der Isfahan-Teppich ein Begriff und tatsächlich hat die alte Kunst des Teppich-Knüpfens hier ein Zentrum.
Goethe hat in seinem berühmten Werk ‚West-östlicher Divan‘ eine frühe literarische Annäherung an die Kultur des Orients und damit auch Isfahans versucht, in neuerer Zeit hat der Autor Noah Gordon seinen bekannten Roman ‚Der Medicus‘ in der Stadt angesiedelt.
Eine Schlüsselfigur des Werks, der berühmte Arzt Ibn Sina oder – europäisiert – Avicenna hat tatsächlich zeitweilig in Isfahan gelebt und gewirkt.
Einst persische Hauptstadt
Isfahan bestand unter dem Namen Aspadana wohl schon in antiker Zeit, als die Parther das Gebiet beherrschten. Ihre Glanzzeit erlebte die Stadt aber im 16. und 17. Jahrhundert, als Isfahan Residenz der Safawiden-Herrscher und damit zur Hauptstadt Persiens wurde. Den Höhepunkt dieser Ära markiert die Regierungszeit von Schah Abbas I. Der Safawiden-Dynastie verdankt Isfahan seine bis heute herausragenden Baudenkmäler.
Der Imam-Platz – die Mitte Isfahans
Zwei sind als Wahrzeichen der Stadt besonders hervorzuheben: der Imam-Platz mit seinen Bauten und die Brücke Si-o-se Pol über den Zahandey-Fluss. Der Imam-Platz bildet das Herz der historischen Altstadt Isfahans. Er entstand unter Schah Abbas I. Mit einer Grundfläche von neun Hektar ist er einer der grössten urbanen Plätze weltweit. Dem Besucher präsentiert sich der riesige begrünte Platz als geschlossener Raum. Er ist an vier Seiten von doppelstöckigen Arkaden umgeben.
An der Süd- und Nordseite befinden sich zwei Eingangstore. Das eine bildet den Eingangsbereich der Imam-Moschee, das andere den Zugang zum Basar. Er vermittelt noch authentische orientalische Handels-Atmosphäre und ist selbst ein Baudenkmal für sich.
An den längeren Ost- und West-Seiten des Imam-Platzes stehen sich die prächtige Scheich-Lotfollāh-Moschee und die sogenannte Hohe Pforte, ein früherer Palast, jeweils in der Mitte gegenüber. Der Platz beeindruckt durch seine symmetrische Ästhetik ebenso wie die 33-Bogen-Brücke Si-o-se Pol, ein doppelstöckiges Viadukt.
Die Freitagsmoschee – grösste Moschee Irans
Ein weiterer bedeutender Moscheebau ist die Freitagsmoschee, deren ältester Teil aus dem 8. Jahrhundert stammt. Die Moschee wurde in den folgenden Jahrhunderten immer wieder umgestaltet und umgebaut. Sie repräsentiert daher wie kaum ein anderer Bau islamische Architekturtradition. Mit ihrem Innenhof und den grosszügigen Abmessungen bildet sie heute die grösste Moschee des Iran. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die zahlreichen weiteren Moscheen Isfahans aufzuführen, die bedeutende Kunstwerke sind. Jeder Isfahan-Reisende ist gefordert, hier eine Auswahl zu treffen.
Im armenischen Viertel
Hier befindet sich ein Teil Isfahans, den man an dieser Stelle nicht vermuten würde. Das armenische Viertel Neu-Dschulfa. Christliche Armenier leben bereits seit dem 17. Jahrhundert in Isfahan, ihren Mittelpunkt bildet das Viertel Neu-Dschulfa, das nach seinem Ursprungsort in Armenien benannt ist. Heute gehören etwa 25.000 Menschen zur christlich-armenischen Gemeinschaft in Isfahan – einer religiösen Minderheit, die auch in der Islamischen Republik Iran respektiert wird.
Ihr Zentrum ist die Vank-Kathedrale, ein Bau aus dem 17. Jahrhundert, in dem sich islamische und christliche Bautraditionen in für uns ungewohnter Weise miteinander verbinden. Im Inneren ist sie mit kunstvollen Malereien und Schnitzwerk üppig dekoriert. Es gibt in Neu-Dschulfa noch mehr bedeutende Kirchen aus dieser Zeit, wie zum Beispiel die Bedchem-Kirche, die ebenfalls mit wertvollen Malereien ausgestattet ist.
Paläste und Pracht-Boulevard
Im Umfeld des Imam-Platzes liegen noch zwei bedeutende Paläste aus der Safawiden-Zeit, der Tschehel Sotun-Palast und der Hascht Behescht-Palast, beide aus dem 17. Jahrhundert und von ausgedehnten Park- und Gartenanlagen umgeben. Sie bilden so etwas wie die grüne Mitte Isfahans.
Zu den repräsentativsten Strassen der Metropole gehört der angrenzende Tschahār Bāgh-Boulevard, heute mit zahlreichen Hotels und Geschäften eine Flanier- und Shopping-Meile der Stadt. Der Boulevard wird von der Brücke Si-o-se Pol und dem Zahandey-Fluss unterbrochen, um am anderen Flussufer fortgeführt zu werden.
Eine Stadt der Kontraste
Isfahan führt Besucher in eine reiche und für uns heute kaum noch nachzuvollziehende Vergangenheit. Gleichzeitig ist die Stadt auch ein Spiegelbild des heutigen Iran, eine pulsierende Metropole, in der sich islamische Tradition und urbanes Lebensgefühl kontrastreich begegnen – eine Stadt mit vielen Facetten.
Artikelbild: Masdsched-e Emām – Königsmoschee in Isfahan. (© Patrickringgenberg, Wikimedia, GNU)